Betreff
Sichere Häfen - Forderungen der Seebrücke;
hier: Eingabe Nr. 8/2021 an den Rat der Stadt Emmerich am Rhein
Vorlage
07 - 17 0206/2021
Art
Verwaltungsvorlage

Beschlussvorschlag

 

Der Sozialausschuss der Stadt Emmerich am Rhein lehnt es ab, die Forderungen der Organisation Seebrücke zu unterstützen.

 

Sachdarstellung :

 

 

 


Sachdarstellung :

 

Eine Bürgerin wendet sich mit Ihrer Eingabe 04.03.2021 an den Bürgermeister als Vorsitzender des Rates und regt erneut an, dass sich die Stadt Emmerich am Rhein den bis zu elf Forderungen der Organisation Seebrücke anschließt und so das Stadtgebiet zu einem sicheren Hafen für Menschen auf der Flucht erklärt.

 

Gemäß § 24 der Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen steht jedem das Recht zu, sich mit Eingaben an den Rat zu wenden. Bei diesen Eingaben kann es sich um Anregungen oder Beschwerden in Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft handeln. Unter einer Anregung ist der an den Rat gerichtete Wunsch, in einem bestimmten Sinne tätig zu werden, zu verstehen.

 

§ 4 Absatz 2 der Hauptsatzung der Stadt Emmerich am Rhein sieht vor, dass der Rat über die Behandlung der Anregung entscheidet und diese an einen Ausschuss weiterleiten kann.

 

Die o.a. Eingabe wurde in der Sitzung des Rates am 30.03.2021 als Tagesordnungspunkt aufgerufen. Der Rat der Stadt Emmerich hat sich im Sinne der Hauptsatzung dafür entschieden, die Eingabe zu behandeln und hat diese hierfür zur Beratung an den Sozialausschuss verwiesen.

 

 

Mit dem als Anlage beigefügten Schreiben vom 04.03.2021 hat die Verfasserin angeregt, dass sich der Rat der Stadt Emmerich am Rhein im Rahmen der Aktion Seebrücke zum sicheren Hafen für koordiniert zu verteilende Flüchtlinge erklären möchte. Weitere Informationen zu diesem Thema ergeben sich aus dem Schreiben sowie aus der dort genannten Homepage des Vereins „Mensch Mensch Mensch e.V.“ (www.seebruecke.org).

 

Das Projekt Sicherer Hafen/ Seebrücke stellt sich gegen die Abschottungspolitik Europas und setzt sich dafür ein, dass Menschen auf der Flucht einen Ort zum Ankommen finden – einen „sicheren Hafen“. Die Initiatoren der Seebrücke werfen insoweit der Bundes- bzw. Europapolitik ein Versagen vor und rufen die Kommunen auf, sich für ein sicheres Ankommen in einem neuen rechtlichen Rahmen einzusetzen. Die Homepage enthält einen Katalog von insgesamt 11 Forderungen.

 

Bereits im vergangenen Jahr gab es zwei ähnliche Eingaben an den Rat der Stadt Emmerich am Rhein, wobei die erste von derselben Petentin stammte, die auch die aktuelle Eingabe verfasst hat:

Eingabe Nr. 20/2019

-       Beratung im Haupt- und Finanzausschuss am 11.02.2020

o   Antrag wurde abgelehnt mit 8 Stimmen für einen Beitritt zu vier von elf Forderungen der Seebrücke /Sichere Häfen und 11 Gegenstimmen

-       Beratung im Rat am 03.03.2020

o   Antrag wurde abgelehnt mit 11 Stimmen für einen Beitritt zu vier von elf Forderungen der Seebrücke/ Sichere Häfen und 18 Gegenstimmen

Eingabe Nr. 5/2020

-       Beratung im HFA (hier Delegierung gem. § 60 Abs. 1 S. 2 GO NRW)

o   Antrag wurde abgelehnt mit 8 Stimmen für einen Beitritt zu vier von elf Forderungen der Seebrücke/ Sichere Häfen und 11 Gegenstimmen

 

In der aktuellen Eingabe wird darauf verwiesen, dass sich die Lage an der EU-Außengrenze nicht verbessert habe. Die Migrationspolitik des Bundes- und des Landes wäre hier bisher nicht erfolgreich gewesen, so dass vor dieser Erkenntnis eine Überprüfung der Entscheidung des Vorjahres angezeigt sei und sich Emmerich am Rhein nun endlich ein „Sicherer Hafen“ werden sollte. 235 Städte hätten den Forderungen der Seebrücke bereits zugestimmt.

