Betreff
Wohnsituation von Arbeitsmigranten aus Osteuropa;
hier: 4. Sachstandsbericht der Verwaltung
Vorlage
06 - 17 0279/2021
Art
Verwaltungsvorlage

Kenntnisnahme(kein Beschluss)

 

Der Haupt- und Finanzausschuss nimmt den Sachstandsbericht der Verwaltung zur Kenntnis.

 

 

Sachdarstellung :

 

Gem. Beschluss des Rates vom 26.02.2019 legt die Verwaltung halbjährlich einen Bericht über den Sachstand zur Wohnsituation von Arbeitsmigranten aus Osteuropa vor. Nach Vorstellung der ersten 3 Berichte am 25.06.2019, 03.12.2019 und 25.08.2020 schließt sich nunmehr der 4. Sachstandsbericht an.

 

Die aufgrund der Corona-Pandemie notwendige veränderte aufgabenbezogene Schwerpunktsetzung der Ordnungsbehörde ließ Ende des 2. Halbjahres 2020 die Vorlage eines Halbjahresberichtes nicht zu.

 

Der Arbeitskreis Osteuropa unter der Federführung des Ersten Beigeordneten tagte regelmäßig. Inzwischen finden auf operativer Ebene monatliche Dienstbesprechungen mit Sachbearbeitern und Leitungskräften der Ordnungsbehörde (FB 6) und der Unteren Bauaufsichtsbehörde (FB 5) statt. 

 

Der folgende Sachstandsbericht zu Entwicklungen und Maßnahmen im Zusammenhang mit der Wohnsituation von Arbeitsmigranten aus Osteuropa gliedert sich wie folgt:

 

I.      Rahmendaten

 

1.    Bevölkerungsentwicklung

2.    Anzahl der durch Uitzendbureaus genutzten Unterkünfte

 

II.    Maßnahmen auf ordnungsrechtlicher Ebene

 

1.    Infektionsschutzrecht

2.    Bauordnungsrecht

3.    Ordnungsrecht

 

III.   Maßnahmen auf informeller Ebene

 

Aufgrund der elternzeitbedingten vorübergehenden Vakanz der Stelle der Integrationsbeauftragten entfällt ein Sachstandsbericht zum Thema Integration. Die Ordnungsbehörde wird mit der Interims-Integrationsbeauftragten, Frau Dr. Matziari, den Informationsaustausch fortsetzen.

 

 

I. Rahmendaten

 

1. Bevölkerungsentwicklung

 

Zum 1. Mai 2021 hatte Emmerich am Rhein eine Einwohnerzahl (Hauptwohnung) von 32.204 Einwohnern. Davon hatten 9.378 Einwohner eine andere als die deutsche Staatsangehörigkeit. Dies ergibt einen Ausländeranteil von 29,17 Prozent.

Die Heimatländer der Arbeitsmigranten konzentrieren sich auf Süd-/Osteuropa, insbesondere auf Polen, Rumänien, die Slowakei, Ungarn und Bulgarien.

In Emmerich am Rhein wohnten am 01.05.2021 2.733 polnische, 645 rumänische, 188 slowakische, 178 ungarische und 60 bulgarische Personen. Im Zeitraum von 01.07.2020 bis 01.05.2021 hat sich die Gesamtzahl dieser Gruppe um 32 erhöht.

 

 

 

 

 

2. Anzahl der durch Uitzendbureaus genutzten Unterkünfte

 

Gem. der regelmäßig vorzulegenden Bewohnerlisten der Uitzendbureaus sind für die Sammelunterkünfte insgesamt 293 Personen erfasst. Die überwiegende Anzahl der Bewohner ist rumänischer Staatsangehörigkeit.

 

Die Verwaltung hat 30 Unterkünfte registriert, die von den Uitzendbureaus zur Unterbringung von Arbeitsmigranten gekauft oder angemietet worden sind. Die Anzahl hat sich gegenüber 2020 verringert, da zwei Immobilien nach Nutzungsuntersagung der Unteren Bauaufsichtsbehörde nicht mehr bewohnt sind. Die Nutzungsuntersagung einer weiteren Immobilie ist noch nicht rechtskräftig.

