Beschluss: zur Kenntnis genommen

Beschlussvorschlag

 

Der Ausschuss für Stadtentwicklung nimmt den Vortrag der Kommunal- und Abwasserberatung NRW GmbH zur Kenntnis.

 


Herr Dipl.-Ing. Michael Lange stellt sich kurz vor und erläutert eingehend anhand einer Power-Point-Präsentation. Die Kommunal- u. Abwasserberatung NRW GmbH Düsseldorf ist eine 100%ige Tochtergesellschaft des Städte- und Gemeindebundes und ist ausschließlich für alle Kommunen in NRW zuständig. Das Unternehmen hat 35 Mitarbeiter, darunter Rechtsanwälte, Ingenieure, Biologen, Chemiker etc.. Das Unternehmen ist zertifiziert nach ISO EN 9001 (Qualität und ISO EN 14001 (Umwelt). Die Produktbereiche reichen von Technik, über Organisation, Recht, Software bis hin zu kommunalen Diensten. Im Vortrag geht er auf die finanzielle Situation der Städte und Gemeinden, die heutige Infrastruktur, die zukünftigen Einflussfaktoren, die Folgen für den Bürger, wo steht Emmerich und das mögliche Handeln ein.

Aus einer Haushaltsumfrage aus dem Jahre 2011 geht hervor, dass die Stadt Emmerich im Regierungsbezirk Düsseldorf zu den 4 Kommunen zählt, die über einen strukturell ausgeglichenen Haushalt verfügen.

Hinsichtlich der Infrastruktur beobachtet sein Unternehmen häufig sehr desolate Zustände der Kanäle. Die Nachhaltigkeit ist darin zu sehen, dass die kommunale Infrastruktur in der Form berücksichtigt wird, dass die wesentlichen Eigenschaften nicht nur zum heutigen Zeitpunkt sondern auch zukünftig erhalten bleiben. Dies stellt in vielen Kommunen ein großes Problem dar.

Für Emmerich ist festzustellen, dass sich die Einwohnersituation von 1998 bis 2010 nicht erheblich verändert hat, allerdings ist die kommunale Infrastruktur im Bereich des Kanalbaus in den letzten 14 Jahren deutlich angewachsen. Hier liegt der Grund u. a. auch in der neuen kommunalen Abwasserverordnung, die den Kommunen vorgegeben hat, für die Wohngebiete nach § 30 und § 34 BauGB eine Anschlusspflicht vorzusehen.

Die heutige Situation in NRW stellt sich so dar, dass derzeit 15 ha Fläche pro Tag versiegelt werden. Ziel der Landesregierung ist es, bis zum Jahr 2020 ein Reduzierung der Versiegelung auf 5 ha Fläche pro Tag zu erreichen. Die Gesamtlänge der Kanäle in NRW beträgt 95.000 km, die über eine Abschreibungsdauer von 65 bis 100 Jahre verfügen. Derzeit werden jährlich für die Instandhaltung 56 € pro Einwohner benötigt, d. h. rd. 1 Mrd. € für ganz NRW. Der Bereich der Straße verfügt über 100.000 km Länge; die Lebensdauer der Straßen liegt bei 20 bis 30 Jahren. Für die Instandhaltung wären jährlich 80 € bis 100 € pro Einwohner erforderlich; für ganz NRW wären 1,5 Mrd. € notwendig. Er erklärt an 3 verschiedenen kommunalen Beispielen die Unterschiede.

Nunmehr geht er auf die Einflussfaktoren ein. Als erster Faktor sei die Demografie genannt. Die Bevölkerungsentwicklung ist rückläufig. Nach einer Studie aus dem Jahre 2003 wären womöglich im Jahre 2050 nur noch 58,6 Mio. Einwohner zu verzeichnen. Fakt ist, dass von 1995 bis zum heutigen Tag eine deutliche Schrumpfung zu erkennen ist. Lediglich 15 % der Kommunen in NRW (einschl. Emmerich) verzeichnen eine Wachstum. Die Quote der Kommunen, die eine erhebliche Schrumpfung verzeichnen, liegen hauptsächlich im ländlichen Bereich (Ostwestfalen-Lippe, Münsterland, Eifel etc.).