Das sind die elf Forderungen der Initiative „Seebrücke“:

 

Öffentliche Solidaritätserklärung

1.    Die Stadt erklärt sich mit Menschen auf der Flucht, der Seenotrettung und den Zielen der Seebrücke solidarisch.

Einsatz für sichere Fluchtwege und Unterstützung der Seenotrettung

2.    Die Stadt setzt sich für sichere Fluchtwege und das Ende der EU-Abschottungspolitik ein, damit Menschen nicht mehr auf lebensgefährlichen Routen fliehen müssen.

3.    Die Stadt positioniert sich öffentlich gegen die Kriminalisierung der zivilen Seenotrettung auf dem Mittelmeer und unterstützt diese aktiv, beispielsweise mit Öffentlichkeitsarbeit, Patenschaften, finanzieller Unterstützung oder der Beteiligung an einer Rettungsmission.        

4.    Die Stadt setzt sich darüber hinaus aktiv für staatliche Seenotrettungsmissionen ein.

Aufnahme von Menschen auf der Flucht

5.    Die Stadt setzt sich gegenüber dem Bundesland und der Bundesregierung für die Einrichtung neuer bzw. für die deutliche Ausweitung bestehender Programme zur legalen Aufnahme von Menschen auf der Flucht ein und bietet dazu selbst Aufnahmeplätze zusätzlich zur Verteilungsquote (Königsteiner Schlüssel) an (Humanitäre Aufnahmeverfahren des Bundes, insbes. Resettlement-Programm, und Programme der Bundesländer nach §23 AufenthG).  

6.    Die Stadt stellt Plätze für die schnelle und unkomplizierte Aufnahme und Unterbringung von aus Seenot geretteten Menschen zusätzlich zur Verteilungsquote von Schutzsuchenden bereit (z.B. im Rahmen eines Dublin- oder Relocation-Verfahrens).

7.    Die Stadt setzt sich gegenüber dem Bundesland und der Bundesregierung für die Schaffung rechtlicher und finanzieller Rahmenbedingungen ein, mit denen die Kommunen die Aufnahme von Menschen auf der Flucht über die Verteilungsquote hinaus tatsächlich selbstbestimmt realisieren können.  

Kommunales Ankommen und Bleiben gewährleisten

8.    Die Stadt sorgt für alle geflüchteten Menschen - unabhängig vom Fluchtweg - für ein langfristiges Ankommen. Um ein gutes und sicheres Leben in der Kommune zu gewährleisten, müssen alle notwendigen Ressourcen für eine menschenwürdige Versorgung, insbesondere in den Bereichen Wohnen, medizinische Versorgung und Bildung, und für die gesellschaftliche Teilhabe der Aufgenommenen zur Verfügung gestellt werden.          

9.    Die Stadt tritt für Bleibeperspektiven ein und setzt sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten gegen Abschiebungen ein. Sie ist nicht nur Sicherer Hafen, sondern zugleich Solidarische Stadt für alle Menschen.           

Vernetzung

10.  Die Stadt setzt sich auf regionaler, nationaler und europäischer Ebene aktiv für die Umsetzung der oben genannten Punkte ein. Dafür vernetzt sie sich mit anderen Städten und tritt dem kommunalen Bündnis “Städte Sicherer Häfen” bei. Sichere Häfen setzen sich in ganz Europa für eine menschenrechtskonforme europäische Migrationspolitik und ein Ende der Abschottungspolitik ein.    

Transparenz

11.  Die Stadt veröffentlicht alle unternommenen Handlungen.

 

Bislang haben sich bereits 241 Städte (120 waren es vor einem Jahr) den Forderungen der Seebrücke in sehr unterschiedlichem Umfang angeschlossen. Aus dem Kreis Kleve hat sich beispielsweise die Wallfahrtsstadt Kevelaer bereiterklärt die Forderungen zu 1, 6 und 11 zu erfüllen. Die Mehrzahl der teilnehmenden Städte hat ähnliche Beschlüsse gefasst. Weitergehende Forderungen wie beispielsweise die finanzielle Unterstützung der zivilen Seenotrettung, Bereitstellung personeller Ressourcen oder Widerstand gegen bestehende Rechtsvorschriften werden meist nicht unterstützt.

