Sitzung: 28.07.2017 Rat
Beschluss: mehrheitlich abgelehnt
Abstimmung: Ja: 13, Nein: 18, Enthaltungen: 0
Vorlage: 01 - 16 1176/2017
Beschlussvorschlag
I.
Der Rat der Stadt Emmerich am Rhein hebt
seinen am 11.07.2017 mehrheitlich unter Tagesordnungspunkt 6 (Vorlage Nr. 01-06
1151/2017/1) gefassten Beschluss
1.
Der Rat der Stadt Emmerich am Rhein stellt fest,
dass ein umfassendes Auswahlverfahren unter Federführung der Verwaltung und der
durch den Rat der Stadt Emmerich am Rhein berufenen Auswahlkommission zur Wahl
eines zweiten Beigeordneten, welches dediziert die fachliche und persönliche
Eignung der Kandidaten prüfte, durchgeführt wurde. Der Rat der Stadt Emmerich
am Rhein stellt darüber hinaus fest, dass daran anschließend, nach einer
Vorauswahl der Kommission und nach Absprache mit den Fraktionen, zwei Bewerbern
die Möglichkeit zur weiteren Vorstellung vor den Fraktionen gegeben wurde. Der
Rat der Stadt Emmerich am Rhein nimmt abschließend die nach Auswahl und
Vorstellungsverfahren mehrheitlich getroffene Empfehlung der durch den Rat der
Stadt Emmerich am Rhein berufenen Auswahlkommission zur Wahl eines zweiten
Beigeordneten für Herrn Stephan Wedding zur Kenntnis.
2.
Herr Stephan Wedding wird zum Beigeordneten der
Stadt Emmerich am Rhein gewählt und für die Dauer von acht Jahren zum Zeitpunkt
des Amtsantritts an in das Beamtenverhältnis auf Zeit berufen.
3.
Herr Stephan Wedding wird gem. § 2 Abs. 2 Eingruppierungsverordnung
NW (EingruppierungVO) vom Zeitpunkt des Amtsantritts an in die Besoldungsgruppe
A 15 eingruppiert. Hinzu kommt gem. § 6 Abs. 1 EingruppierungsVO eine
monatliche Aufwandsentschädigung in Höhe von 33 1/3 v.H. des nach § 5 Abs. 1
EingruppierungsVO maßgeblichen Satzes.
auf.
II.
Der Rat stellt fest, dass das
Besetzungsverfahren um die Stelle einer/eines weiteren Beigeordneten mit dem
Beschluss zu I. beendet ist.
Vorsitzender Hinze:
„In der Sitzung des Rates am 11.07.2017 hat der Rat mehrheitlich Herrn
Stephan Wedding zum weiteren Beigeordneten
unserer Stadt gewählt.
Ich habe bereits in dieser Sitzung angekündigt, den Beschluss zu
beanstanden.
Die Gemeindeordnung begründet in § 54 Abs. 2 meine Pflicht, Beschlüsse
des Rates, die das geltende Recht verletzen, zu beanstanden.
Ich möchte hier erwähnen, dass das gängige Praxis ist, mit jedem
Ratsbeschluss, den ich beanstanden muss. Und wenn wir einen Rechtsverstoß sehen, dass
Ratsbeschlüsse nicht rechtmäßig sind, dann muss ich die gemäß diesem
Paragraphen auch beanstanden. Wir haben
in der letzten Sitzung davon gehört, dass die BGE dazu Stellung nehmen möchte,
die ja schon in der Presse war, bevor die Sitzung überhaupt stattgefunden hat. Da möchte ich noch einmal ganz besonders
darauf hinweisen, dass die CDU auch einmal den Hinweis gegeben hat, man könnte
doch das einfach dem Landrat überlassen zu entscheiden, das ist nicht mein
Ermessensspielraum.