Sowohl der Klimawandel wie auch technische Innovation sind weitere Einflussfaktoren. Nordrhein-Westfalen ist von den 16 Bundesländern das Bundesland, welches den größten Wasserverbrauch (ca. 130 l pro Einwohner) aufweist.

Nunmehr geht er auf die Folgen ein. Eine Reduzierung des Wasserverbrauches bedeutet nicht weniger Gebühr, da die Abwassergebühren grundsätzlich steigen. Auch die demografische Entwicklung wirkt sich hierauf nachteilig aus und bedeutet eine 15 %ige Steigerung.

Eine weitere Folge ist die Sicherheit des Wohneigentums. Wie gut sind die Häuser aus den Baujahren 1949 bis 1978 in dem Jahre 2030 zu verkaufen. In NRW gibt es durchaus Bereiche, wo dieser Risikofaktor hoch eingestuft wird.

Nunmehr geht er gezielt auf die Situation für Emmerich ein. Die Bevölkerungsentwicklung ist von 1532 bis zum heutigen Zeitpunkt drastisch angestiegen. Seit dem Jahr 1975 ist keine wesentliche Änderung zu verzeichnen. Anzumerken ist, dass die im Jahr 1946 gebauten Kanäle zum heutigen Zeitpunkt abgeschrieben sind. Die zum heutigen Zeitpunkt gebauten Kanäle sind im Jahre 2078 abgeschrieben. In dieser Zeit ist das Kanalsystem das Anlagesystem der Kommune und muss refinanziert und abgeschrieben werden. Allerdings ist in der Zeit zu bedenken, dass die Bevölkerung lt. einer Bertelsmann-Studie ab dem Jahr 2025 rapide bergab geht. Die derzeitige notwendige Investitionssumme für die Instandhaltung der Kanäle liegt bei ca. 1,6 Mio. € und für die Straße bei derzeit 2,6 Mio. €.

Bei der Bevölkerungsstruktur ist zu erwarten, dass die Altersstruktur bis zum Jahr 2030 ansteigen wird. Bis zum Jahre 2078 ist diese Situation wahrscheinlich noch dramatischer.

Das Fazit sieht demnach so aus:

-          Bevölkerung wird weniger und älter,

-          jedem Einwohner steht mehr Siedlungsfläche zur Verfügung, die zu unterhalten ist,

-          höhere Kosten pro Einwohner für die Unterhaltung von Ver- und Entsorgungsinfrastruktur,

-          mehr Unterhaltung von Schulflächen je Schüler

 

Nunmehr zeigt er verschiedene Handlungsmöglichkeiten auf. Von 2009 bis 2011 hat seine Firma gemeinsam mit dem Fraunhofer Institut und der Emscher Genossenschaft ein Projekt durchgeführt. Hierbei wurden Überlegungen hinsichtlich der Entwicklung der Infrastruktur mit Fokus auf das Jahr 2050 angestellt. Die daraus an die Kommunen herausgegangene Botschaft besagt, dass es unbeeinflussbare Faktoren gibt (z. B. demografischer Wandel, Wirtschafts- und Technikentwicklung, Gesetzgebung etc.). Änderungen in kommunalen Handlungsfeldern sind möglich. Es müssen Überlegungen angestellt werden, mit welchen Szenarien und Strategien die Planungen durchgeführt werden. Die Szenario-Methode sieht zum einen die Abarbeitung des strategischen Planungsinstrumentes und zum anderen den gruppenorientierten Prozess vor. Im strategischen Planungsinstrument ist die Schlüsselfrage „Was wäre wenn?“ zu klären. Weiterhin erfolgt die Präzisierung/Fokussierung des Planungsgegenstandes u. Planungshorizontes. Es erfolgt eine Identifikation der wichtigsten, mit hoher Unsicherheit, behafteten Einflussfaktoren samt ihrer Entwicklungen und (Wechsel-)Wirkungen. Daraus entwickelt sich die  Formulierung von Szenarien als Kombination der Einflussfaktoren und die Identifikation von Handlungsoptionen und Formulierung geeigneter Strategien. Im gruppenorientierten Prozess fördert man den Wissensaustausch durch Einbeziehung unterschiedlicher Perspektiven und verbreitet die Wahrnehmung der Planungsaufgabe, Planungskontextes und Handlungsoptionen. Diese Diskussion in dem Bereich ist ein sehr wichtiger Prozess, der allerdings für die mögliche Investitionsentscheidung von erheblicher Bedeutung ist.