 

Die Verwaltung steht nach wie vor auf dem Standpunkt, dass solange Menschen auf der Flucht im Mittelmeer sterben, alle denkbaren politischen Anstrengungen unternommen werden müssen, um dieses Drama zu lösen. Um der Bundesregierung diesen dringenden Handlungsbedarf aufzuzeigen und um ein Signal für Humanität, für das Grundrecht auf Asyl und für die Integration Geflüchteter zu setzen, wurde im Vorjahr im Zusammenhang mit der erstmaligen Beantragung der Teilnahme vorgeschlagen, der Aktion Seebrücke beizutreten, indem folgende Forderungen erfüllt werden.

 

Öffentliche Solidaritätserklärung (Forderung 1):

Der Rat der Stadt Emmerich am Rhein erklärt sich mit Menschen auf der Flucht, der Seenotrettung und den Zielen der Seebrücke solidarisch.

 

Aufnahme zusätzlich zur Quote (Forderung 6):

Der Rat der Stadt Emmerich am Rhein stellt bis zu fünf Plätze für die schnelle und unkomplizierte Aufnahme und Unterbringung von aus Seenot geretteten Menschen zusätzlich zur Verteilungsquote von Schutzsuchenden bereit.

 

Im Jahr 2019 wurden der Stadt Emmerich am Rhein insgesamt 43 Asylbewerber neu zugewiesen. Auf Basis dieses Jahreswertes wurde eine Steigerung von 10% berechnet (4,3 aufgerundet 5 Personen). Sollten alle Kommunen bereit sein, zusätzliche 10% an zugewiesenen Asylbewerbern aufzunehmen, dürfte dies einen wichtigen Beitrag zur Problemlösung darstellen.

 

Vernetzung (Forderung 10):

Der Rat der Stadt Emmerich am Rhein beschließt, dass sich die Stadt mit anderen Städten vernetzt und dem kommunalen Bündnis „Städte Sicherer Häfen“ beitritt. Über dieses Bündnis werden von den beteiligten Kommunen gemeinsame Hilfsangebote und Lösungsoptionen an die zuständigen übergeordneten Landes- und Bundesbehörden unterbreitet, um unbürokratische humanitäre Hilfe zu ermöglichen

 

Transparenz (Forderung 11):

Der Rat der Stadt Emmerich am Rhein beschließt, dass alle unternommenen Handlungen veröffentlicht werden.

 

 

Die Stadt Emmerich am Rhein hat eine lange Tradition Menschen aus unterschiedlichen Herkunftsländern eine neue Heimat zu bieten. Großes ehrenamtliches Engagement hat hierzu einen erheblichen Beitrag geleistet. Die Einwohner mit Migrationshintergrund können immer auch als Bereicherung für die Stadt erlebt werden.

 

Gerne hat die Verwaltung in diesem Jahr in Emmerich eine der deutschlandweit insgesamt 408 Familien aufgenommen, die aus dem abgebrannten Lager in Moria stammt.

 

Die Vergangenheit hat insoweit gezeigt, dass es keinen Zweifel darangeben kann, dass Emmerich am Rhein ein „sicherer Hafen“ ist.

 

Den zurückliegenden Beschlüssen des Haupt- und Finanzausschusses bzw. Rates in selbiger Angelegenheit folgend, schlägt die Verwaltung vor, die Eingabe abzulehnen und dem Bündnis „Seebrücke – Sichere Häfen“ nicht beizutreten.

 

 

Finanz- und haushaltswirtschaftliche Auswirkungen :

 

Die Maßnahme hat keine finanz- und haushaltswirtschaftlichen Auswirkungen.

 

 

Leitbild :

 

Die Maßnahme steht im Einklang mit den Zielen des Leitbildes Kapitel 6.2.

 

 

 

Peter Hinze

Bürgermeister