Sitzung: 31.05.2011 Rat
Beschluss: mehrheitlich beschlossen
Abstimmung: Ja: 23, Nein: 10, Enthaltungen: 0
Vorlage: 05 - 15 0432/2011
Beschlussvorschlag
Der Rat der Stadt Emmerich am Rhein
beschließt den durch das Planungsbüro Junker & Kruse erstellten „Entwurf
des Einzelhandelskonzeptes für die Stadt Emmerich am Rhein“ von April 2011 als
„Einzelhandelskonzept der Stadt Emmerich am Rhein“ im Sinne eines räumlich-funktionalen
Grundkonzeptes für künftige Entscheidungen zu Einzelhandelsansiedlungen in der
Stadt Emmerich am Rhein.
Das vom Rat der Stadt Emmerich am Rhein
beschlossene „Einzelhandelskonzept der Stadt Emmerich am Rhein“ versteht sich
als freiwillige Selbstbindung an ein städtebauliches Entwicklungskonzept i. S.
der Vorschriften des § 1 Abs. 6 Nr. 11 Baugesetzbuch (BauGB), welches bei der
Aufstellung und Änderung von Bauleitplänen sowie bei der planungsrechtlichen
Beurteilung von Baugesuchen zu berücksichtigen ist.
Auf Antrag von Mitglied Kukulies
wird der Wortbeitrag von Mitglied Bartels wörtlich protokolliert.
Mitglied Bartels:
"Ich möchte die Gelegenheit
nutzen, doch einige Aussagen zu dem Thema Gutachten zu machen. Sehr verehrte
Kolleginnen und Kollegen, Gutachten sollten eigentlich verlässliche Grundlagen
für anstehende Entscheidungen sein. Immerhin werden diese, Ihre Entscheidungen,
die Stadt und den städt. Einzelhandel über eine sehr lange Zeit prägen. Unter
diesen Vorzeichen haben wir das vorliegende Gutachten kritisch betrachtet, wohl
wissend, dass die Firma Junker und Kruse ein erklärter Gegner von großen
Lösungen in Innenstädten ist. Diverse Veröffentlichungen aus dem Hause Junker
und Kruse belegen das nachhaltig. Als Quelle möchte ich hier die Homepage von
Junker und Kruse angeben, da kann man das hervorragend nachlesen. Hinzu kommt,
das Junker und Kruse das Konzept aus dem Jahre 2004 sehr restriktiv, in Bezug
auf die nunmehr neu definierten Teile der Kerninnenstadt, verändert hat. So
verändert, dass man geneigt ist, hier von Kannibalismus zu sprechen. Denn nur
sehr wenig ist von dem übrig geblieben, was in 2004 dazugehörte. Wie werden
wohl die Hauseigentümer, die damit sicherlich verbundene Abwertung ihrer Immobilie aufnehmen und vor allem, wie
werden sie die damit verbliebenen Chancen auf eine gewerbliche Vermietung
sehen?
Doch betrachten wir jetzt die
verschiedenen Aussagen aus dem Gutachten etwas detaillierter. Eine Aussage auf
Seite 9 lautet: 'Die Einzelhandelslandschaft in Emmerich hat sich dynamisch
weiterentwickelt.' Fakten sind: BMW weg, Ford weg, Opel weg, Renault weg,
Pitstop weg, Nowa-Möbel weg, Schuster/Fassin weg. Ich könnte jetzt die Aufzählung noch entsprechend erweitern,
mache ich aber nicht. Weiterhin hat sich auch anderes Gewerbe nicht dynamisch
weiterentwickelt; ich nenne nur zwei. Wir haben eine riesige Ansiedlung mit
Bright-Point an der Stadtweide, gibt es dort auch nicht mehr, das
Obi-Logistikcenter existiert ebenfalls nicht mehr. Gott sei Dank ist die Firma
Becker umgezogen und hat das weitere jetzt mit Leben gefüllt. Es gab auch
Neuansiedlungen. Eine sehr löbliche Neuansiedlung ist Obi, die aber letztendlich durch eine
Erweiterung ihrer Sortimente auch jetzt innenstadtrelevante Dinge verkaufen und
das ist auch nicht so gewünscht. Über BLG möchte ich jetzt bewusst nicht
sprechen, weil das eine sehr flächenintensive Geschichte ist, die letztendlich
der Emmericher Innenstadt und auch den Bürgern und damit verbundenen
Einnahmesituationen überhaupt gar nichts gebracht hat.
Dann komme ich jetzt mal zur
Leerstandssituation. Hier hat sich keine grundlegende positive Entwicklung und
vor allen Dingen keine dynamische Veränderung ergeben zu 2005. Die Leerstände
sind in gleichem bzw. noch in größerem Umfang vorhanden als in der Innenstadt.
Hieran hat auch die kostenintensive Umgestaltung der Steinstraße überhaupt
nichts verändert. Mittlerweile wird als einziger Punkt die 1a-Lage gesehen vom
Bereich Volksbank bis zur Kirchstraße. Daneben haben wir nur noch 1b-Lagen. Die
Sortimentsliste ist auch ein Punkt der von Junker und Kruse intensiv bearbeitet
worden ist. Der Käufer ist letztendlich der einzige Entscheidende darüber, ob
er eine Innenstadt als attraktiven Einzelhandelsstandort wahrnimmt oder nicht.