 

Die von Uitzendbureaus verwalteten Unterkünfte verteilen sich auf die einzelnen Ortsteile wie folgt:

 

Praest                                                                          3

Vrasselt                                                                       1

Leegmeer/Speelberg                                                  6

Innenstadt südlich der Bahnlinie (Zentrum)              10

Hüthum                                                                       2

Elten                                                                            8

 

Die Anzahl der von Uitzendbureaus genutzten Immobilien verteilt sich wie folgt: 

 

AtOZ Flex Housing B.V.                                               1

Horizon Groep                                                            24

BaBo Dienstverlening B V.                               1 / keine Fleischindustrie

Flex Team NRW GmbH                                               1 / keine Fleischindustrie

Möller U.G.                                                                   1

The Wiendels Group (TWG)                                         2

 

Die Bewohner in 2 Immobilien sind nicht in der niederländischen Fleischindustrie beschäftigt.

 

Die private Vermietung von Wohnungen an Arbeitsmigranten wird seitens der Ordnungsbehörde nur erfasst, wenn aufgrund von Beschwerden Sachverhaltsermittlungen erfolgen. Es sind inzwischen 31 privat vermietete Immobilien bekannt. Die tatsächliche Anzahl ist deutlich höher. Einige private Immobilienbesitzer haben mehrere Objekte an Arbeitsmigranten vermietet. Darüber hinaus ist zunehmend festzustellen, dass Personen aus Osteuropa sowohl zur Eigennutzung als auch zur Vermietung Immobilien erwerben.

                                   

 

II. Ordnungsrechtliche Ebene

 

1. Infektionsschutzrecht

 

Die Zahl der mit dem Coronavirus infizierten Arbeitsmigranten aus von Uitzendbureaus verwalteten Immobilien hat sich ab dem 2. Halbjahr 2020 erheblich verringert. Im 2. Haljbahr 2020 waren 3 Personen, im 1. Halbjahr 2021 bisher insgesamt 11 Personen infiziert. Aufgrund dessen wurden in 2021 für Bewohner von 3 Sammelunterkünften eine 14-tägige Quarantäne angeordnet.

 

 

 

 

 

Es liegen der Ordnungsbehörde nach wie vor keine Informationen über Infektionsschutz-maßnahmen in den niederländischen Fleischverarbeitungsbetrieben vor. Die Ordnungs-behörde ist nicht befugt, entsprechende Ermittlungen durchzuführen. So finden die auf Grundlage des Arbeitsschutzkontrollgesetzes v. 22.12.2020 erlassenen Gesetzesänderungen sowie die CoronaFleischwirtschaftVO v. 08.01.2021, die Regelungen zum Arbeitsschutz, zur Unterbringung in Sammelunterkünften und zum Transport zwischen Wohn- und Arbeitsstätte enthalten, nur auf deutsche Arbeitgeber bzw. in Deutschland beschäftigte Leiharbeitnehmer Anwendung. Die in den Niederlanden arbeitenden und in Deutschland wohnenden Leiharbeit-nehmer sind in diesem Regelungsbereich nicht erfasst.

 

Der Kreis Kleve hat vor diesem Hintergrund im November 2020 eine Allgemeinverfügung „Vermeidung möglicher von in Großbetrieben der niederländischen Fleischwirtschaft tatigen Zeitarbeitern ausgehenden Infektionen“ erlassen, deren Geltungsdauer bisher monatweise verlängert wurde. Diese Allgemeinverfügung verpflichtet die Uitzendbureaus zur Vorlage von Bewohnerlisten und zur regelmäßigen Durchführung von Corona-Tests in den Sammel-

unterkünften. Auf dieser Grundlage legen die Uitzendbureaus, deren Arbeitsmigranten in der Fleischindustrie beschäftigt sind, der Ordnungsbehörde auf Anforderung regelmäßig Bewohnerlisten vor. Eine regelmäßige Vorlage von Testergebnissen sämtlicher Bewohner erfolgt nicht. Gem. Mittelung der Vertreter der Horizon Groep werden die Leiharbeitnehmer regelmäßig in den niederländischen Fleischverarbeitungsunternehmen getestet. Allerdings würde das Uitzendbureau aus Datenschutzgründen nicht über die Testergebnisse informiert. Sofern ein Leiharbeitnehmer positiv getestet wurde, erfolgte bisher eine Mitteilung über die niederländische Gesundheitsbehörde an die Untere Gesundheitsbehörde des Kreises Kleve.

