hier: Antrag Nr. XVII/2019 der Ratsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Kenntnisnahme(kein
Beschluss)
Der Haupt- und Finanzausschuss nimmt die Ausführungen der Verwaltung zur
Kenntnis.
Sachdarstellung :
Die Ratsfraktion Bündnis 90/Die GRÜNEN beauftragt die Verwaltung, zu
prüfen, ob „angesichts der zunehmenden Knappheit an preiswerten Wohnungen und
der trotzdem stattfindenden Zweckentfremdung von Wohnraum“ eine
Wohnraumschutzsatzung für die Stadt Emmerich am Rhein erlassen werden könnte.
Das Wohnungsaufsichtsgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen – WAG NRW -
ermächtigt in § 10 die Kommunen durch eigene Satzung Gebiete mit erhöhtem
Wohnungsbedarf festzulegen, in denen Wohnraum nur mit Genehmigung
zweckentfremdet werden darf. Das WAG NRW hat mit seinem Inkrafttreten 2014 die
bisherigen in den §§ 40 bis 43 des Gesetzes zur Förderung und Nutzung von
Wohnraum für das Land NRW - WFNG NRW – festgelegten Regelungen zur
Wohnungsaufsicht abgelöst.
Ziel einer
solchen Satzung ist es, in Wohngegenden mit einem knappem Wohnungsangebot zu
verhindern, dass der geringe Bestand an Wohnraum z.B. durch gewerbliche
Nutzung, gewerbliche Zimmervermietung oder Fremdenbeherbergung zweckentfremdet,
d.h. dem eigentlichen Wohnzweck entzogen wird und nicht mehr dem Wohnungsmarkt
zur Verfügung steht. Innerhalb Nordrhein-Westfalens haben nur die Städte Bonn,
Dortmund, Köln und Münster eine sog. Zweckentfremdungs- oder Wohnraumsatzung
erlassen. Ursprünglich ausgehend von einem steigenden Angebot an
Ferienwohnungen in Wohngebieten darf in diesen Städten
wegen des dort herrschenden Wohnraummangels Wohnraum nur mit einer Genehmigung
für eine Kurzzeitvermietung genutzt werden.
Der
Antrag der Ratsfraktion Bündnis 90/Die GRÜNEN steht im Kontext zur gestiegenen
Anzahl der Wohnungen, die im Stadtgebiet von Emmerich am Rhein von
niederländischen Zeitarbeitsfirmen zur Unterbringung von Arbeitsmigranten aus
Osteuropa gekauft bzw. gemietet werden. In erster Linie handelt es sich hier um
die Nutzung von Mehrfamilien-häusern älteren Bestands mit Wohnungen im Bereich
des preiswerten Mietwohnungs-segments.
Vor
diesem Hintergrund wird als Ziel des Erlasses einer Satzung nach § 10 WAG NRW
für die Stadt Emmerich am Rhein unterstellt, die Nutzung von Wohnungen zur
Unterbringung von Arbeitsmigranten aus Osteuropa einer Genehmigungspflicht zu
unterziehen und somit mittelbar einzuschränken, um die entsprechenden
Mehrfamilienhäuser dem allgemeinen Wohnungsmarkt zur Verfügung zu stellen. Die
Verfügbarkeit bezahlbaren Wohnraums soll für dauerhaft im Satzungsgebiet
ansässige Personen gesichert und gesteigert werden.
Dem
Gesetzestext folgend setzt der Erlass einer Satzung nach § 10 WAG NRW in
Emmerich am Rhein zunächst voraus, dass ein Gebiet mit erhöhtem Wohnungsbedarf
besteht. Ist diese Voraussetzung erfüllt, bedingt eine in der Satzung
festzulegende Genehmigungspflicht, dass die Nutzung von Wohnungen zur
Unterbringung von Arbeitsmigranten aus Osteuropa eine Zweckentfremdung von
Wohnraum darstellt.
Die
Prüfung der Erfüllung dieser beiden Voraussetzungen wird nachfolgend
dargestellt:
1.
Erhöhter Wohnungsbedarf
Der
Begriff des erhöhten Wohnungsbedarfs ist gesetzlich nicht festgelegt. In dem
Leitfaden zum Wohnungsaufsichtsgesetz des Ministeriums für Bauen, Wohnen,
Stadtentwicklung und Verkehr des Landes NRW gibt es ebenso keine Definition zu
diesem Begriff. Gem. Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist
Voraussetzung für einen erhöhten Wohnungsbedarf ein Ungleichgewicht zwischen
der Nachfrage Wohnungssuchender und dem Angebot von für diesen Personenkreis
nach Größe, Ausstattung und Miete in Betracht kommenden Wohnungen. Die
Feststellung eines solchen Ungleichgewichts bedarf eines ausführlichen
empirischen Nachweises, um letztendlich einen hinreichend erhöhten
Wohnungsbedarf festzustellen.
Im
Rahmen des Handlungskonzepts Wohnen für die Stadt Emmerich am Rhein – der
Entwurf liegt der Verwaltung vor - hat das Beratungsinstitut empirica Bonn
aktuell den Wohnungsmarkt untersucht. Ein innerhalb des Stadtgebiets der Stadt
Emmerich am Rhein bestehender erhöhter Wohnungsbedarf wird nicht festgestellt.
