Betreff
Freiflächen-Photovoltaikanlagen und Windkraftanlagen;
hier: Eingabe Nr. 22/2022 an den Rat der Stadt Emmerich am Rhein
Vorlage
16 - 17 0750/2022
Art
Verwaltungsvorlage

Kenntnisnahme (kein Beschluss)

 

Der Ausschuss für Umwelt und Klima nimmt die Ausführungen der Verwaltung zur Kenntnis.

 

Sachdarstellung :

 

Hintergrund

 

Am 25.1.2022 wurde im AUK, am 2.2.2022 im ASE über den Umgang mit Windkraftkonzentrationszonen sowie der Unterstützung des Ausbaus von Freiflächen-PV-Anlagen (FFPV-Amöagen) beraten. Folgende Beschlüsse wurden einstimmig gefasst (siehe u.a. (Vorlage 05 - 17 0536/2022 sowie Anlagen: https://ris.emmerich.de/bi/vo0050.asp?__kvonr=11435)

 

1.       Der Ausschuss für Stadtentwicklung befürwortet grundsätzlich, planerische Vorhaben hinsichtlich Freiflächen-Photovoltaikanlagen zu unterstützen.

2.       Um Nutzungskonflikte mit potenziellen Windkraftausbauflächen zu vermeiden, soll hierzu ein Abgleich der beiden Nutzungsarten stattfinden.

 

Seitdem war die Verwaltung in vielerlei Hinsicht tätig. Beide Nutzungsarten haben höchste Priorität. Zugleich haben sich in den vergangenen Monaten die rechtlichen Rahmenbedingungen für FFPV-Anlagen sowie den Windkraft-Ausbau massiv geändert. Eine erste Übersicht wurde hierzu bereits im AUK am 18.10.2022 anhand einer Präsentation vorgetragen (siehe: https://ris.emmerich.de/bi/si0057.asp?__ksinr=4837). Zur Beschlussfassung werden die relevanten Inhalte an dieser Stelle erneut zusammengetragen.

 

Windkraft – Status Quo:

Die aktuelle Fassung des Flächennutzungsplans (FNP) vom 11.7.2017 beinhaltet für Windenergieanlagen (WEA) ausschließlich eine ausgewiesene Konzentrationszone. Diese Zone wurde im Jahr 2003 in den Flächennutzungsplan aufgenommen und hatte den Effekt, dass seitdem nur noch eine WEA innerhalb der Konzentrationszone genehmigt wurde. Die Konzentrationszone ist mit 3 Anlagen vollständig belegt. Insgesamt befinden sich derzeit im Raum Emmerich 11 WEA.

Seitdem gab es einige Versuche seitens Verwaltung, die Konzentrationszonen neu zu definieren. Warum die Versuche bislang erfolglos waren, wird in der Darstellung der Historie genauer erläutert.

 

Im kommunalen Vergleich hinkt die Stadt Emmerich am Rhein eindeutig den Kommunen des Kreises Kleve hinterher:

 

Kommune

Anzahl WEA

Kommentar

Kranenburg

2

Davon 1 Kleinanlage (ca. 100 kW)

Kleve

5

Davon 2 Kleinanlagen

Geldern

6

 

Bedburg-Hau

8

 

Wachtendonk

10

 

Emmerich am Rhein

11

Erzeugungskapazität: 15 MW (~ 9.000 Haushalte)

Goch

12

 

Rheurdt

12

 

Kerken

13

 

Kalkar

15

 

Kevelaer

16

 

Weeze

16

 

Issum

17

 

Straelen

18

 

Rees

19

 

Uedem

25

 

 

Sicherlich sind an dieser Stelle die Größe bzw. Form des Gemeindegebietes und die darin vorherrschenden sowie die Verteilung der Nutzungsarten ein entscheidender Faktor, in welchem Maßstab WEA-Projekte umgesetzt werden können. So ist die z.B. lang gezogene Form des Emmericher Stadtgebietes ein Problem, wenn erforderliche Abstandsflächen einzuhalten sind.

 

NRW verfehlt den Bedarf des klimagerechten jährlichen Zubaus von 210 Anlagen, die eine Leistung von je 4,5MW erbringen müssten (siehe Abbildung). Die damit einhergehende Zubauleistung von (210 x 4,5=) 945 MW wurde selbst im Jahr 2017 mit dem Zubau durch 312 WEA nicht erreicht. Die bestehenden Aktivitäten aller Kommunen in NRW reichen folglich nicht aus.