Meine Entscheidung habe ich ausführlich begründet und Ihnen mit der
Einladung zu den heute stattfindenden nichtöffentlichen Sitzungen des Haupt-
und Finanzausschusses und des Rates
zugeleitet.
Es ist meine Pflicht, den Beschluss des Rates vom 11.07.2017, Herrn
Stephan Wedding zum Beigeordneten zu wählen, zu beanstanden, da dieser
Beschluss materiell rechtswidrig ist :
Der gewählte Bewerber besitzt nicht die zur Bekleidung dieses Amtes
erforderliche Amtsbefähigung.
Den rechtlichen Rahmen bilden hier § 71 Abs. 3 Satz 1 der
Gemeindeordnung NRW in Verbindung mit der Stellenausschreibung.
Die Gemeindeordnung bestimmt, dass die Beigeordneten
„die für ihr Amt erforderlichen fachlichen Voraussetzungen erfüllen und
eine ausreichende Erfahrung für dieses Amt nachweisen“ müssen.
Von diesen gesetzlich festgesetzten Mindestanforderungen ist der Rat mit
Beschlussfassung über die Stellenausschreibung ganz bewusst und sachlich
begründet „nach oben“ abgewichen und hat die Messlatte somit weitaus höher
gelegt.
Und zwar in dem Bewusstsein, dass die zu besetzende Stelle in ihrem
besonderen Zuschnitt (hier: Leitung Dezernat III in Personalunion mit der
Leitung des FB 7) auch eine ganz besondere Qualifikation des Bewerbers
verlange.
Vor diesem Hintergrund wurden die Anforderungen an die Bewerber für
dieses wichtige Amt durch Beschlussfassung des Rates vom 21.03.2017 wie folgt
konkretisiert:
„Über die Anforderungen des § 71 Abs. 3 GO
NW hinaus erfüllen Sie aufgrund der Wahrnehmung der Leitungsfunktionen im
Fachbereich 7 – Arbeit und Soziales- folgende Voraussetzungen:
Sie verfügen über ein mit einem Mastergrad abgeschlossenes, geeignetes
Hochschulstudium oder einen gleichwertigen Abschluss an einer Universität,
einer technischen Hochschule oder einer anderen gleichstehenden Hochschule bzw.
Ferner heißt es in der
Stellenausschreibung:
Sie verfügen über Führungserfahrung durch eine mindestens 3-jährige
Tätigkeit, vorzugsweise im Bereich des öffentlichen Dienstes, idealerweise im
Bereich Arbeit und Soziales.
Sie verfügen über nachgewiesene Kenntnisse
in den einschlägigen Rechtsbereichen des Fachbereichs Arbeit und Soziales (SGB
II und SGB XII, Asylgesetzgebung, Unterhaltsrecht, Wohngeldrecht etc.).
Ein beschlossenes Anforderungsprofil, so wie
der Rat es verabschiedet hat, ist verbindlich und darf während eines laufenden
Auswahlverfahrens nicht mehr abgeändert werden.
Es ist meine Aufgabe als Bürgermeister, die
Einhaltung dieser Maßstäbe sicherzustellen.
Im Fall des Bewerbers Herrn Stephan Wedding,
wurden diese Maßstäbe nicht beachtet.
Der Bewerber Herr Stephan Wedding erfüllt
weder die „erforderlichen fachlichen Voraussetzungen“, noch kann er „eine
ausreichende (Führungs-)Erfahrung“ vorweisen.
Ich verweise in diesem Zusammenhang auf meine
ausführliche Begründung, die ich Ihnen am 20. Juli zugeleitet habe und die in
den vorangegangenen nichtöffentlichen Sitzungen des HFA und des Rates
Gegenstand der Beratungen war.
Meine Prüfung legt Punkt für Punkt dar, warum
der Bewerber Herr Stephan Wedding die erforderliche Amtsbefähigung nicht
besitzt.