Das Konzept stellt bezogen auf die einzelnen Teilsegmente differenzierte
Ergebnisse dar. Hinsichtlich des preiswerten Mietwohnungssegments wird
festgestellt, dass sich dieses in den letzten Jahren zwar angespannt habe aber
weit entfernt sei von den Engpässen auf den stark angespannten Wohnungsmärkten
der Rheinschiene in NRW sowie in Aachen und Münster.
Vor
diesem Hintergrund hält die Verwaltung den zum Erlass einer Satzung nach § 10
WAG NRW notwendigen Nachweis zur Annahme eines Gebiets mit erhöhtem
Wohnungsbedarf insbesondere im Bereich des preiswerten Mietwohnungssegments für
nicht darlegbar.
2.
Zweckentfremdung des Wohnraums
Der Begriff der Zweckentfremdung
des Wohnraums ist in § 10 WAG NRW nicht abschließend definiert.
Üblicherweise liegt eine Zweckentfremdung dann vor, wenn vorhandener und
genehmigter Wohnraum durch den Verfügungs- bzw. Nutzungsberechtigten einer
anderen Nutzung als zu Wohnzwecken zugeführt wird.
Gemäß einer Definition des Ministeriums für Heimat, Kommunales, Bau und
Gleichstellung des Landes NRW liegt Zweckentfremdung vor bei Leerstand oder
Umnutzung von Wohn-raum zu Gewerbezwecken oder zur Vermietung als
Ferienwohnung, ebenso bei Abriss von Wohnraum.
Klassischer Fall der Zweckentfremdung ist die Vermietung einer Wohnung
als Ferienwohnung für Touristen und Geschäftsreisende, sprich einer
Fremdenbeherbergung.
Zur Definition der Fremdenbeherbergung kann auf das Umsatzsteuerrecht
zurückgegriffen werden. Gem. § 4 Nr. 12a Satz 2 UStG ist die Vermietung von
Wohn- und Schlafräumen, die zur kurzfristigen Beherbergung eines Fremden
vorgehalten werden, steuerpflichtig. Der
Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in seinem Urteil vom 12.02.1998 – C
346/95 – eine kurzfristige Beherbergung, und damit eine Umsatzsteuerpflicht,
bejaht, sofern diese weniger als 6 Monate dauert. Gem. EuGH ist für die
Bestimmung der 6-Monatsfrist die Absicht des Vermieters, die z.B. im
Mietvertrag dokumentiert ist, maßgeblich.
Den allgemeinen Sprachgebrauch
zugrunde legend erfüllen die in Emmerich am Rhein zur Unterbringung von
Arbeitsmigranten genutzten Gebäude grundsätzlich den Zweck, diesen Personen ein
Dach über dem Kopf zum dauerhaften Aufenthalt als (vorübergehender)
Lebensmittelpunkt zu gewähren, einen im Kern privaten Platz zum Schlafen und
Kochen, d.h. zur eigenständigen Lebensgestaltung. Sie dienen somit als
Wohnraum.
Die
Mietverträge, die die Arbeitsmigranten persönlich abschließen, sind in der
Regel nicht befristet und zielen somit grundsätzlich auf ein dauerhaftes Wohnen
ab. Die Absicht des dauerhaften Wohnens wird nicht eingeschränkt von der
Tatsache, dass in Abhängigkeit vom Einzelfall, d.h. von der Dauer des einzelnen
Leiharbeitnehmerverhältnisses, Mietvertrags-verhältnisses vorzeitig beendet
werden können.
Bisher
konnte nur in wenigen einzelnen Immobilien eine von vornherein beabsichtigte
kurzfristige Zimmervermietung festgestellt werden. In diesem Fällen wurde auf
bauord-nungsrechtlicher Ebene die Genehmigungsfähigkeit überprüft und in
Einzelfällen die Ausführung untersagt.
Zusammenfassend
ist festzustellen, dass die Nutzung von Wohnungen durch niederlän-dische
Zeitarbeitsfirmen zur Unterbringung von Arbeitsmigranten im Allgemeinen nicht
als Zweckentfremdung zu beurteilen ist.
Sofern
entgegen des unter Ziffer 1 dargestellten Ergebnisses die Voraussetzungen zum
Erlass einer Satzung nach § 10 WAG NRW gegeben wären, wäre eine
Genehmigungs-pflicht in Bezug auf die Nutzung von Wohnungen zur Unterbringung
von Arbeitsmigranten nicht durchsetzbar.
Nach
Abschluss der o.a. Prüfung wird der Erlass einer Satzung nach § 10 WAG NRW für
das Gebiet der Stadt Emmerich am Rhein als nicht rechtmäßig beurteilt.
Finanz- und
haushaltswirtschaftliche Auswirkungen :
Die Maßnahme hat
keine finanz- und haushaltswirtschaftlichen Auswirkungen.
Leitbild :
Die Maßnahme steht
im Einklang mit den Zielen des Leitbildes Kapitel 6.2.
Peter Hinze
Bürgermeister