Die entwickelten Handlungsstrategien müssen alle paar Jahre überprüft werden; auch bei jeder Bebauungsplanänderung oder Bebauungsplanaufstellung ist dies erforderlich. Nunmehr spricht er verschiedene Stadt-Beispiele an, wie Porta Westfalica, Bergisch Gladbach und Gelsenkirchen.

 

Es sind viele verschiedene Kommunikationsebenen erforderlich um ein Projekt über längere Jahre hin zu entwickeln und um entsprechende Handlungswege aufzuzeigen. Seine Firma bietet den Kommunen eine Zusammenarbeit mit anderen Partnern an, wo eine Begleitung bei der Beantwortung von Leitfragen wie

 

            Wo steht meine Kommune?

            Was wird sich verändern?

            Was kann ich als Verantwortlicher verändern?

            Wo möchte ich meine Kommune hinführen?

            Wie gehe ich vor?

 

erfolgt.

Derzeit ist festzustellen, dass Emmerich bis zum Jahre von 2025 noch sehr gut da steht. Was allerdings passiert danach und verändert sich somit. Was kann der Verantwortliche, und hier ist die Kommunalpolitik angesprochen, verändern. Dann muss klar definiert werden, wo die Kommune hingeführt wird und wie dies erreicht werden soll.

Auf diesem Weg begleitet seine Firma derzeit etliche Kommunen.

 

Vorsitzender Jansen bedankt sich für den informativen Vortrag.

 

Auch Mitglied Sickelmann bedankt sich für ihre Fraktion für den informativen Vortrag. In der weiteren Vorlage in der Tagesordnung, wo man sich mit den Leitlinien der Regionalplanfortschreibung beschäftigt, heißt es von der Verwaltung, dass zur Ermittlung der Kosten der Kosten- und Zeitaufwand unangemessen hoch sei. Sie fragt an, ob es kommunale Rechensysteme gibt, die ein solches Verfahren weniger personalintensiv und kostengünstig berechnen können. Ferner teilt sie mit, dass 80 % bis 90 % der Baugebiete von Vorhabenträgern durchgeführt werden.

Von Hrn. Dipl.-Ing. Michael Lange werden nachträglich per Mail 2 Internetadressen zu Berechnungstools zur Einschätzung der Gesamtkosten eines Baugebietes mitgeteilt:

www.lean2.de und www.was-kostet-mein-baugebiet.de

 

Mitglied Spiertz bedankt sich ebenfalls für seine Fraktion für den Vortrag. Auf seine Bitte wird der Vortrag von Hrn. Dipl.-Ing. Lange der Niederschrift beigefügt (siehe Anlage).

