Betreff
Antrag auf Versetzung des Ortseingangsschildes Vrasselt, an der L 7;
hier: Eingabe Nr. 1/2020 an den Rat der Stadt Emmerich am Rhein
Vorlage
05 - 16 2227/2020/2
Art
Verwaltungsvorlage
Referenzvorlage
Untergeordnete Vorlage(n)

Beschlussvorschlag:

 

Der Ausschuss für Stadtentwicklung hebt seinen am 06.10.2020 unter TOP 4 gefassten Beschluss zur Versetzung des Ortseingangsschilds Vrasselt von seinem derzeitigen Standort zu einem „Standort Höhe Jahnstraße“ auf.

 

Sachdarstellung :

 

Aufgrund von angemeldetem Beratungsbedarf in der Sitzung des Ausschusses für Stadtentwicklung am 01.12.2020 wird die Vorlage inhaltsgleich erneut dem Ausschuss für Stadtentwicklung vorgelegt.

 

I.

Der Ausschuss für Stadtentwicklung hat in seiner Sitzung am 06.10.2020 unter TOP 4 / Vorlage 05 – 16 2227/2020/1 über die mögliche Anordnung eines Ge- bzw. Verbotszeichens, Zeichen 274, Nr. 49 der Anl. 2 zu § 41 Abs. 1 StVO „Zulässige Höchstgeschwindigkeit 50 km/h“ auf Höhe der L 7 / Jahnstraße diskutiert. Da sowohl aus Sicht der Kreispolizeibehörde Kleve als auch seitens der Straßenbaubehörde abschlägige Stellungnahmen erfolgten und der Beschlussvorschlag der Verwaltung zu keinem anderen Ergebnis kam, verwarf der Ausschuss das Ansinnen.

Jedoch beschloss der ASE, aufgrund eines aus der Mitte des Ausschusses gestellten Antrages, nach Diskussion und entgegen den rechtlichen Darlegungen der Verwaltung: „das Ortseingangsschild Vrasselt auf der L 7, aus Richtung Emmerich kommend, an den Beginn der Bebauung Ortsteil Vrasselt zu versetzen (ca. Höhe Jahnstraße).“

Dieser Beschluss des ASE verstößt gegen geltendes Straßenverkehrsrecht und ist mithin gem. § 54 Abs. 3, Abs. 2 S. 1 GO NW zu beanstanden. Die Beanstandung ist dem Ausschuss schriftlich in Form einer begründeten Darstellung, hier vorliegend, mitzuteilen (54 Abs. 3, Abs. 2 S. 2 GO NW). Verbliebe der Ausschuss für Stadtentwicklung bei seinem Beschluss, so hätte der Rat über die Angelegenheit zu beschließen (§ 54 Abs. 3 S. 2 GO NW).

 

II.

Funktional staatliche Aufgaben wie straßenverkehrsrechtliche Anordnungen nach § 45 StVO sind den kommunalen Straßenverkehrsbehörden als „Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung“ übertragen. Auch diese Aufgaben gelten als kommunale Aufgaben, die der Allzuständigkeit des Rates (§ 41 GO NW) unterliegen. Sein Gremium, der ASE, ist daher grundsätzlich zur Beschlussfassung befugt.

Entsprechende Beschlüsse dürfen selbstredend nicht gegen materiell rechtliche straßenverkehrsrechtliche Vorschriften verstoßen.

Die gesetzliche Grundlage für die Entscheidung der Verkehrsbehörde über die Aufstellung und den Standort von Ortstafeln bilden die Bestimmungen der § 45 Abs. 1 S. 1 StVO und des § 42 Abs. 2 StVO i.V.m. der Regelung in Nr. 5 der Anlage 3 zu dieser Vorschrift. Sind die Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt, so stehen die Anordnung und das Anbringen des Verkehrszeichens im Ermessen der Verkehrsbehörde. Vor der Entscheidung sind die Straßenbaubehörde und die Polizei zu hören (Zu § 45 Ziff. 1 VwV-StVO)

 

III.

Die sachliche Zuständigkeit der Stadt Emmerich am Rhein als Verkehrsbehörde ergibt sich aus § 10 Abs. 1 der Verordnung über Zuständigkeiten im Bereich Straßenverkehr und Güterbeförderung.

 

IV.

Wann entsprechend Zeichen 310, Nr. 5 der Anl. 3 zu § 42 Abs. 2 StVO eine „geschlossene Ortschaft“ im Rechtssinn beginnt, ist durch Auslegung dieses in Nr. 5 der Anl. 3 zu § 42 Abs. 2 StVO verwendeten Begriffs zu ermitteln. Entscheidend ist insoweit das Gegebensein eines „Bebauungszusammenhangs“ (V.) und dass dieser für den ortseinwärts Fahrenden erkennbar ist.

Hierzu und zu den weiteren Ausführungen vgl.: Ziff. 1 zu den Zeichen 310 und 311 Ortstafel VwV-StVO; insbes. aber VG Braunschweig, Urt. v. 27.09.2011, 6 A 10/09, in: Verkehrsrechtliche Mitteilungen, April 2012, Ziff. 26, S. 1 ff.

Beim Vorliegen desselben würde die Annahme einer geschlossenen Ortschaft zudem verlangen, dass die zusammenhängende Bebauung in einem „funktionalen Zusammenhang“ mit der Straße steht, an der die Ortstafel aufgestellt werden soll.

 

V.

