hier: Eingabe Nr. 8/2021 an den Rat der Stadt Emmerich am Rhein
Beschlussvorschlag
Der Sozialausschuss
der Stadt Emmerich am Rhein lehnt es ab, die Forderungen der Organisation
Seebrücke zu unterstützen.
Sachdarstellung :
Sachdarstellung :
Eine Bürgerin wendet sich mit
Ihrer Eingabe 04.03.2021 an den Bürgermeister als Vorsitzender des Rates und
regt erneut an, dass sich die Stadt Emmerich am Rhein den bis zu elf
Forderungen der Organisation Seebrücke anschließt und so das Stadtgebiet zu
einem sicheren Hafen für Menschen auf der Flucht erklärt.
Gemäß § 24 der Gemeindeordnung
für das Land Nordrhein-Westfalen steht jedem das Recht zu, sich mit Eingaben an
den Rat zu wenden. Bei diesen Eingaben kann es sich um Anregungen oder
Beschwerden in Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft handeln. Unter einer
Anregung ist der an den Rat gerichtete Wunsch, in einem bestimmten Sinne tätig
zu werden, zu verstehen.
§ 4 Absatz 2 der Hauptsatzung
der Stadt Emmerich am Rhein sieht vor, dass der Rat über die Behandlung der
Anregung entscheidet und diese an einen Ausschuss weiterleiten kann.
Die o.a. Eingabe wurde in der
Sitzung des Rates am 30.03.2021 als Tagesordnungspunkt aufgerufen. Der Rat der
Stadt Emmerich hat sich im Sinne der Hauptsatzung dafür entschieden, die
Eingabe zu behandeln und hat diese hierfür zur Beratung an den Sozialausschuss
verwiesen.
Mit dem als Anlage beigefügten
Schreiben vom 04.03.2021 hat die Verfasserin angeregt, dass sich der Rat der
Stadt Emmerich am Rhein im Rahmen der Aktion Seebrücke zum sicheren Hafen für
koordiniert zu verteilende Flüchtlinge erklären möchte. Weitere Informationen
zu diesem Thema ergeben sich aus dem Schreiben sowie aus der dort genannten
Homepage des Vereins „Mensch Mensch Mensch e.V.“ (www.seebruecke.org).
Das Projekt Sicherer Hafen/
Seebrücke stellt sich gegen die Abschottungspolitik Europas und setzt sich
dafür ein, dass Menschen auf der Flucht einen Ort zum Ankommen finden – einen
„sicheren Hafen“. Die Initiatoren der Seebrücke werfen insoweit der Bundes-
bzw. Europapolitik ein Versagen vor und rufen die Kommunen auf, sich für ein
sicheres Ankommen in einem neuen rechtlichen Rahmen einzusetzen. Die Homepage
enthält einen Katalog von insgesamt 11 Forderungen.
Bereits im vergangenen Jahr gab
es zwei ähnliche Eingaben an den Rat der Stadt Emmerich am Rhein, wobei die
erste von derselben Petentin stammte, die auch die aktuelle Eingabe verfasst
hat:
Eingabe Nr. 20/2019
- Beratung im Haupt- und
Finanzausschuss am 11.02.2020
o
Antrag wurde abgelehnt
mit 8 Stimmen für einen Beitritt zu vier von elf Forderungen der Seebrücke
/Sichere Häfen und 11 Gegenstimmen
- Beratung im Rat am 03.03.2020
o
Antrag wurde abgelehnt
mit 11 Stimmen für einen Beitritt zu vier von elf Forderungen der Seebrücke/
Sichere Häfen und 18 Gegenstimmen
Eingabe Nr. 5/2020
- Beratung im HFA (hier
Delegierung gem. § 60 Abs. 1 S. 2 GO NRW)
o
Antrag wurde abgelehnt
mit 8 Stimmen für einen Beitritt zu vier von elf Forderungen der Seebrücke/
Sichere Häfen und 11 Gegenstimmen
In der aktuellen Eingabe wird
darauf verwiesen, dass sich die Lage an der EU-Außengrenze nicht verbessert
habe. Die Migrationspolitik des Bundes- und des Landes wäre hier bisher nicht
erfolgreich gewesen, so dass vor dieser Erkenntnis eine Überprüfung der
Entscheidung des Vorjahres angezeigt sei und sich Emmerich am Rhein nun endlich
ein „Sicherer Hafen“ werden sollte. 235 Städte hätten den Forderungen der
Seebrücke bereits zugestimmt.