 

 

2. Bauordnungsrecht

 

Der Fachbereich 5 – Stadtentwicklung als Untere Bauaufsichtsbehörde ermittelt kontinuierlich hinsichtlich der baugenehmigungskonformen Nutzung der Immobilien und hat bauordnungsrechtliche Verfahren eingeleitet. Im Rahmen der bauordnungsrechtlichen Verfahren gilt es im Schwerpunkt festzustellen, ob es sich bei der Unterbringung der Leiharbeiternehmer/innen in den einzelnen Gebäuden um „Wohnen“ oder „Beherbergung“ handelt. In Abhängigkeit von dem Ergebnis der Überprüfung und der genehmigten Nutzung der jeweiligen Immobilie und der bauplanungsrechtlichen Qualifikation des Gebietes, ist zu entscheiden, ob die Nutzung zur Unterbringung von Leiharbeitnehmern fortgesetzt werden darf oder nicht.  Die Ermittlungen gestalten sich aufgrund der unterschiedlichen Vertragsverhältnisse und Ansprechpartner sehr aufwändig. Es findet eine enge Zusammenarbeit mit dem Fachbereich 6 – Bürgerservice und Ordnung als örtliche Ordnungsbehörde statt. Inzwischen wurde für 2 Immobilien eine Nutzungsuntersagung verfügt. Diese Immobilien in der Innenstadt und im Bereich Leegmeer/Speelberg stehen inzwischen leer. Die Nutzungsuntersagung in Bezug auf eine weitere Immobilie im Bereich Leegmeer/Speelberg ist noch nicht rechtskräftig.

 

Demgegenüber wurde ein bislang leerstehendes Mehrfamilienhaus in der Innenstadt zur Unterbringung von Arbeitsmigranten neu angemietet.

 

In Bezug auf 2 Immobilen, für die bereits 2019 ungenehmigte Nutzungsänderungen festgestellt worden sind, stellt sich der Sachstand der eingeleiteten und bereits im 1. und 2.  Sachstandsbericht unter b) und c) aufgeführten bauordnungsrechtlichen Verfahren wie folgt dar:

 

a)  Innenstadt – ungenehmigte Nutzungsänderung von vorhandenen Wohnräumen zu

     Beherbergungsräumen

 

Die Nutzung des Gebäudes wurde aufgegeben. Das Gebäude steht leer.

 

 

b)  Elten - ungenehmigte Nutzung bzw. Nutzungsänderung eines Wohngebäudes in Form

     der Vermietung von Gastzimmern an Arbeitsmigranten

 

Trotz Bestandskraft der bauordnungsrechtlichen Verfügung zur Untersagung der ungenehmigten Nutzung eines Wohngebäudes in Form der Vermietung von Gastzimmern an Arbeitsmigranten wird das Gebäude weiterhin bewohnt. Es sind im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens wiederholt Zwangsgelder gegen den privaten Eigentümer verhängt und vollstreckt worden. Inzwischen ist ein neues Baugenehmigungsverfahren anhängig.

 

3. Ordnungsrecht

 

a)    Wohnungsaufsicht

 

Die Ordnungsbehörde überprüft weiterhin regelmäßig für jede Immobilie, ob eine Überbelegung i.S. § 9 des Wohnungsaufsichtsgesetzes vorliegt. Als Grundlage werden die Wohnfläche und die Anzahl der Bewohner gem. Bewohnerliste herangezogen. Sofern aufgrund dessen Missverhältnisse zwischen Wohnfläche und Anzahl der Bewohner bestehen, erfolgt eine gemeinsame Überprüfung durch Mitarbeiter der Ordnungsbehörde (FB 6) und der Unteren Bauaufsichtsbehörde (FB 5) vor Ort. Inzwischen werden die Mitarbeiter der Stadtwerke zur örtlichen Überprüfung hinzugezogen.

 

Die intensive Nutzung führt zur Verschlechterung des Zustandes der Immobilien. Die Eigentümer beschränken sich auf die notwendigsten Instandhaltungsinvestitionen. Dies führt dazu, dass sich das äußere und innere Erscheinungsbild der Immobilien verschlechtert und diese zu verwahrlosen drohen. Der Zustand der Immobilien ist bisher allerdings nicht so, dass Wohnverhältnisse unzumutbar sind und die Nutzung auf Grundlage des Wohnungsaufsichtsgesetzes untersagt werden muss.

 

b)    Immissionsschutz

 

Nachbarschaften einzelner von Uitzendbureaus genutzten Immobilien wenden sich wiederholt an die Ordnungsbehörde mit Beschwerden über nächtliche Ruhestörung.

