Betreff
Antrag auf förmliche Festsetzung eines Sanierungsgebietes in der Steinstraße,
hier: Antrag Nr. XV/2011 der Ratsmitglieder M. Lorenz und U. Sickelmann
Vorlage
05 - 15 0617/2011
Art
Verwaltungsvorlage

Beschlussvorschlag

 

Der Ausschuss für Stadtentwicklung beschließt zu prüfen, ob eine städtebauliche Sanierungsmaßnahme gemäß § 136 ff. BauGB ein geeignetes städtebauliches Instrument zur Behebung bzw. Reduzierung von Missständen im Bereich der Steinstraße darstellt und beauftragt die Verwaltung, die hierzu notwendigen Daten und Informationen mittels einer städtebaulichen Gesamtanalyse für die Emmericher Innenstadt mit besonderer Betrachtung der Steinstraße zu ermitteln.

 

Weiterhin beauftragt der Ausschuss für Stadtentwicklung die Verwaltung, weitere Handlungsfelder für an die Innenstadt angrenzende Lagen bzw. den Stadtteil Emmerich herauszuarbeiten und eine Analyse der Ortsteile mit Festlegung von Entwicklungspotenzialen durchzuführen.

 

Sachdarstellung :

 

Für den Bereich der Steinstraße ist die förmliche Festlegung eines Sanierungsgebietes als Satzung im Sinne des § 142 BauGB beantragt.

 

Dabei ist jedoch zu beachten, dass die Festsetzung solch eines Sanierungsgebiets nicht zu Beginn einer Sanierungsmaßnahme erfolgt, sondern gegebenenfalls Ergebnis eines umfangreichen Prüfungs-, Planungs- und Ermittlungsprozesses im Rahmen der Durchführung von städtebaulichen Sanierungsmaßnahmen im Sinne von §§ 136 ff. BauGB ist.

 

 

A.  Städtebauliche Sanierungsmaßnahmen gemäß § 136 ff. BauGB

 

I.    Grundsätze

 

Städtebauliche Sanierungsmaßnahmen sind Maßnahmen, durch die ein Gebiet zur Behebung städtebaulicher Missstände wesentlich verbessert oder umgestaltet wird, wobei die einheitliche Vorbereitung und zügige Durchführung im öffentlichen Interesse liegen müssen.

 

Eine Voraussetzung für die Durchführung von Sanierungsmaßnahmen ist das Vorliegen städtebaulicher Missstände. Dabei werden zwei Arten von Missständen unterschieden, die sich jedoch in einem Gebiet überlagern können:

-        Substanzschwächen und

-        Funktionsschwächen.

Substanzschwächen liegen gemäß § 136 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 BauGB vor, wenn das Gebiet nach seiner vorhandenen Bebauung oder nach seiner sonstigen Beschaffenheit den allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse oder an die Sicherheit der in ihm wohnenden oder arbeitenden Menschen nicht entspricht.

Funktionsschwächen liegen gemäß § 136 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 BauGB vor, wenn das Gebiet in der Erfüllung seiner Aufgaben, die ihm nach seiner Lage und Funktion obliegen, erheblich beeinträchtigt ist. Ob ein Gebiet in der Lage ist, die ihm obliegenden Aufgaben zu erfüllen, ergibt sich aus einem Vergleich des bestehenden Zustandes mit der für das Gebiet maßgebenden Aufgabenzuweisung. Entscheidend ist, ob eine erhebliche Abweichung des gegenwärtigen Zustandes vom „Soll-Zustand“ vorliegt.

 

Da es sich bei Sanierungsmaßnahmen um gebietsbezogene Gesamtmaßnahmen handelt, ist ein öffentliches Interesse nur dann zu bejahen, wenn sich die Sanierung nicht nur auf Einzelmaßnahmen, so z.B. die Beseitigung eines verwahrlosten Gebäudes, bezieht, sondern Maßnahmen mit einem konkreten Gebietsbezug bzw. konkreten Auswirkungen auf ein Gebiet nachhaltig zur Lösung von städtebaulichen Problemen beitragen.