Da personenbezogene Daten im Fokus dieser
Prüfung stehen, verbietet sich – zum Schutz des Bewerbers- eine Behandlung und
Diskussion in öffentlicher Sitzung.
Gleichwohl habe ich Sie als
Entscheidungsträger über alle Fakten ausführlich informiert.
In Konsequenz ist der Beschluss des Rates
vom 11.07.2017 aufzuheben, da er gegen geltendes Recht verstößt.“
Mitglied Sigmund:
„Sehr geehrter Herr Bürgermeister, sehr geehrte Kolleginnen und
Kollegen!
Die BGE hält am Ratsbeschluss vom 11. Juli 2017 fest, um so eine Prüfung
durch die Kommunalaufsicht zu ermöglichen.
Begründung:
Die Gründe, die in der Vorlage zur Beanstandung des Ratsbeschlusses
durch den Bürgermeister angeführt werden, können uns insgesamt nicht
überzeugen. Vielmehr ergeben sich nach sorgfältiger Akteneinsicht vom 24. Juli
2017 Bedenken und Zweifel an der unabhängigen und neutralen Haltung des
Bürgermeisters in der Sache. Eine Beanstandungspflicht des Bürgermeisters nach
§ 54 Abs. 2 Gemeindeordnung NRW können wir nicht erkennen. Das mag der
Bürgermeister natürlich anders sehen.
Die Prüfung der demokratisch vollzogenen Beigeordnetenwahl seitens der
Kommunalaufsicht hätte der Bürgermeister auch ohne seine Beanstandung
unverzüglich einleiten müssen. Ein solches Vorgehen wäre aus Sicht der BGE
neutraler und insgesamt sicher auch klüger gewesen. Bei Rechtswidrigkeit der
Beigeordnetenwahl hätte die Kommunalaufsicht sowieso den Bürgermeister zur
Beanstandung angewiesen.
Der Bürgermeister, der nachweislich wie die SPD von Anfang an nur einen
Dezernenten wollte und einen Beigeordneten abgelehnt hat, hat sich aber bewusst
gegen ein derart sinnvolles Vorgehen entschieden und damit, meinen wir, politisch viel Porzellan zerschlagen. Eine
Demontage des Rates muss er sich nach unserer Bewertung persönlich anrechnen lassen.
Wie sich nach einer Ernennung ein vertrauensvolles Zusammenarbeitsverhältnis
zwischen dem Bürgermeister und seinem
zweiten Beigeordneten in Zukunft gestalten wird, möchten wir dabei noch
außer Betracht lassen.
Im Ergebnis sollte deshalb jetzt eine unabhängige und neutrale Prüfung
der Rechtmäßigkeit der Beigeordnetenwahl durch den Kreis Kleve erfolgen, was
nur bei der Bestätigung des Ratsbeschlusses vom 11. Juli 2017 möglich ist.“
Mitglied Reintjes:
„Wir haben ja in der nichtöffentlichen Sitzung schon ausführlich
diskutiert. Ich kann jetzt auch gar nicht mehr viel dazu beitragen. Ich stimme
dem Wortbeitrag von Herrn Sigmund, insbesondere in
seiner Bewertung des Verfahrens, zu. Die Beanstandung ist nach
Auffassung der CDU-Fraktion auch politisch motiviert. Wir haben diese trotzdem
sehr ernst genommen und uns auch noch einmal rechtlichen Beistand geholt, der
aber nach einer sehr ausführlichen Prüfung zu
einem anderen Ergebnis gekommen ist, als der Bürgermeister. Von daher
werden wir heute dem Veraltungsvorschlag
auch nicht folgen und damit den Vorgang dann zum Kreis Kleve zur
Kommunalaufsicht zur Prüfung geben.“
Mitglied Schaffeld:
„Wir hatten ja schon Gelegenheit die Stellungnahme der BGE zu lesen, da
diese schon in der Zeitung steht. Ich möchte nur auf eines noch hinweisen, den
Hinweis “ein demokratischer Beschluss“. Es hat vorher auch einen demokratischen
