Betreff
Prüfung von zukünftigen Dringlichkeitsentscheidungen im Sinne des § 60 der GO NRW, hier: Antrag Nr. XXVI/2015 der BGE-Ratsfraktion
Vorlage
01 - 16 0603/2015
Art
Verwaltungsvorlage

Beschlussvorschlag

 

Der Haupt- und Finanzausschuss nimmt die Ausführungen der Verwaltung zur Kenntnis und beschließt, in Zukunft die Mitglieder des Rates unmittelbar nach einer dringlichen Entscheidung zu informieren. Gleiches gilt für die Mitglieder des entscheidungsbefugten Ausschusses im Falle einer dringlichen Entscheidung im Sinne des § 60 Abs. 2 GO NRW.

 

Sachdarstellung :

 

Mit Schreiben vom 16.11.2015 beantragt die Fraktion BGE zu beschließen, zukünftige Dringlichkeitsentscheidungen dahingehend zu überprüfen und zu dokumentieren, ob diese tatsächlich im Sinne des § 60 GO NW unaufschiebbar seien.

Erst wenn diese Prüfung die unbedingte Dringlichkeit ergeben habe, solle eine Dringlichkeitsentscheidung überhaupt möglich sein. In jedem Falle sollen aber die Fraktionsvorsitzenden informiert werden.

Der Rat hat die Behandlung des Antrages in seiner Sitzung am 15.12.2015 an den Haupt- und Finanzausschuss verwiesen. Das Ergebnis der verwaltungsseitigen Prüfung stellt sich wie folgt dar :

 

Rechtlicher Hintergrund

Die Gemeindeordnung sieht ein zweistufiges System von Dringlichkeitsentscheidungen vor durch

-     Entscheidung des Haupt- und Finanzausschusses, wenn die Einberufung des Rates nicht

     mehr rechtzeitig möglich ist (§ 60 Abs. 1 Satz 1)

-     Entscheidung des Bürgermeisters zusammen mit einem Ratsmitglied, wenn die Einberufung des Haupt- und Finanzausschusses nicht rechtzeitig möglich ist und sonst erhebliche Nachteile entstehen können (§ 60 Abs. 1 Satz 2).

 

Die Voraussetzung für die 1. Stufe hat der Gesetzgeber 1994 neu definiert; bis dahin war die Entscheidung des HFA anstelle des Rates auch daran geknüpft, „dass die Angelegenheit keinen Aufschub duldet. Seit Novellierung der GO NRW ist im Falle des Eilbeschlusses des HFA allein darauf abzustellen, ob die Einberufung des Rates nicht mehr rechtzeitig möglich war (z.B. wenn die Ladungsfristen dies nicht zulassen oder aber innerhalb des gebotenen Zeitraumes nicht die für die Beschlussfassung erforderliche Anzahl von Ratsmitgliedern erreichbar ist).

 

Für Dringlichkeitsentscheidungen der 2. Stufe, die der Bürgermeister und ein Ratsmitglied treffen, gibt es zwei Voraussetzungen :

 

-     die Einberufung des Haupt- und Finanzausschusses ist nicht rechtzeitig möglich und

-     die Entscheidung kann nicht aufgeschoben werden, weil sonst erhebliche Nachteile oder

     Gefahren entstehen können.

 

Die Einberufungsfristen beziehen sich in beiden Stufen (Einberufung Rat bzw. HFA) auf die Möglichkeit einer Sondersitzung unter Einhaltung verkürzter Ladungsfristen.

 

Die Entscheidung darüber, ob ein Fall einer Dringlichkeit vorliegt, ist Sache des Bürgermeisters und des hinzugezogenen Ratsmitgliedes. Nach herrschender Meinung handelt es sich um die Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe, die Ermessens- und Zweckmäßigkeitsentscheidungen keinen Raum lassen. Die Abwehr von erheblichen Nachteilen oder Gefahren ist beispielsweise in Katastrophenfällen oder bei drohender Fristversäumnis gegeben (OVG NRW, Urteil vom 31. Mai 1988).

 

Gemäß § 60 Abs. 1 Satz 3 GO NRW müssen Eilbeschlüsse des Haupt- und Finanzausschusses und Entscheidungen des Bürgermeisters dem Rat in seiner nächsten Sitzung zur Genehmigung vorgelegt werden.

Da der Rat nach Abs. 1 Satz 4 alle Dringlichkeitsentscheidungen aufheben kann, soweit nicht bereits Rechte Dritter durch die Ausführung des Beschlusses entstanden sind, wird die Gefahr begrenzt, dass die Ermächtigungen nach Abs. 1 Satz 1 und 2 missbraucht werden.