 

Typische Merkmale einer Sanierung im Sinne einer Gesamtmaßnahme sind daher: Der Bezug auf ein bestimmtes Gebiet, die Behebung städtebaulicher Missstände als ein allgemeines Ziel, die Ausrichtung auf eine einheitliche Konzeption und Planung, die Bündelung und zielgerechte Ausrichtung einer Vielzahl von verschiedenen Einzelmaßnahmen, eine gesteigerte Verantwortung der Gemeinde.

 

Im Rahmen einer einheitlichen Vorbereitung (vgl. § 136 Abs. 1 BauGB) gilt es zunächst zu ermitteln, inwieweit mittels der zur Verfügung stehenden städtebaulichen Planungsinstrumente verschiedene Einzelmaßnahmen innerhalb eines bestimmten Gebietes auf ein einheitliches Sanierungsziel ausgerichtet und aufeinander abgestimmt werden können, um daraufhin die jeweiligen Maßnahmen und Projekte über einen längeren Zeitraum hinweg koordiniert und abgestimmt durchzuführen.

 

Da § 136 BauGB die zügige Durchführung dieser Maßnahmen fordert und hierdurch die Gemeinde in eine gesteigerte Pflicht nimmt, muss der Ablauf der einzelnen Verfahrensschritte im Rahmen der Sanierung einschließlich der Vorbereitung und Durchführung der einzelnen Maßnahmen zeitlich und inhaltlich aufeinander abgestimmt sein.

 

 

II.   Bausteine

 

Welche Arbeitsschritte im Rahmen der Vorbereitung einer Städtebaulichen Sanierungsmaßnahme durchzuführen sind, ist abschließend in § 140 Nr. 1 bis 7 BauGB geregelt, wobei zwingend sämtliche Vorbereitungshandlungen seitens der Gemeinde durchgeführt werden müssen.

 

Die Vorbereitung umfasst

1.      die vorbereitenden Untersuchungen,

2.      die förmliche Festlegung des Sanierungsgebietes,

3.      die Bestimmung der Ziele und Zwecke der Sanierung,

4.      die städtebauliche Planung; hierzu gehört auch die Bauleitplanung oder eine Rahmenplanung, soweit sie für die Sanierung erforderlich ist,

5.      die Erörterung der beabsichtigten Sanierung,

6.      die Erarbeitung und Fortschreibung des Sozialplans,

7.      einzelne Ordnungs- und Baumaßnahmen, die vor einer förmlichen Festlegung des Sanierungsgebietes durchgeführt werden.

 

In Bezug auf die zeitliche Abfolge ist diese Auflistung nicht zwingend; vielmehr stehen diese Schritte in einem engen Zusammenhang und lassen sich oftmals nicht klar voneinander abgrenzen. So lassen sich vielfach die anzustrebenden Ziele einer Sanierung erst nach Durchführung einer vorbereitenden Untersuchung ermitteln, wobei dann die Ziele womöglich zunächst in einer Rahmenplanung konkretisiert werden müssen.

 

 

III.  Vorbereitende Untersuchung

 

Die vorbereitende Untersuchung – Einleitung durch förmlichen Beschluss der Gemeinde – ist wesentliche Grundlage für Entscheidungen im Sanierungsverfahren, weshalb diese eines besonderen Augenmerks bedarf und nicht nur auf das Gebiet beschränkt werden darf, in welchem es aus städtebaulichen Gesichtspunkten heraus offensichtliche Problemstellungen zu lösen gilt.

 

Im Rahmen der vorbereitenden Untersuchung wird die Gesamtheit der zu lösenden städtebaulichen Probleme ermittelt, es werden Informationen gesammelt, welche städtebaulichen Ziele überhaupt mit der Sanierung erreicht werden können, welche Kosten auf die Gemeinde zukommen und mit welcher Dauer bis zum Abschluss des Verfahrens gerechnet werden muss.

