hier: Antrag Nr. XV/2011 der Ratsmitglieder M. Lorenz und U. Sickelmann
Beschlussvorschlag
Der Ausschuss für Stadtentwicklung beschließt zu prüfen, ob eine
städtebauliche Sanierungsmaßnahme gemäß § 136 ff. BauGB ein geeignetes
städtebauliches Instrument zur Behebung bzw. Reduzierung von Missständen im
Bereich der Steinstraße darstellt und beauftragt die Verwaltung, die hierzu
notwendigen Daten und Informationen mittels einer städtebaulichen Gesamtanalyse
für die Emmericher Innenstadt mit besonderer Betrachtung der Steinstraße zu
ermitteln.
Weiterhin beauftragt der Ausschuss für Stadtentwicklung die Verwaltung, weitere
Handlungsfelder für an die Innenstadt angrenzende Lagen bzw. den Stadtteil
Emmerich herauszuarbeiten und eine Analyse der Ortsteile mit Festlegung von
Entwicklungspotenzialen durchzuführen.
Sachdarstellung :
Für den Bereich der Steinstraße ist die förmliche Festlegung eines
Sanierungsgebietes als Satzung im Sinne des § 142 BauGB beantragt.
Dabei ist jedoch zu beachten, dass die Festsetzung solch eines
Sanierungsgebiets nicht zu Beginn einer Sanierungsmaßnahme erfolgt, sondern
gegebenenfalls Ergebnis eines umfangreichen Prüfungs-, Planungs- und
Ermittlungsprozesses im Rahmen der Durchführung von städtebaulichen
Sanierungsmaßnahmen im Sinne von §§ 136 ff. BauGB ist.
A. Städtebauliche
Sanierungsmaßnahmen gemäß § 136 ff. BauGB
I. Grundsätze
Städtebauliche Sanierungsmaßnahmen sind Maßnahmen, durch die ein Gebiet
zur Behebung städtebaulicher Missstände wesentlich verbessert oder umgestaltet
wird, wobei die einheitliche Vorbereitung und zügige Durchführung im öffentlichen
Interesse liegen müssen.
Eine Voraussetzung für die Durchführung von Sanierungsmaßnahmen ist das
Vorliegen städtebaulicher Missstände. Dabei werden zwei Arten von Missständen
unterschieden, die sich jedoch in einem Gebiet überlagern können:
-
Substanzschwächen und
-
Funktionsschwächen.
Substanzschwächen liegen gemäß § 136 Abs. 2
Satz 2 Nr. 1 BauGB vor, wenn das Gebiet nach seiner vorhandenen Bebauung oder
nach seiner sonstigen Beschaffenheit den allgemeinen Anforderungen an gesunde
Wohn- und Arbeitsverhältnisse oder an die Sicherheit der in ihm wohnenden oder
arbeitenden Menschen nicht entspricht.
Funktionsschwächen liegen gemäß § 136 Abs. 2
Satz 2 Nr. 2 BauGB vor, wenn das Gebiet in der Erfüllung seiner Aufgaben, die
ihm nach seiner Lage und Funktion obliegen, erheblich beeinträchtigt ist. Ob
ein Gebiet in der Lage ist, die ihm obliegenden Aufgaben zu erfüllen, ergibt
sich aus einem Vergleich des bestehenden Zustandes mit der für das Gebiet
maßgebenden Aufgabenzuweisung. Entscheidend ist, ob eine erhebliche Abweichung
des gegenwärtigen Zustandes vom „Soll-Zustand“ vorliegt.
Da es sich bei Sanierungsmaßnahmen um gebietsbezogene Gesamtmaßnahmen
handelt, ist ein öffentliches Interesse nur dann zu bejahen, wenn sich die
Sanierung nicht nur auf Einzelmaßnahmen, so z.B. die Beseitigung eines
verwahrlosten Gebäudes, bezieht, sondern Maßnahmen mit einem konkreten
Gebietsbezug bzw. konkreten Auswirkungen auf ein Gebiet nachhaltig zur Lösung
von städtebaulichen Problemen beitragen.