 

 

 

 

 

Windkraft - Planerische Vorgehensweise:

 

Bislang gab es für die Errichtung von WEA zwei verschiedene Herangehensweisen:

 

1. Antragstellung durch Vorhabenträger

-       Einzelgutachten

-       Kostentragung

-       Standortauswahl

-       Genehmigung gem. BImSchG (Kreis Kleve)

 

2. Konzept zur Steuerung durch Stadt

-       Gutachten für gesamtes Stadtgebiet

-       Ausweisung von Flächen (Konzentrationszonen) im FNP (bereits voll)

-       Ausschlusswirkung für alle weiteren Standorte im Stadtgebiet

-       Im Übrigen hätte die Bezirksregierung die Möglichkeit gehabt, Windenergievorbehaltsbereiche anstelle der Kommune zu definieren. Hiervon hat sie allerdings bislang keinen Gebrauch gemacht.

 

Alle Vorhaben müssen innerhalb des Genehmigungsverfahrens den rechtlichen Vorgaben des Bundes (z.B. BauGB) und des Landes NRW (z.B. Windenergieerlass) und den daraus abgeleiteten Anforderungen des FNPs, Regionalplans und Landesentwicklungsplans entsprechen.

 

 

https://o.quizlet.com/GFaiovVlJMcKmZf1V.Xd9g.png

Quelle: https://quizlet.com/de/481466257/grundlagen-der-raumordnung-und-landesplanung-i-vl-1-flash-cards/

 

 

 

Windkraft – Historie zu rechtlichen Rahmenbedingungen und damit verbundene Tätigkeiten in Emmerich

 

Die stichpunktartige Auflistung soll in diesem Zusammenhang einen Überblick geben:

  • 2003: Konzentrationszonenausweisung im FNP
  • 2013 und 2016: Beauftragung von Potenzialstudien
    • Ziel: Konzentrationszonen an geänderte Rechtssituationen anpassen
  • 2016: Aufstellung sachlicher Teilflächenutzungsplan, inkl. Öffentlicher Auslegung (siehe Abbildung)

 

 

 

 

 

 

  • 2017: Neuausrichtung der Energiepolitik wurde verkündet
  • 2018: Windenergieerlass NRW tritt in Kraft
    • Vorsorgeabstand: 1.500m
    • Ebenfalls 2019 in LEP als Grundsatz aufgenommen
    • Befürchtung, dass Konzentrationszonen wegfallen würden
  • 2019-2021: Projekt aus Personalmangel und wenig Aussicht auf Erfolg pausiert
  • Juli 2021: BauGB-AG NRW: 1.000 m Mindestabstand
  • Dezember 2021: Verwaltung nimmt Thematik in Zusammenhang mit Freiflächen-PV (FFPV) wieder auf
    • Für die Verfolgung des Beschlusspunktes 2 (Abgleich der Nutzungsarten FFPV und WEA), wird aufgrund der Komplexität der Thematik und dem hohen Klagerisiko die Ausarbeitung der Konzentrationszonen mit einem Ingenieurbüro angestrebt. Hierfür müssen Mittel im Haushalt bereitgestellt werden, was erst für 2023 erfolgen konnte.
  • Frühjahr/Osterpaket 2022
    • EEG: „Überragendes öffentliches Interesse“ kann bei Abwägungsentscheidungen (z.B. Vorsorgeabstand) entscheidend werden
    • Bund kündigt massive Neuerungen und Erleichterungen an
    • Eckpunkte „Beschleunigung des naturverträglichen Ausbaus der Windenergie an Land“
  • Juni 2022: Gesetzesentwurf zur Erhöhung und Beschleunigung des Ausbaus von Windenergie an Land (Wind-an-Land-Gesetz) wird beschlossen
    • Inhalt: 2% Flächenziel (bekannt aus Koalitionsvertrag)
    • Folge: Änderung/Einführung folgender Gesetze: WindBG, BauGB, ROG, EEG, BNatSchG, BImSchG, …
  • Juli 2022: WindBG (Windenergieflächenbedarfsgesetz)
    • Konzentrationszonen – wie bislang – wird es zukünftig nicht mehr geben
    • Flächenziele für NRW konkretisiert:
      • Bis 31.12.2026: 1,1% auszuweisen
      • Bis 31.12.2032: 1,8% auszuweisen
      • Aber: wie genau die Ausweisung stattfindet, ist noch nicht klar
    • Vereinfachungen (Für wen? Inwiefern?) noch nicht erkennbar
  • 30.8.2022: Eckpunkte zur Änderung des Landesentwicklungsplans
    • Landesregierung ermittelt nun im Rahmen des LEP die Flächenanteile, welche die verschiedenen Regionen zu erfüllen haben
    • Auf dieser Grundlage erfolgt die Ausweisung in Regionalplänen
  • 15.9.2022: Ministerium für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie (MWIKE)
    • Kommunen sollen Rückmeldung zu beabsichtigter/derzeitiger Planung geben, die für LEP bedeutsam sein könnte
    • Ziel: LEP-Änderungen im 1.Halbjahr 2024 beschließen (Verpflichtung besteht ohnehin aufgrund WindBG bis zum 31.5.2024)
    • Weitere Vorgehensweise seitens MWIKE:
      • Für den Zeitraum bis zum Inkrafttreten der Änderungen des LEP wird derzeit an einem auslegenden Erlass zum geltenden LEP gearbeitet, der die sich aus diesem ergebenden Möglichkeiten genauer darstellen soll.“