 

Kann der Rat die Dringlichkeitsentscheidung nicht mehr aufheben, da bereits Rechte Dritter entstanden sind, versagt er aber dennoch seine Genehmigung, so haften unter Umständen die an der Beschlussfassung beteiligten Personen nach § 43 Abs. 4 Buchstabe a) falls die Voraussetzungen für eine dringliche Entscheidung nicht vorgelegen haben, sowie der Bürgermeister nach den beamtenrechtlichen Bestimmungen.

 

Dringlichkeitsentscheidungen in Ausschussangelegenheiten :

Die Novellierung der Gemeindeordnung im Jahre 1994 hat mit § 60 Abs. 2 GO NW nunmehr auch eine Regelung für Eilentscheidungen beschließender Ausschüsse geschaffen. Da Ausschüsse aufgrund ihrer Mitgliederzahl und Zusammensetzung (Vertreterregelung) leichter einzuberufen sind als Rat entspricht Absatz 2 der 2. Stufe bei Ratsentscheidungen. Die Einberufung des Ausschusses darf also nicht rechtzeitig möglich sein; die Eilentscheidung darf im Falle drohender entstehender Nachteile durch den Bürgermeister gemeinsam mit einem Mitglied des entscheidungsbefugten Ausschusses getroffen werden.

 

Praxis vor Ort

Der in dem Antrag der BGE dargestellten Ansicht, dass Dringlichkeitsentscheidungen vor Ort zu schnell und nicht immer mit entsprechendem sachlichem Hintergrund angewandt werden, wird verwaltungsseitig widersprochen.

 

Die Zulässigkeitsvoraussetzungen werden in jedem Einzelfall vorab geprüft und auch in dem Beschluss abgebildet. Die Begründung dringlicher Entscheidungen stellt sich vor Ort zweigeteilt dar; zum einen wird die zu treffende Sachentscheidung, darüber hinaus wird in jedem Einzelfall auch die Dringlichkeit begründet.

 

Die seitens der BGE geforderte Überprüfung findet – entsprechend den gesetzlichen Vorgaben – bei jeder zu treffenden Entscheidung im Sinne des § 60 GO NW statt. Für eine (durch den Antrag der BGE möglicherweise beabsichtigte) Beschlussfassung des Rates über gesetzliche Notwendigkeiten besteht daher kein Anlass. 

 

Die Anregung einer Information der Fraktionsvorsitzenden wurde im Beschlussvorschlag aufgegriffen bzw. auf den Personenkreis erweitert, dem die Genehmigung der Dringlichen Entscheidung in der nächsten Sitzung zusteht.

 

Sofern der Antrag auf eine Information der Fraktionsvorsitzenden im Vorfeld einer zu treffenden Dringlichkeitsentscheidung abzielt, kann der Anregung nicht gefolgt werden.

Der Gesetzgeber hat die Stufen einer Dringlichen Entscheidung sowie den Kreis der  Entscheidungs- und Genehmigungsbefugten klar und abschließend definiert.

Die Ausdehnung dieses Kreises über das gesetzliche Maß hinaus ist insbesondere mit Blick auf den Genehmigungsvorbehalt des Rates bzw. des entscheidungsbefugten Ausschusses ( § 60 Abs. 1 Satz 4 GO NRW) weder sinnhaft noch geboten.

 

Letztlich wirft die Fraktion BGE in ihrem Antrag die Frage auf, welche Folgen sich ergeben, wenn eine dringliche Entscheidung nicht umgesetzt werden kann. Sowohl im Falle dringlicher Entscheidungen als auch in Fällen von Rats- oder Ausschussbeschlüssen können sich im Nachhinein Umstände ergeben, die die Umsetzung faktisch unmöglich machen oder aber eine Umsetzung nur unter geänderten Parametern (z.B. höherer Kaufpreis, ungünstigere Konditionen) ermöglichen. Insofern bedarf es hier keiner Differenzierung zwischen Dringlicher Entscheidung und Beschlüssen, die unmittelbar durch einen Ausschuss oder den Rat gefasst worden sind. 

Es gilt, den gefassten Beschluss in Fällen faktischer Unmöglichkeit aufzuheben. Ändern sich Parameter  zu Ungunsten der Verwaltung als Vertragspartei und hält diese die Vertrags-beziehung auch unter neuen Eckdaten für erforderlich, so gilt es, ein erneutes Votum der Entscheidungsträger einzuholen.

 

Finanz- und haushaltswirtschaftliche Auswirkungen :

 

Die Maßnahme hat keine finanz- und haushaltswirtschaftlichen Auswirkungen.

 

 

Leitbild :

 

Die Maßnahme wird von den Zielen des Leitbildes nicht berührt.

 

 

 

 

 

Peter Hinze

Bürgermeister