Typische Merkmale einer Sanierung im Sinne einer Gesamtmaßnahme sind
daher: Der Bezug auf ein bestimmtes Gebiet, die Behebung städtebaulicher
Missstände als ein allgemeines Ziel, die Ausrichtung auf eine einheitliche
Konzeption und Planung, die Bündelung und zielgerechte Ausrichtung einer
Vielzahl von verschiedenen Einzelmaßnahmen, eine gesteigerte Verantwortung der
Gemeinde.
Im Rahmen einer einheitlichen Vorbereitung (vgl. § 136 Abs. 1 BauGB)
gilt es zunächst zu ermitteln, inwieweit mittels der zur Verfügung stehenden
städtebaulichen Planungsinstrumente verschiedene Einzelmaßnahmen innerhalb
eines bestimmten Gebietes auf ein einheitliches Sanierungsziel ausgerichtet und
aufeinander abgestimmt werden können, um daraufhin die jeweiligen Maßnahmen und
Projekte über einen längeren Zeitraum hinweg koordiniert und abgestimmt
durchzuführen.
Da § 136 BauGB die zügige Durchführung dieser Maßnahmen fordert und
hierdurch die Gemeinde in eine gesteigerte Pflicht nimmt, muss der Ablauf der
einzelnen Verfahrensschritte im Rahmen der Sanierung einschließlich der
Vorbereitung und Durchführung der einzelnen Maßnahmen zeitlich und inhaltlich
aufeinander abgestimmt sein.
II. Bausteine
Welche Arbeitsschritte im Rahmen der Vorbereitung einer Städtebaulichen
Sanierungsmaßnahme durchzuführen sind, ist abschließend in § 140 Nr. 1 bis 7
BauGB geregelt, wobei zwingend sämtliche Vorbereitungshandlungen seitens der
Gemeinde durchgeführt werden müssen.
Die Vorbereitung umfasst
1.
die vorbereitenden Untersuchungen,
2.
die förmliche Festlegung des Sanierungsgebietes,
3.
die Bestimmung der Ziele und Zwecke der Sanierung,
4.
die städtebauliche Planung; hierzu gehört auch die
Bauleitplanung oder eine Rahmenplanung, soweit sie für die Sanierung
erforderlich ist,
5.
die Erörterung der beabsichtigten Sanierung,
6.
die Erarbeitung und Fortschreibung des Sozialplans,
7.
einzelne Ordnungs- und Baumaßnahmen, die vor einer
förmlichen Festlegung des Sanierungsgebietes durchgeführt werden.
In Bezug auf die zeitliche Abfolge ist diese Auflistung nicht zwingend;
vielmehr stehen diese Schritte in einem engen Zusammenhang und lassen sich
oftmals nicht klar voneinander abgrenzen. So lassen sich vielfach die
anzustrebenden Ziele einer Sanierung erst nach Durchführung einer
vorbereitenden Untersuchung ermitteln, wobei dann die Ziele womöglich zunächst
in einer Rahmenplanung konkretisiert werden müssen.
III. Vorbereitende
Untersuchung
Die vorbereitende Untersuchung – Einleitung durch förmlichen Beschluss
der Gemeinde – ist wesentliche Grundlage für Entscheidungen im Sanierungsverfahren,
weshalb diese eines besonderen Augenmerks bedarf und nicht nur auf das Gebiet
beschränkt werden darf, in welchem es aus städtebaulichen Gesichtspunkten
heraus offensichtliche Problemstellungen zu lösen gilt.
Im Rahmen der vorbereitenden Untersuchung wird die Gesamtheit der zu
lösenden städtebaulichen Probleme ermittelt, es werden Informationen gesammelt,
welche städtebaulichen Ziele überhaupt mit der Sanierung erreicht werden
können, welche Kosten auf die Gemeinde zukommen und mit welcher Dauer bis zum
Abschluss des Verfahrens gerechnet werden muss.
