Beschluss: mehrheitlich beschlossen

Abstimmung: Ja: 33, Nein: 0, Enthaltungen: 1

Beschlussvorschlag

 

Der Rat stimmt aufgrund der in der Begründung benannten Gegebenheiten einer Bürgerbefragung im Rahmen der am 25. Mai 2014 stattfindenden Wahlen nicht zu

 

Begründung

Mit seiner Eingabe an den Rat der Stadt Emmerich am Rhein vom ….. begehrt Herr Hans-Jörgen Wernicke eine seitens der Verwaltung initiierte Befragung der Bevölkerung zu einer möglichen Ansiedlung eines ALDI Marktes in Elten. Die Stimmabgabe  soll den Bürgerinnen und Bürgern zeitgleich zu den am 25. Mai 2014 stattfinden Wahlen (Europawahl, Kreistags- und Ratswahlen und Integrationsratswahlen) in den einzelnen Wahllokalen ermöglicht werden. Herr Wernicke fordert die Verwaltung dazu auf,  „eine Umfrage zu organisieren, damit  die Bevölkerung ihren Willen zum Ausdruck bringen kann und die Politik weiß, wie sie sich verhalten sollte.“  Das Votum soll somit richtungsweisend sein für eine mögliche spätere Abstimmung im Rat und faktisch Bindungswirkung entfalten.

 

In der Gemeindeordnung des Landes Nordrhein-Westfalen spiegelt sich der Grundsatz der repräsentativen Demokratie wieder. Die Ratsmitglieder werden von den Bürgern in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt und sind verpflichtet, sich ausschließlich nach dem Gesetz und ihrer freien, nur durch Rücksicht auf das öffentliche Wohl bestimmten Überzeugung leiten zu lassen. Damit sind die demokratische Legitimation und die Verpflichtung auf das Gemeinwohl gegeben.

Das kommunale Verfassungsrecht sieht allerdings plebiszitäre Elemente, die die Bürgerinnen und Bürger direkt an konkreten Entscheidungsfindungen beteiligen, als Durchbrechung dieses Grundsatzes durchaus vor.

Zwar trifft die Gemeindeordnung des Landes Nordrhein-Westfalen (GO NW) keine Verfahrensregelungen zur Durchführung einer Bürgerbefragung, doch  ist die Zulässigkeit formloser Bürgerbefragungen zu bejahen.

Als rechtlich problematisch sind Bürgerbefragungen zu qualifizieren, die den Rat in seiner Entscheidungsfindung binden und eine freie Entscheidung der gewählten Entscheidungsträger nicht mehr zulassen. Diese Wertung wird durch eine bereits 2004 im Zusammenhang mit einer ähnlichen Fragestellung in einer anderen Kommune  gefertigte juristische Stellungnahme des NW Städte- und Gemeindebundes  gestützt. Demzufolge ist eine Bürgerbefragung seitens des Rates zu einem bestimmten Thema zumindest dann nicht zulässig, wenn diese als Voraussetzung und Basis für weitere Entscheidungen gelten soll.

 

Im konkreten Fall kommt  hinzu, dass sich Entscheidungsfindung und Beschlussfassung im Rahmen der Bestimmungen des Bauplanungsrechtes bewegen müssen.

 

Die von Herrn Wernicke in Bezug auf eine großflächige Einzelhandelsansiedlung im Ortskern Elten benannten Aspekte „Denkmalschutz“, „Verkehr“ und „Gestaltung des Ortsbildes“ sind, neben anderen Belangen, beispielsweise der Frage nach der „Verträglichkeit mit bestehenden Einzelhandelsbetrieben“, sowohl berechtigt als auch gewichtig.

Aktuell liegt der Verwaltung kein formelles Ansiedlungsbegehren vor; nach Rücksprache mit der Firma Aldi wird ein solches derzeit auch nicht formuliert werden.

Grundsätzlich bleibt hinsichtlich des Begehrens nach einer „Bürgerbefragung“ an der Schnittstelle zum Bauplanungsrecht festzuhalten:

Im aktuellen „Einzelhandelskonzepts für die Stadt Emmerich am Rhein hat der Rat festgelegt, dass „Standorte mit nahversorgungsrelevanten Kernsortimenten im zentralen Versorgungsbereich liegen“ sollen (S. 118 f.); der ggf. relevante Abschnitt der Klosterstraße gehört zu diesem Bereich (S. 102 f.). Darüber hinaus hat der Rat der Stadt bestimmt, dass sich das Konzept als freiwillige Selbstbindung an ein städtebauliches Entwicklungskonzept i. S. der Vorschriften des § 1 Abs. 6 Nr. 11 Baugesetzbuch (BauGB) versteht, welches bei der Aufstellung und Änderung von Bauleitplänen sowie bei der planungsrechtlichen Beurteilung von Baugesuchen zu berücksichtigen ist.

Sowohl die grundsätzliche selbstbindende Bejahung einer ortskernbezogenen Einzelhandelsansiedlung; als auch die eingangs benannten Belange würden eine Bauleitplanung jedenfalls erforderlich machen. Das grundsätzliche gemeindliche Planungsermessen hätte sich dann ggf. sogar schon in eine Planungspflicht verdichtet (§ 1 Abs. 3 BauGB). Einer solchen Pflicht zur Bauleitplanung könnte ein konträres Ergebnis einer Bürgerbefragung nicht entgegengesetzt werden.

Kernstück des Bebauungsplanverfahrens wäre es, die öffentlichen und privaten Interessen, die in Bezug auf die städtebauliche Entwicklung und Ordnung von Bedeutung sind und bodenrechtlichen Bezug haben, gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen. In der Kollision zwischen verschieden Belangen kann sich die Gemeinde für die Bevorzugung des einen und damit notwendigerweise für die Zurückstellung eines andern Belangs entscheiden.

Voraussetzung dieser sachgerecht abwägenden Entscheidung, aber auch der rechtzeitigen und wirksamen Verwirklichung subjektiver Rechte und rechtlich relevanter Belange ist sowohl die Beteiligung der Träger öffentlicher Belange als auch Ausübung der umfänglichen bürgerseitigen Partizipationsmöglichkeiten.

Bereits im Stadium der Planvorbereitung können die Bürger über die vorgezogene Bürgerbeteiligung („Bürgerbeteiligung 1. Stufe“) Einfluss zu nehmen; im Rahmen der Planauslegung („Bürgerbeteiligung 2. Stufe“) ist dies ein zweites Mal möglich.

Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass eine verwaltungsseitig initiierte bindende Bürgerbefragung im konkreten Fall gerade aufgrund der gewollten faktischen Bindungswirkung sowie der Inkongruenz mit den Bestimmungen des Bauplanungsrechtes als rechtlich bedenklich zu qualifizieren ist.

Die umfassende und direkte Einbindung der Bürgerinnen und Bürger erfolgt rechtzeitig und legitim im Rahmen der gesetzlich vorgesehenen, weit gefächerten Bürgerbeteiligung.

 

Den politischen Parteien steht es selbstverständlich frei,  etwaige Umfragen zu organisieren bzw. durchzuführen. Vor dem Hintergrund der Sicherstellung des ordnungsgemäßen Ablaufes der Wahl weise ich darauf hin, dass am Wahltag in und an dem Gebäude, in dem sich der Wahlraum befindet, sowie unmittelbar vor dem Zugang zu dem Gebäude jede Beeinflussung der Wähler durch Wort, Ton, Schrift oder Bild sowie jede Unterschriftensammlung unzulässig sind.

 

 


 

Mitglied Gertsen stellt den Antrag, gemäß Vorlage der Verwaltung zu beschließen.