Hier appelliert die Ordnungsbehörde, nachts die Polizei zu rufen und Personalien auf-nehmen zu lassen, so dass die Ordnungsbehörde entsprechende Bußgeldverfahren einleiten kann. Darüber hinaus ist die Erstellung von Lärmprotokollen unabdingbar, die als Grundlage für die weitere Sachverhaltsermittlung und die ggfs. folgende Einleitung von Bußgeldverfahren dienen. Ansprachen der Ordnungsbehörde an die Vertreter der Uitzend-bureaus führen in der Regel dazu, dass Umzüge der Bewohner in andere Unterkünfte erfolgen.

 

 

III. Informelle Ebene

 

Die Verwaltung befindet sich in einem regelmäßigen Austausch mit übergeordneten Behörden und mit diesem Thema betrauten Institutionen. Weitere Rechtsnomen auf binationaler Ebene können jedoch nur durch nationale Gesetzgeber geschaffen werden. In diesem Zusammenhang hat die Verwaltung im Oktober 2020 im Rahmen einer Anhörung zu einem Antrag der SPD-Landtagsfraktion zum Thema „Grenzüberschreitende Leiharbeit“ umfänglich Stellung genommen.

 

 

 

 

 

 

a)    Arbeitskreis Problemimmobilien

 

Seit 2017 unterstützt das Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung des Landes Nordrhein-Westfalen (MHKBG) elf Städte im Rahmen eines Modellvorhabens beim Umgang mit verwahrlosten Immobilien. Seither sind durch einen begleitenden offenen Austausch Know-how und ein aktives Netzwerk zu allen Handlungsfeldern rund um verwahrloste Immobilien entstanden. Die Stadt Emmerich am Rhein hat seit 2019 als Gast an diesem Austausch teilgenommen.

Im Frühjahr 2021 hat das MHKBG damit begonnen, einen landesweiten Ausbau der Netzwerkaktivitäten über verwahrloste Immobilien für interessierte kleine und mittlere Städte und Gemeinden sowie die bei den Kreisen angesiedelten Unteren Bauaufsichtsbehörden zu initiieren.

 

Ziel ist u.a. die Unterstützung beim Aufbau regionaler Austauschnetzwerke, in denen die Städte, Gemeinden und Kreise gemeinsam mit- und voneinander Strategien im Umgang mit verwahrlosten Immobilien lernen.

 

Der Erste Beigeordnete, die Leiterin des FB 6 und die stellv. Leiterin des FB 5 haben an einer regionalen Online-Starterveranstaltung für die interessierten Städte, Gemeinden und Kreise im März 2021 teilgenommen. In 2021 sind drei weitere Veranstaltungen „Wissens-transfer Problemimmobilien“ vorgesehen.

 

 

b)    Modellprojekt zur Zuwanderung aus Südosteuropa

 

Aufgrund der Betroffenheit des Kreises Kleve durch die Zuwanderung aus Südosteuropa, insb. auch aufgrund der Nähe zu den Niederlanden, beabsichtigt das MHKBG NRW ein Modellprojekt zu dieser Thematik gemeinsam mit dem Kreis Kleve durchzuführen.

 

Es geht bei dem Projekt sowohl um ordnungsbehördliche als auch sozialintegrative Maßnahmen, abgestimmte zielgerichtete Vorgehensweisen aller Beteiligten bzw. um die Etablierung erfolgversprechender Strukturen.

 

Im Rahmen der ordnungsbehördlichen Maßnahmen ist erneut der Fokus auf Gemeinschafts- bzw. Sammelunterkünfte von Leiharbeiter/innen zu richten, die aus Südosteuropa kommen und in den Niederlanden beschäftigt sind,

 

Die Ordnungsbehörde hat hierzu auf Anfrage des MHKBG NRW zunächst entsprechende Daten zur Situation in Emmerich am Rhein zur Verfügung gestellt. Im Juli findet ein erster Austausch mit den betroffenen Kommunen des Kreises Kleve statt.

 

Finanz- und haushaltswirtschaftliche Auswirkungen :

 

Die Maßnahme hat keine finanz- und haushaltswirtschaftlichen Auswirkungen.

 

 

Leitbild :

Die Maßnahme steht im Einklang mit den Zielen des Leitbildes Kapitel 6.2.

 

 

 

Peter Hinze

Bürgermeister