 

Ergebnis einer vorbereitenden Untersuchung kann auch sein, dass die Sanierungsmaßnahme nicht das geeignete Instrument zur Behebung der festgestellten Missstände darstellt, sondern womöglich eine anders geartete städtebauliche Gesamtmaßnahme bzw. hoheitliches Instrument zur Behebung der Missstände gewählt werden sollte.

 

Erst nach Abschluss der vorbereitenden Untersuchung können sinnvolle Aussagen über Umfang und Dauer der weiteren vorbereitenden Arbeiten der Sanierung – insbesondere die Erstellung eines konkreten Maßnahmenplans – getroffen werden. Ebenso bedarf es einer umfassenden Erörterung der beabsichtigten Sanierung mit den Betroffenen.

 

Zudem ist im Rahmen einer Kosten- und Finanzierungsplanung die finanzielle Durchführbarkeit der Sanierung zu prüfen.

 

 

IV.  Art des Sanierungsverfahrens

 

Es gilt über die konkrete Verfahrensform – vereinfachtes oder vollständiges Sanierungsverfahren – zu entscheiden. Bei der Wahl des Verfahrens, vgl. § 142 Abs. 4 BauGB, besteht kein Ermessen, vielmehr gilt es konkret zu prüfen, ob die besonderen sanierungsrechtlichen Vorschriften zur Anwendung gelangen. Hinreichende Anhaltspunkte hat hierzu auch wieder die vorbereitende Untersuchung zu liefern.

 

Nach sorgfältiger Ermittlung und Zusammenstellung der gewonnenen Informationen kann dann überhaupt erst das Sanierungsgebiet förmlich festgelegt werden.

 

Ist die förmliche Festlegung erfolgt, ist die Sanierung durchzuführen, wobei hier mehrere Handlungsstränge zusammenlaufen. Neben der planerischen Konkretisierung gilt es, die finanzielle Abwicklung zu koordinieren, Ordnungsmaßnahmen im Sinne von Grunderwerb, Bodenordnung, Umzug von Bewohnern und Betrieben, Freilegung von Grundstücken, Herstellung und Änderung von Erschließungsanlagen etc. sowie konkrete Baumaßnahmen durchzuführen. Diese Maßnahmen können einen erheblichen Eingriff in das Eigentumsrecht der Betroffenen darstellen.

 

 

V.   Zusammenfassung

 

Die hier lediglich grob dargestellten Abläufe einer Städtebaulichen Sanierungsmaßnahme zeigen bereits die Komplexität und den langen Zeitraum der Durchführung solch einer Maßnahme auf.

 

Deutlich wird jedoch auch, dass die Gemeinde bei Anwendung des zum besonderen Städtebaurecht zählenden Instrumentes der Städtebaulichen Sanierungsmaßnahme verpflichtet ist, die ihr nach dem BauGB und nach anderen Vorschriften zustehenden Befugnisse auszuüben, sobald und soweit es zur Erreichung des Sanierungszwecks erforderlich ist.

 

Inwieweit die Revitalisierung der Steinstraße mittels der Durchführung eines solch langwierigen Prozesses der Städtebaulichen Sanierungsmaßnahme zu erreichen ist, kann ohne die Durchführung einer umfassenden städtebaulichen Analyse nicht abschließend beurteilt werden.

 

 

B.  Stadtentwicklungskonzept mit besonderer Betrachtung der Steinstraße

 

Folgender ganzheitlicher Projektablauf, der sowohl den Antrag aufgreift als auch die ohnehin anstehende Erarbeitung eines aktuellen Stadtentwicklungskonzeptes umfasst, wird vorgeschlagen:

 

Zur Beurteilung der städtebaulichen Situation in der Steinstraße ist die Erhebung hinreichender Grundlagen erforderlich. Diese Erhebung in Form einer städtebaulichen Bestandsaufnahme ist zwingende Voraussetzung für die Erstellung eines Maßnahmenkatalogs zur Verbesserung der Situation in der Steinstraße, unabhängig von den zu einem späteren Zeitpunkt anzuwendenden formellen oder informellen Instrumenten.