Ø  Wir lesen daraus: Man arbeitet jetzt an einer neuen Regelung, bis neuer LEP in Kraft tritt. Rolle der Kommune bis dahin passiv.

Ø  Wir versuchen dennoch aus alter, komplexer Planung ein Schlupfloch zu finden, um den privaten Bau von WEA zu unterstützen

  • Oktober 2022: Kollegin besucht Seminar zur Erläuterung der aktuellen Änderung
    • Probleme:
      • Unzureichende Flächenverfügbarkeit
      • Lange Planverfahren
      • Kontinuierliche Fortentwicklung von Rechtssprechung/Gesetzgebung und damit verbundene immer höher werdende Anforderungen an die Planung
      • Unklare europarechtliche Vorgaben, teils sich widersprechende Rechtsprechung der Obergerichte
      • Natur- und Artenschutz als zentrales Hemmnis: insbesondere, da sich Datengrundlagen ständig ändern (z.B. Beurteilung des sog. Spezifischen Tötungsrisikos)
      • Akzeptanzprobleme in der Öffentlichkeit
    • Ergo: Bescheinigung, dass Ausweisung der Konzentrationszonen eine Mammutaufgabe ist
  • November 2022: Austausch mit Landesverband Erneuerbare Energien NRW e.V. (LEE)
    • Kommunen wird proaktive isolierte Positivplanung empfohlen, um weiter eine räumliche Vorsteuerung im eigenen Planungsgebiet zu generieren

 

 

Windkraft - Ausblick

 

Die Verwaltung beabsichtigt, sich noch tiefer in die bestehende Rechtssituation einzulesen, um ggf. noch ein Schlupfloch zu finden, auf dessen Basis geplant werden kann und nicht ausschließlich abgewartet werden muss. Dazu ist ebenfalls ein Austausch mit der Bezirksregierung terminiert, um über zielführende Handlungsmöglichkeiten zu sprechen.

Weiter ist für Januar 2023 der Austausch mit dem Kreis Kleve zum Thema Windenergie geplant.

In Abhängigkeit der Ergebnisse der weiteren Recherchen und der angekündigten rechtlichen Rahmenbedingungen (u.a. bevorstehende Übergangssregelung seitens MWIKE), wird weiterhin das Ziel verfolgt, planerisch tätig zu werden, um den Ausbau weiter zu beschleunigen. Die Unterstützung durch ein Ingenieurbüro ist über die Veränderungsliste zum Haushalt 2023 in das Budget des FB 5 einzuplanen.

 

 

 

FFPV – Status Quo

 

Laut LEP sind FFPV-Anlagen für benachteiligte Gebiete vorgesehen. Hierzu zählen z.B. Flächen entlang von Bundesfernstraßen, Schienenwegen oder Deponien.

 

Derzeit besteht das Problem, dass der Ausbau von FFPV-Anlagen zwar politisch gewollt, jedoch planerisch einige Hürden hat. Sie wurden auch durch die angekündigten rechtlichen Neuerungen nicht wesentlich abgebaut. Beispiele der Hürden

-       Umwidmung einer einzelnen Fläche zieht gesamtes Bauleitplanverfahren mit sich

o   Hier hatte man im Rahmen der angekündigten rechtlichen Neuerungen zum Beispiel auf eine Form der Privilegierung gehofft, sodass ein Genehmigungsverfahren ausreichend gewesen wäre

-       Planverfahren sind nicht flexibel genug auf technische Innovationen

o   Auch Agri-PV-Anlagen benötigen die Umwidmung der Ackerflächen zu z.B. Sondergebiet oder Gewerbegebiet und damit ein vollumfängliches Bauleitplanverfahren

-       Planverfahren birgt Risiko für Investor, dass Umsetzung an Gutachten scheitert

 

 

Etwaige Sorgen um den Wegfall von wertvollen Ackerflächen können durch folgende Kenndaten der Bezirksregierung ausgeräumt werden:

Demnach hat sich allein in den vergangenen ~15 Jahren der Flächenbedarf (MW/ha) von FFPV-Anlagen um den Faktor 3,5 gesenkt. Im Vergleich zu Biogasanlagen ist der Ertrag je ha 50 Mal höher. Dies verdeutlicht, dass weniger die FFPV-Anlagen die Nutzung der Ackerflächen negativ beeinflusst, sondern vielmehr der Anbau von Pflanzen für Biogasanlagen. Dieser nahm 2018 knapp 10% der deutschen Ackerflächen in Anspruch.