Das sind die elf Forderungen der
Initiative „Seebrücke“:
Öffentliche
Solidaritätserklärung
1. Die Stadt
erklärt sich mit Menschen auf der Flucht, der Seenotrettung und den Zielen der
Seebrücke solidarisch.
Einsatz
für sichere Fluchtwege und Unterstützung der Seenotrettung
2. Die Stadt setzt
sich für sichere Fluchtwege und das Ende der EU-Abschottungspolitik ein, damit
Menschen nicht mehr auf lebensgefährlichen Routen fliehen müssen.
3.
Die Stadt positioniert sich öffentlich gegen die
Kriminalisierung der zivilen Seenotrettung auf dem Mittelmeer und unterstützt
diese aktiv, beispielsweise mit Öffentlichkeitsarbeit, Patenschaften,
finanzieller Unterstützung oder der Beteiligung an einer Rettungsmission.
4. Die Stadt setzt
sich darüber hinaus aktiv für staatliche Seenotrettungsmissionen ein.
Aufnahme
von Menschen auf der Flucht
5. Die Stadt setzt
sich gegenüber dem Bundesland und der Bundesregierung für die Einrichtung neuer
bzw. für die deutliche Ausweitung bestehender Programme zur legalen Aufnahme
von Menschen auf der Flucht ein und bietet dazu selbst Aufnahmeplätze
zusätzlich zur Verteilungsquote (Königsteiner Schlüssel) an (Humanitäre
Aufnahmeverfahren des Bundes, insbes. Resettlement-Programm, und Programme der
Bundesländer nach §23 AufenthG).
6.
Die Stadt stellt Plätze für die schnelle und
unkomplizierte Aufnahme und Unterbringung von aus Seenot geretteten Menschen
zusätzlich zur Verteilungsquote von Schutzsuchenden bereit (z.B. im Rahmen
eines Dublin- oder Relocation-Verfahrens).
7. Die Stadt setzt
sich gegenüber dem Bundesland und der Bundesregierung für die Schaffung
rechtlicher und finanzieller Rahmenbedingungen ein, mit denen die Kommunen die
Aufnahme von Menschen auf der Flucht über die Verteilungsquote hinaus
tatsächlich selbstbestimmt realisieren können.
Kommunales
Ankommen und Bleiben gewährleisten
8. Die Stadt sorgt
für alle geflüchteten Menschen - unabhängig vom Fluchtweg - für ein
langfristiges Ankommen. Um ein gutes und sicheres Leben in der Kommune zu
gewährleisten, müssen alle notwendigen Ressourcen für eine menschenwürdige
Versorgung, insbesondere in den Bereichen Wohnen, medizinische Versorgung und
Bildung, und für die gesellschaftliche Teilhabe der Aufgenommenen zur Verfügung
gestellt werden.
9. Die Stadt tritt
für Bleibeperspektiven ein und setzt sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten gegen
Abschiebungen ein. Sie ist nicht nur Sicherer Hafen, sondern zugleich
Solidarische Stadt für alle Menschen.
Vernetzung
10. Die Stadt setzt
sich auf regionaler, nationaler und europäischer Ebene aktiv für die Umsetzung
der oben genannten Punkte ein. Dafür vernetzt sie sich mit anderen Städten und
tritt dem kommunalen Bündnis “Städte Sicherer Häfen” bei. Sichere Häfen setzen
sich in ganz Europa für eine menschenrechtskonforme europäische
Migrationspolitik und ein Ende der Abschottungspolitik ein.
Transparenz
11. Die Stadt
veröffentlicht alle unternommenen Handlungen.