 

Erster Beigeordneter Dr. Wachs erklärt, dass zum jetzigen Zeitpunkt noch keine gezielte Diskussion stattfinden kann. Vielmehr sollte den Mitgliedern diese Thematik etwas bewusster gemacht werden. Ferner teilt er mit, dass die Verwaltung von der Bezirksregierung die Aufforderung bekommen hat, den ABK-Bericht des vergangenen Jahres vorzulegen. In diesem steht u. a. welche Maßnahmen vorgesehen sind, welche Maßnahmen warum durchgeführt sind und welche Maßnahmen nicht durchgeführt sind. Man sollte sicherlich den Blick in die Zukunft richten und sich bei jedem Baugebiet entsprechende Gedanken machen. Er erinnert daran, dass im Jahr 2008 das Wohnbaulandkonzept beschlossen wurde, indem ausdrücklich keine neuen Baugebiete ausgewiesen wurden. In der Regel waren es nur Änderungen von bestehenden Bebauungsplänen.

 

Auf Anfrage von Mitglied Beckschaefer antwortet Herr Dipl.-Ing. Lange, dass die Abschreibung vom Herstellungswert berechnet wird. Es ist gängige Rechtsprechung, dass vom Wiederbeschaffungswert abgeschrieben werden kann; diese Praxis ist durch mehrere Urteil des Oberverwaltungsgerichtes bestätigt. Die Großzahl der Kommunen führt auch dementsprechend die Abschreibung durch.

Für Mitglied Beckschaefer ist es unverständlich, dass die öffentliche Hand etwas praktiziert, was der deutschen Industrie und den deutschen Unternehmen versagt ist. Diese müssen vom Anschaffungswert abschreiben. Diese Abschreibung auf Wiederbeschaffungswert in 50 Jahren ist nur sehr begrenzt kalkulierbar und hat zur Folge, dass die Gebühren für den Bürger höher werden.

 

Mitglied Tepaß fragt nach einer Auflistung der letzten 5 Jahre, wie viel im Kanalnetz pro Einwohner im Jahr investiert wurde. Hierauf erklärt Erster Beigeordneter Dr. Wachs, dass dies aus den Wirtschaftsplänen der Kommunalbetriebe hervorgeht.

 

Nachtrag: Nach Informationen der Kommunalbetriebe sehen die Investitionen folgendermaßen

                 aus:

                                    Investitionen             2007                2008                2009                2010

                                    In T €                          1.776               3.792               2.601               3.222

 

                 Dies entspricht Investitionskosten für das Kanalnetz pro Einwohner (bei 30.000 EW)

     von 59 € für das Jahr 2007, 126 € für das Jahr 2008, 87 € für das Jahr 2009 und

     107 € für das Jahr 2010.

 

 

Mitglied Nellissen geht auf den Vortrag von Hrn. Dipl.-Ing. Lange ein. Das Beispiel „Porta Westfalica“ kommt der Stadt Emmerich sehr nahe. Auch Emmerich verfügt über eine Großzahl von Einfamiliehäusern. Er fragt nach, was sein Unternehmen den Bürgern raten würde. Herr Dipl.-Ing. Lange erklärt, dass keine Empfehlung an den jeweiligen Grundstückseigentümer erfolgt. Es wird lediglich eine Empfehlung an die Kommune ausgesprochen. Die Kommune sollte sich Gedanken darüber machen, wie sie die Gebiete zukünftig entwickeln möchte und wie potentielle Käufer herangezogen werden können.

 

Mitglied Matthias Reintjes geht auf das Beispiel der Stadt Iserlohn ein. Hier wurde sehr deutlich gemacht, dass gerade die ländlichen Kommunen erhöhte Infrastrukturlasten pro Einwohner haben. Im Gemeindefinanzierungsgesetz wird durch den Zentralisierungsansatz den Großstädten ein gewisser zusätzlicher finanzieller Spielraum zu gesprochen, weil diese mehr Lasten zu tragen haben wie die ländlichen Kommunen. Vor einigen Jahren war vom Städte- und Gemeindebund ein Infrastrukturlastenansatz auch für den ländlichen Raum angeregt worden. Er fragt nach, ob so was in Zukunft angedacht ist und wie der Stand der Debatte derzeit aussieht.

Herr Dipl.-Ing. Lange teilt mit, dass seines Wissens diesbezüglich nichts angedacht sei und er keine Informationen zum Stand der Debatte geben kann.