 

Dazu soll das Plangebiet weiter gefasst und die für 2012 geplante Erarbeitung eines Stadtentwicklungskonzeptes mit besonderer Betrachtung der Steinstraße begonnen werden. Mit der Erstellung eines solchen Konzeptes hat der Ausschuss für Stadtentwicklung (ASE) die Verwaltung in seiner Sitzung am 07.09.2010 durch einen entsprechenden Beschluss bereits beauftragt.

 

Hintergrund für die Neuaufstellung eines Stadtentwicklungskonzeptes ist die Notwendigkeit, das auf dem „Masterplan zur Weiterentwicklung der Emmericher Innenstadt“ von Junker & Kruse aus dem Jahre 2000 basierende Integrierte Handlungskonzept 2000 – 2010 zu aktualisieren.

Zahlreiche in den o .g. städtebaulichen Konzepten verankerte Maßnahmen, wie z.B. die Neugestaltung der Rheinpromenade, die Entwicklung des Rheinparks, die Aufwertung des Alten Marktes, die Aufwertung der Kaßstraße sowie angrenzende Straßen und Plätze, die Umgestaltung des Nonnenplatzes und die Umgestaltung des Neumarktes sind bereits umgesetzt oder stehen zur Umsetzung an.

 

Die aktuellen Städtebauförderungsrichtlinien setzen für alle Förderprogrammteile grundsätzlich die Erarbeitung eines städtebaulichen Entwicklungskonzeptes gemäß § 171 b Abs. 2 Baugesetzbuch (BauGB) voraus.

 

Mit der Erarbeitung des Stadtentwicklungskonzeptes soll ein Planungsbüro auf Basis einer konkreten Aufgabenstellung beauftragt werden.

 

Inhaltliche Schwerpunkte des Stadtentwicklungskonzeptes sind:

-        städtebauliche Bestandsaufnahme und –analyse der Emmericher Innenstadt mit besonderer Betrachtung der Steinstraße inkl. Definition von Entwicklungszielen und Maßnahmen,

-        Herausarbeiten weiterer Handlungsfelder der Stadtentwicklung für an die Innenstadt angrenzende Lagen bzw. den Stadtteil Emmerich,

-        Analyse und Entwicklungspotenzial der Ortsteile.

 

Als Grundlage für die Erteilung eines Planungsauftrags ist in einem nächsten Arbeitsschritt die konkrete Aufgabenstellung für die Analyse der Emmericher Innenstadt mit Schwerpunkt Steinstraße, die an die Innenstadt angrenzenden Lagen und die Ortsteile zu entwickeln. Dazu sind umfangreiche Auswertungen bestehender Konzepte und Planungen erforderlich.

 

Die Verwaltung legt dem Ausschuss für Stadtentwicklung die konkrete Aufgabenstellung für das Stadtentwicklungskonzept verbunden mit einem Projektplan vor der Sommerpause 2012 zur Beschlussfassung vor.

 

Finanz- und haushaltswirtschaftliche Auswirkungen :

 

Die Durchführung der städtebaulichen Analyse ist für das Haushaltsjahr 2012 vorgesehen.

Mittel in Höhe von 40.000,00 € werden für das Jahr 2012 angemeldet.

Produkt: 1.100.09.01.01, Sachkonto: 54290000

 

Leitbild :

 

Die Maßnahme steht im Einklang mit den Zielen des Leitbildes Kapitel 1.1, 1.2, 2.3.

 

 

In Vertretung

 

 

 

Dr. Wachs

Erster Beigeordneter