Bislang haben sich bereits 241
Städte (120 waren es vor einem Jahr) den Forderungen der Seebrücke in sehr
unterschiedlichem Umfang angeschlossen. Aus dem Kreis Kleve hat sich
beispielsweise die Wallfahrtsstadt Kevelaer bereiterklärt die Forderungen zu 1,
6 und 11 zu erfüllen. Die Mehrzahl der teilnehmenden Städte hat ähnliche
Beschlüsse gefasst. Weitergehende Forderungen wie beispielsweise die
finanzielle Unterstützung der zivilen Seenotrettung, Bereitstellung personeller
Ressourcen oder Widerstand gegen bestehende Rechtsvorschriften werden meist
nicht unterstützt.
Die Verwaltung steht nach wie
vor auf dem Standpunkt, dass solange Menschen auf der Flucht im Mittelmeer
sterben, alle denkbaren politischen Anstrengungen unternommen werden müssen, um
dieses Drama zu lösen. Um der Bundesregierung diesen dringenden Handlungsbedarf
aufzuzeigen und um ein Signal für Humanität, für das Grundrecht auf Asyl und
für die Integration Geflüchteter zu setzen, wurde im Vorjahr im Zusammenhang
mit der erstmaligen Beantragung der Teilnahme vorgeschlagen, der Aktion
Seebrücke beizutreten, indem folgende Forderungen erfüllt werden.
Öffentliche Solidaritätserklärung
(Forderung 1):
Der Rat der Stadt Emmerich am
Rhein erklärt sich mit Menschen auf der Flucht, der Seenotrettung und den
Zielen der Seebrücke solidarisch.
Aufnahme zusätzlich zur Quote
(Forderung 6):
Der Rat der Stadt Emmerich am
Rhein stellt bis zu fünf Plätze für die schnelle und unkomplizierte
Aufnahme und Unterbringung von aus Seenot geretteten Menschen zusätzlich zur
Verteilungsquote von Schutzsuchenden bereit.
Im Jahr 2019 wurden der Stadt
Emmerich am Rhein insgesamt 43 Asylbewerber neu zugewiesen. Auf Basis dieses
Jahreswertes wurde eine Steigerung von 10% berechnet (4,3 aufgerundet 5
Personen). Sollten alle Kommunen bereit sein, zusätzliche 10% an zugewiesenen
Asylbewerbern aufzunehmen, dürfte dies einen wichtigen Beitrag zur
Problemlösung darstellen.
Vernetzung (Forderung 10):
Der Rat der Stadt Emmerich am
Rhein beschließt, dass sich die Stadt mit anderen Städten vernetzt und dem
kommunalen Bündnis „Städte Sicherer Häfen“ beitritt. Über dieses Bündnis werden
von den beteiligten Kommunen gemeinsame Hilfsangebote und Lösungsoptionen an
die zuständigen übergeordneten Landes- und Bundesbehörden unterbreitet, um
unbürokratische humanitäre Hilfe zu ermöglichen
Transparenz (Forderung 11):
Der Rat der Stadt Emmerich am
Rhein beschließt, dass alle unternommenen Handlungen veröffentlicht werden.
Die Stadt Emmerich am Rhein hat
eine lange Tradition Menschen aus unterschiedlichen Herkunftsländern eine neue
Heimat zu bieten. Großes ehrenamtliches Engagement hat hierzu einen erheblichen
Beitrag geleistet. Die Einwohner mit Migrationshintergrund können immer auch
als Bereicherung für die Stadt erlebt werden.
Gerne hat die Verwaltung in
diesem Jahr in Emmerich eine der deutschlandweit insgesamt 408 Familien
aufgenommen, die aus dem abgebrannten Lager in Moria stammt.
Die Vergangenheit hat insoweit
gezeigt, dass es keinen Zweifel darangeben kann, dass Emmerich am Rhein ein
„sicherer Hafen“ ist.
Den zurückliegenden Beschlüssen des Haupt- und Finanzausschusses bzw. Rates in selbiger Angelegenheit folgend, schlägt die Verwaltung vor, die Eingabe abzulehnen und dem Bündnis „Seebrücke – Sichere Häfen“ nicht beizutreten.
Finanz- und
haushaltswirtschaftliche Auswirkungen :
Die Maßnahme hat
keine finanz- und haushaltswirtschaftlichen Auswirkungen.
Leitbild :
Die Maßnahme steht
im Einklang mit den Zielen des Leitbildes Kapitel 6.2.
Peter Hinze
Bürgermeister