Ergebnis einer vorbereitenden Untersuchung kann auch sein, dass die
Sanierungsmaßnahme nicht das geeignete Instrument zur Behebung der
festgestellten Missstände darstellt, sondern womöglich eine anders geartete
städtebauliche Gesamtmaßnahme bzw. hoheitliches Instrument zur Behebung der
Missstände gewählt werden sollte.
Erst nach Abschluss der vorbereitenden Untersuchung können sinnvolle
Aussagen über Umfang und Dauer der weiteren vorbereitenden Arbeiten der
Sanierung – insbesondere die Erstellung eines konkreten Maßnahmenplans –
getroffen werden. Ebenso bedarf es einer umfassenden Erörterung der
beabsichtigten Sanierung mit den Betroffenen.
Zudem ist im Rahmen einer Kosten- und Finanzierungsplanung die
finanzielle Durchführbarkeit der Sanierung zu prüfen.
IV. Art des
Sanierungsverfahrens
Es gilt über die konkrete Verfahrensform – vereinfachtes oder
vollständiges Sanierungsverfahren – zu entscheiden. Bei der Wahl des
Verfahrens, vgl. § 142 Abs. 4 BauGB, besteht kein Ermessen, vielmehr gilt es
konkret zu prüfen, ob die besonderen sanierungsrechtlichen Vorschriften zur
Anwendung gelangen. Hinreichende Anhaltspunkte hat hierzu auch wieder die
vorbereitende Untersuchung zu liefern.
Nach sorgfältiger Ermittlung und Zusammenstellung der gewonnenen
Informationen kann dann überhaupt erst das Sanierungsgebiet förmlich festgelegt
werden.
Ist die förmliche Festlegung erfolgt, ist die Sanierung durchzuführen,
wobei hier mehrere Handlungsstränge zusammenlaufen. Neben der planerischen
Konkretisierung gilt es, die finanzielle Abwicklung zu koordinieren,
Ordnungsmaßnahmen im Sinne von Grunderwerb, Bodenordnung, Umzug von Bewohnern
und Betrieben, Freilegung von Grundstücken, Herstellung und Änderung von
Erschließungsanlagen etc. sowie konkrete Baumaßnahmen durchzuführen. Diese
Maßnahmen können einen erheblichen Eingriff in das Eigentumsrecht der
Betroffenen darstellen.
V. Zusammenfassung
Die hier lediglich grob dargestellten Abläufe einer Städtebaulichen
Sanierungsmaßnahme zeigen bereits die Komplexität und den langen Zeitraum der
Durchführung solch einer Maßnahme auf.
Deutlich wird jedoch auch, dass die Gemeinde bei Anwendung des zum
besonderen Städtebaurecht zählenden Instrumentes der Städtebaulichen
Sanierungsmaßnahme verpflichtet ist, die ihr nach dem BauGB und nach anderen
Vorschriften zustehenden Befugnisse auszuüben, sobald und soweit es zur
Erreichung des Sanierungszwecks erforderlich ist.
Inwieweit die Revitalisierung der Steinstraße mittels der Durchführung
eines solch langwierigen Prozesses der Städtebaulichen Sanierungsmaßnahme zu
erreichen ist, kann ohne die Durchführung einer umfassenden städtebaulichen
Analyse nicht abschließend beurteilt werden.
B. Stadtentwicklungskonzept mit
besonderer Betrachtung der Steinstraße
Folgender ganzheitlicher Projektablauf, der sowohl den Antrag aufgreift
als auch die ohnehin anstehende Erarbeitung eines aktuellen
Stadtentwicklungskonzeptes umfasst, wird vorgeschlagen:
Zur Beurteilung der städtebaulichen Situation in der Steinstraße ist die
Erhebung hinreichender Grundlagen erforderlich. Diese Erhebung in Form einer
städtebaulichen Bestandsaufnahme ist zwingende Voraussetzung für die Erstellung
eines Maßnahmenkatalogs zur Verbesserung der Situation in der Steinstraße,
unabhängig von den zu einem späteren Zeitpunkt anzuwendenden formellen oder
informellen Instrumenten.