Beschluss gegeben, nämlich die Festlegung mit einer absoluten Mehrheit an
diesem Tisch auf die Kriterien, die wir erfüllt sehen wollen für einen Beigeordneten
der Stadt Emmerich. Und den hat die Mehrheit völlig ignoriert und eigentlich
auch in der Haltung „was kümmert es die
deutsche Eiche …“ oder man kann auch sagen, „das Fell ist ziemlich dick“. Es
werden alle Bedenken ignoriert. Der Bürgermeister hat jetzt zweimal gesagt,
dass es seine Aufgabe und seine Pflicht ist, zu beanstanden und das es keinen
Ermessensspielraum gibt, sondern man kann ja erst einmal mit dem Landrat
sprechen. Das ist alles nicht der Fall. Aber diese Tatsachen, wie auch die anderen,
die in der nichtöffentlichen Sitzung vorgetragen wurden, sollen an diesem Tisch
ignoriert werden. Mehr ist dem hier nicht mehr hinzuzufügen.“
Mitglied Meschkapowitz:
„Die Embrica-Fraktion schließt sich der Auffassung der SPD an und ohne
in die Tiefe zu gehen, es waren schon sehr gewichtige Argumente, die dazu
geführt haben, dass es zu einer Beanstandung kam. Wenn man von einer
öffentlichen Demontage des Rates spricht, muss man überlegen, von wem sie
ausgegangen ist. Ich denke, jeder hier am Ratstisch trägt Verantwortung für
diese Entwicklung und ich wird es einmal so verdichten, wir müssen uns an
dieser Stelle, und da beginnt der Begriff „Demontage“, schon eine gewisse
Unfähigkeit bescheinigen, dass wir es nicht geschafft haben, einen
einheitlichen Beschluss entwickeln zu können und dass wir da möglicherweise
eine Alternative außer Acht gelassen haben.“
Mitglied Gerd Bartels:
„Das gesamte Verfahren bis zu der Stelle, wo am Ende es zum Schwur
kommen sollte, war eigentlich recht einvernehmlich. Es ist dann zu einem
gewissen Zeitpunkt gekippt. Die Begründung dafür vermag ich hier nicht zu
geben, das überlasse ich eigentlich jedem selber, der in der Kommission, die an
diesem Ratstisch saß, das für sich herauszufiltern. Eines steht fest, wir
tun unserer Stadt mit Außenwirkung, die
diese Situation hervorruft, mit Sicherheit keinen Gefallen und wir werden uns
möglicherweise ankreiden müssen, dass wir in Emmerich wieder die Deppen der
Nation sind. Das hat der Kollege Sigmund auch vernünftig herausgearbeitet und
sachlich begründet. Wir können eh nichts anderes tun, als im Augenblick dem
Landrat, als zuständige Aufsichtsbehörde, zu überlassen, hier eine Wertung
vorzunehmen, der wir allerdings relativ gelassen entgegensehen.“
Mitglied Jörn Bartels:
„Vielen Dank, eine kurze Sache, die ich dazu noch sagen möchte. Meiner
Meinung nach ist die Personalfindungskommission exakt dafür da, die geeigneten
Bewerber herauszufiltern und dort hätten diese Dinge, die Sie ansprechen schon
entsprechend auffallen müssen. Man hätte uns gar nicht diese Bewerber als
geeignet weitergeben dürfen. Das
bedeutet, wenn dort Fehler gemacht wurden, wurden sie an dieser Stelle
gemacht.“
Mitglied Schaffeld stellt den Antrag, gemäß Vorlage zu beschließen.
Der Vorsitzende lässt hierüber abstimmen.
Vorsitzender Hinze:
„Wir werden jetzt den Landrat von der Beanstandung in Kenntnis setzen
und er wird im Laufe der nächsten Woche von uns die entsprechende Post
erhalten.“