Eine Ortstafel gem. § 42 Abs. 2 STVO i.V.m. der Regelung in Nr. 5 der Anlage 3 soll nach ihrem Sinn und Zweck

„den Verkehrsteilnehmern signalisieren, dass nach dem Passieren des Verkehrszeichens mit einer veränderten Verkehrslage zu rechnen ist, in der es zu Gefahren kommen kann, wie sie für innerörtliche Straßen typisch sind. ….. Solche komplexen Verkehrssituationen können infolge einer ortstypischen Bebauung beispielsweise dadurch entstehen, dass es zu häufigen Fußgängerquerungen kommen kann. Komplexere, für innerörtliche Straßen typische Verkehrssituationen können außerdem z.B. durch einmündende Straße, durch Parksuchverkehr und dadurch hervorgerufen werden, dass Fahrzeuge vom Fahrbahnrand anfahren.“ …. [Die Ortstafeln] sollen in einfacher, klarer und praktikabler Weise die innerörtlichen Straßenabschnitte, für die mit der Aufstellung der Ortstafel regelmäßig eine Geschwindigkeitsbeschränkung gilt, von den freien Strecken der Straße abgrenzen. ….. Aus der gebotenen funktionalen Betrachtung ergibt sich, dass von einer geschlossenen Ortschaft nur ausgegangen werden kann, wenn eine Bebauungssituation vorliegt, aus der sich ortstypische, für die Sicherheit oder Ordnung des Straßenverkehrs relevante Verkehrslagen ergeben können. Die wird jedenfalls grundsätzlich voraussetzen, dass eine geschlossene Bebauung vorliegt.“

Das VG Braunschweig führt dann weiter aus:

„Die Annahme einer geschlossenen, also in sich zusammenhängenden Bebauung steht nicht zwingend entgegen, wenn die Bebauung durch einzelne unbebaute Grundstücke unterbrochen wird. Ob ein Gebiet zusammenhängend bebaut ist, lässt sich nur anhand einer weiträumigen Betrachtung der gesamten durch die Bebauung geprägten Situation in der Umgebung der Straße, nicht aber aufgrund einer isolierten Würdigung einzelner Umstände …. entscheiden.“

Die anzustellende „weiträumige Betrachtung“ (vgl. Anlage 1) hat vorliegend den Bereich entlang der L 7 zu berücksichtigen, der zwischen dem „Schnittpunkt Jahnstraße / L 7“ und, aus Emmerich kommend, dem Standort der heutigen Ortstafel Vrasselt liegt (Vgl. Anl. 1). Dieser Bereich ist mehr als 700m lang und geprägt durch links und rechts der Straße liegende, in weitaus überwiegenden Teilen, unbebaute, landwirtschaftlich genutzte Flächen. Insoweit kann von einer „geschlossenen Bebauung“, die an dem „Schnittpunkt Jahnstraße / L 7“ beginnt und sich über den heutigen Standort der Ortstafel Vrasselt bis hinein in die heutige Ortslage erstreckt, nicht gesprochen werden. Die ca. 175m vor der Ortstafel mit unmittelbarer Zuwegung zur L 7 liegende Ziegelei Mayer bzw. das dieser gegenüberliegende Wohnhaus vermag daran nichts zu ändern.

Ganz im Gegenteil: Bei Umsetzung des Beschlusses wäre eine Beschilderung gegeben, die einerseits bei Kraftfahrern aufgrund der Örtlichkeiten („freie Strecke“) weitgehend als sinnlos angesehen werde würde, die andererseits bei den schwächeren Verkehrsteilnehmern aber eine Scheinsicherheit erzeugt und damit eine zusätzliche Gefahrenquelle schaffen würde.

Aufgrund des fehlenden „Bebauungszusammenhangs“ ist von einer „geschlossenen Ortschaft“ am Standort „Schnittpunkt Jahnstraße / L 7“ nicht auszugehen; die dennoch erfolgende Anordnung und das Anbringen der Ortstafel würde gegen § 45 Abs. 1 S. 1 StVO und des § 42 Abs. 2 StVO i.V.m. der Regelung in Nr. 5 der Anlage 3 verstoßen.

 

VI.

Die Stellungnahme der Kreispolizeibehörde Kleve vom 28.10.2020 kommt im Ergebnis zu der Wertung, dass die Versetzung der Ortstafel nach den Vorschriften der StVO nicht möglich sei (vgl. Anl. 2). Auch der Landesbetrieb Straßen.NRW als Straßenbaulastträger (vgl. Anlage 3) kommt gemäß Stellungnahme vom 16.11.2020 zur Erkenntnis, dass der Bereich nicht als geschlossene Ortslage gekennzeichnet werden kann, da die Voraussetzungen nicht erfüllt sind. Die zulässige Höchstgeschwindigkeit ist bereits auf 70 km/h reduziert worden.

 

 

VII.

Der Landesbetrieb Straßen.NRW schlägt zur Verbesserung der Situation vor, die gradlinige Durchfahrt durch die vorhandene Umlaufschranke so zu verändern, dass eine Umfahrung unterbunden wird.

 

Seitens der Stadt werden zwei neue, nicht herausnehmbare Umlaufschranken angebracht. Diese sind breiter und sollen so über die ganze Wegbreite gehen, dass ein Vorbeifahren an der Seite nicht mehr möglich ist. Zudem sollen die Schranken etwas weiter von der Reeser Straße weg aufgestellt werden, damit die Fußgänger und Radfahrer dort mehr Platz haben bzw. eine bessere Aufstellfläche. Die Aufstellung soll Ende des Jahres/Anfang des kommenden Jahres erfolgen.

 

Finanz- und haushaltswirtschaftliche Auswirkungen:

 

Die Maßnahme hat keine finanz- und haushaltswirtschaftlichen Auswirkungen.

 

 

Leitbild:

 

Die Maßnahme steht im Einklang mit den Zielen des Leitbildes Kapitel 3.3.

 

 

 

In Vertretung

 

 

 

Dr. Wachs

Erster Beigeordneter