Somit reicht im Zweifel eine
Flaniermeile Rheinpromenade nicht aus, um den Einzelhandel positiv zu beatmen.
Es besteht vielmehr die Gefahr, dass die überwiegend auswärtigen Besucher der
Promenade diese nur als Ort der touristischen Erbauung wahrnehmen und den
ursprünglichen Kopplungseffekt in den Hintergrund stellen und somit Emmerich
nicht mehr als Einkaufsmöglichkeit erkennen. Hier wird außerdem die Chance der
räumlichen Nähe von z. B. der Mennonitenstraße und dem Aldi-Gelände zur
Kerninnenstadt nicht positiv genutzt, indem man weitere Ansiedlungen an dieser
Stelle aktiv verhindert. Somit wird dem Besucher z. B. vom Aldi-Markt, erwiesenermaßen handelt es sich bei diesen
Kunden um 40 % Niederländer, erst gar nicht aufgezeigt, dass es in relativer
Nähe zum Aldi-Markt noch eine Innenstadt mit möglicherweise weiteren Einkaufsmöglichkeiten
gibt. Eben durch diese Handlungsweise wird der Aldi-Kunde nur auf diese
Einkaufschance reduziert. Eine auch baulich dargestellte Anbindung an die
Innenstadt würde im Zweifel eher neugierig machen als abschrecken. Dazu kommt
eine sklavische Festlegung von Sortimenten und Quadratmeterflächen, die führt
zu einer Bevormundung der Verbraucher. Folge: U. U. entscheidet sich der
Verbraucher bereits grundsätzlich gegen Emmerich und fährt den Standort erst
gar nicht an. Der Flächenbedarf wird auch von Junker und Kruse festgelegt.
Junker und Kruse legt den Flächenbedarf bzw. die Größe der möglichen
Ansiedlungen sehr konservativ fest. Warum
wird es nicht den Ansiedlungswilligen überlassen, über ihr Wohl und Wehe
selbst zu entscheiden? Wenn, wie z. B. bei ITG geschehen, sich diverse Mieter
nicht nur eine gewisse Fläche wünschen, sondern auch diese sogar als
Minimalgröße für ihr Kommen definieren, sollten wir tunlichst nichts
unternehmen, diese Entscheidungen und Wünsche unnötig zu reglementieren. Im Übrigen
ist es aufgrund von diversen Veröffentlichungen der Firma Junker und Kruse
deutlich geworden, dass man dort kein Befürworter von Shopping-malls ist.
Allerdings bei einer Gesamtfläche, wie von ITG angedacht, von 8.500 m² von
einer Shopping-mall zu sprechen, halte ich doch für sehr übertrieben. Dafür
gibt es z. T. auch noch fehlerhafte Erhebungen. Da möchte ich mal einige Dinge
herausgreifen. Bei der Lektüre ist uns aufgefallen, dass auf der Seite 33
die vorgenommene Bewertung der
durchschnittlichen Verkaufsfläche pro Betrieb von 245 m² genannt wird. Mit
diesem Wert läge Emmerich damit, lt. Junker und Kruse, sogar über dem
Bundesdurchschnitt von 230 m². Der Wert kommt aber nur durch eine erhebliche
Ausweitung der Verkaufsfläche von Obi und das Dazurechnen von freien Flächen
der Firma Stein Poot und Natursteine Emmerich zustande. Ansonsten ist die
Flächenausstattung des Emmericher Einzelhandels, und das wissen Sie, liebe
Kolleginnen und Kollegen genauso gut wie ich, eher kleinteilig und führt
oftmals zu Existenzproblemen aufgrund fehlender Verkaufsflächen. Auf der Seite
91 wird die Standortstruktur beleuchtet und es werden einige Unternehmen
verschiedener Branchen aufgezählt z. B. als solitäre großflächige
Einzelhandelsbetriebe. Hierbei wird z. B. vollständig der Einzelhandelsbetrieb
an der Rudolf-Diesel-Straße 18, in dem ich zufällig mein Geschäft betreibe, mit
zwei Einzelhändlern und vier Dienstleistern mit einer Gesamtsbetriebfläche mit
2.000 m² einfach so vergessen. Deswegen glaube ich, darf man sehr kritisch über
dieses Einzelhandelsgutachten nachdenken, was aus unserer Sicht mit einer sehr
groben Art und Weise erarbeitet worden ist und deswegen wird sich die BGE dem
Antrag nicht anschließen. "
Mitglied Sickelmann bezieht sich
auf die ausführliche Diskussion im Fachausschuss. Ihrer Meinung nach ist der
Zustand der Emmericher Innenstadt zurückzuführen auf die Durchsetzung von
Einzelinteressen, auf die fehlende Steuerung und dem fehlenden Gesamtkonzept.
Ihre Fraktion hofft, dass dieser Zustand mit dem vorliegenden Gutachten der
Firma Junker und Kruse beseitigt werden kann. Sie merkt noch an, dass es sich
bei der Kritik der BürgerGemeinschaft um ein einziges Grundstück handelt.
Insofern kann ihre Fraktion diese Kritik, die zu Lasten eines Gesamtkonzeptes
geht, nicht mittragen.
Mitglied Kukulies teilt im Namen
seiner Fraktion mit, dass sie sich den Ausführungen der BGE-Fraktion anschließt
und dem vorliegenden Beschlussvorschlag nicht zustimmt.
Mitglied Gertsen stellt den Antrag, gemäß Vorlage zu beschließen.