 

 

 

 

FFPV - Historie zu rechtlichen Rahmenbedingungen und damit verbundene Tätigkeiten in Emmerich

 

·         Ende 2021: Anfrage potenzieller Investoren

§  Ackerfläche innerhalb EEG-Vergütung und aus LEP-Sicht zunächst möglich

§  Flächenkonkurrenz zu WEA scheint nach ersten Analysen nicht zu bestehen

§  Bauleitplanverfahren würde min. 2a in Anspruch nehmen

§  Risiko des Scheiterns bei BezReg trägt Investor

·         Januar/Februar 2022: AUK/ASE – Befürwortung dieser Vorhaben

·         Januar 2022: Sachstandbericht FFPV (Bezirksregierung; Darstellung nach EEG)

 

 

 

·         Osterpaket 2022

§  Keine Privilegierung von FFPV im Außenbereich

§  Ausbau von derzeit 60GW soll bis 2030 auf 215 GW steigen

§  Optimierung der Förderkulisse (Abstände; neue Anlagenklassen (Moor-PV, Parkplatz-PV, Agri-PV, Floating-PV)

·         Sommer 2022: Informationsveranstaltung der Bez. Reg. zum aktuellen Planungsstand und geplanter Änderungen des Regionalplans

·         Sommer 2022: Gespräche zu Floating-PV (Hohes Broich, siehe Abbildung), FFPV auf Deponie im Gange (Vorteil: (zunächst) per Genehmigung umsetzbar)

·         August 2022: Länderöffnungsklausel NRW: förderfähige Flächenkulisse für PV Anlagen mit deutlich unterdurchschnittlichem Ertrag (benachteiligtes Gebiet) erweiterbar

·         Herbst 2022: weitere konkrete und leicht umsetzbare Projekte zeichnen sich ab (Parkplatz-PV, FFPV an Wasserwerk)

·         Winter 2022:

§  Analyse kommunaler Flächen, die ebenfalls per Genehmigung umsetzbar wären

§  Mittelfristiges Ziel: Bürger-FFPV

 

 

 

FFPV - Ausblick

 

Die Verwaltung ist zufrieden, im Moment viele aussichtsreiche Projekte unterstützen zu können.

Wir wollen genauso weitermachen und aufgrund der Gaskrise insbesondere Projekte forcieren, die vergleichsweise zügig umsetzbar sind.

 

 

 

Wind und FFPV - Ergebnis

 

Es zeigt sich, dass die Verwaltung nicht untätig war. Bezüglich der planerischen Rahmenbedingungen hat die Verwaltung nach dem Beschluss des AUK vom Januar 2022 die Grundlagen zur Erstellung eines Konzeptes für Freiflächen-PV und Windkraftnutzung ermittelt. Im Haushalt 2023 werden Mittel zur Vergabe der Erarbeitung einer flächendeckenden Planung über die Veränderungsliste eingeplant.. 

 

Die Anfrage der privaten Vorhabenträger zielt auf konkrete Planungen ab. Die Verwaltung hat in mehreren Korrespondenzen und einem Gespräch darauf hingewiesen, dass ein gesamtstädtisches Konzept erstellt werden soll. Dies steht aber unter den vorab ausführlich dargelegten Rahmenbedingungen und wird dementsprechend Zeit benötigen.

 

Unabhängig vom gesamtstädtischen Konzept wurde den Vorhabenträgern mitgeteilt, dass es ihnen freisteht, auf Eigeninitiative einen Standort zu entwickeln. Das Genehmigungsverfahren obliegt jedoch dem Kreis Kleve als Immissionsschutzbehörde. Sämtliche Gutachten und Planungskosten sind durch den Vorhabenträger zu übernehmen. Die genannten Standorte werden im gesamtstädtischen Konzept berücksichtigt und aufgenommen.

 

 

Finanz- und haushaltswirtschaftliche Auswirkungen :

 

Die Maßnahme wird über die Veränderungsliste zum Haushalt 2023 nachgeplant. Mehraufwendungen/Mehrauszahlungen in Höhe von 80.000 €.

 

 

Leitbild :

 

Die Maßnahme steht im Einklang mit den Zielen des Leitbildes Kapitel 3.1.

 

 

 

Peter Hinze

Bürgermeister