Dazu soll das Plangebiet weiter gefasst und die für 2012 geplante
Erarbeitung eines Stadtentwicklungskonzeptes mit besonderer Betrachtung der
Steinstraße begonnen werden. Mit der Erstellung eines solchen Konzeptes hat der
Ausschuss für Stadtentwicklung (ASE) die Verwaltung in seiner Sitzung am
07.09.2010 durch einen entsprechenden Beschluss bereits beauftragt.
Hintergrund für die Neuaufstellung eines Stadtentwicklungskonzeptes ist
die Notwendigkeit, das auf dem „Masterplan zur Weiterentwicklung der Emmericher
Innenstadt“ von Junker & Kruse aus dem Jahre 2000 basierende Integrierte
Handlungskonzept 2000 – 2010 zu aktualisieren.
Zahlreiche in den o .g. städtebaulichen
Konzepten verankerte Maßnahmen, wie z.B. die Neugestaltung der Rheinpromenade,
die Entwicklung des Rheinparks, die Aufwertung des Alten Marktes, die
Aufwertung der Kaßstraße sowie angrenzende Straßen und Plätze, die Umgestaltung
des Nonnenplatzes und die Umgestaltung des Neumarktes sind bereits umgesetzt
oder stehen zur Umsetzung an.
Die aktuellen Städtebauförderungsrichtlinien setzen für alle
Förderprogrammteile grundsätzlich die Erarbeitung eines städtebaulichen
Entwicklungskonzeptes gemäß § 171 b Abs. 2 Baugesetzbuch (BauGB) voraus.
Mit der Erarbeitung des Stadtentwicklungskonzeptes soll ein Planungsbüro
auf Basis einer konkreten Aufgabenstellung beauftragt werden.
Inhaltliche Schwerpunkte des Stadtentwicklungskonzeptes sind:
-
städtebauliche Bestandsaufnahme und –analyse der
Emmericher Innenstadt mit besonderer Betrachtung der Steinstraße inkl.
Definition von Entwicklungszielen und Maßnahmen,
-
Herausarbeiten weiterer Handlungsfelder der Stadtentwicklung
für an die Innenstadt angrenzende Lagen bzw. den Stadtteil Emmerich,
-
Analyse und Entwicklungspotenzial der Ortsteile.
Als Grundlage für die Erteilung eines Planungsauftrags ist in einem
nächsten Arbeitsschritt die konkrete Aufgabenstellung für die Analyse der
Emmericher Innenstadt mit Schwerpunkt Steinstraße, die an die Innenstadt
angrenzenden Lagen und die Ortsteile zu entwickeln. Dazu sind umfangreiche
Auswertungen bestehender Konzepte und Planungen erforderlich.
Die Verwaltung legt dem Ausschuss für Stadtentwicklung die konkrete
Aufgabenstellung für das Stadtentwicklungskonzept verbunden mit einem
Projektplan vor der Sommerpause 2012 zur Beschlussfassung vor.
Finanz- und haushaltswirtschaftliche Auswirkungen :
Die Durchführung der städtebaulichen Analyse ist für das Haushaltsjahr
2012 vorgesehen.
Mittel in Höhe von 40.000,00 € werden für das Jahr 2012 angemeldet.
Produkt: 1.100.09.01.01, Sachkonto: 54290000
Leitbild :
Die Maßnahme steht
im Einklang mit den Zielen des Leitbildes Kapitel 1.1, 1.2, 2.3.
In Vertretung
Dr. Wachs
Erster
Beigeordneter