Betreff
Gesundheitskarten für Migranten;
hier: Antrag der SPD-Fraktion an den Integrationsrat der Stadt Emmerich am Rhein
Vorlage
07 - 17 0666/2022
Art
Antrag

Beschlussvorschlag

 

Der Integrationsrat beschließt, dem Antrag der SPD-Ratsfraktion nicht zu folgen.

 

Sachverhalt :

 

Grundsätzlich sind die zu gewährenden Leistungen für Asylbewerberinnen bzw. Asylbewerber im Asylbewerberleistungsgesetz geregelt. Dies gilt insbesondere auch im Bereich der Gesundheitsversorgung. § 4 und 6 des Asylbewerberleistungsgesetzes sieht hier insbesondere eine Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände vor. Insoweit ist die Versorgung nicht 1:1 identisch mit der Versorgung eines Mitglieds der gesetzlichen Krankenversicherung.

Gerade zu Beginn des Aufenthalts in Deutschland geht der Gesetzgeber davon aus, dass sich schnell Änderungen in Aufenthaltsstatus der Flüchtlinge und Asylbewerber ergeben können. Aufgrund dieser Tatsache hat der Gesetzgeber eine Unterscheidung bei der Gesundheitsversorgung für die ersten 18 Monate des Aufenthaltes vorgesehen. Die ersten 18 Monate sind alleine die o.a. eingeschränkten Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz möglich. Nach 18 Monaten kann, wenn einige andere Voraussetzungen erfüllt sind eine sogenannte „Analogleistung“ gewährt werden, die auch eine komplette Gesundheitsversorgung beinhaltet. In solchen Fällen erhalten die Migranten dann eine Gesundheitskarte der Krankenversicherung, die identisch ist mit der eines Pflichtmitglieds. Der Arzt rechnet mit der Krankenversicherung ab und die Krankenversicherung rechnet mit der Asylstelle ab.

Bis zu diesem Zeitpunkt erhalten die Migranten bisher Behandlungsscheine. Diese werden grundsätzlich bei der monatlichen Scheckausgabe verteilt oder zugeschickt und versetzen den Migranten genauso wie eine Gesundheitskarte in die Lage direkt zum Arzt zu gehen. Bei chronisch oder schwerkranken Personen werden auch Quartalsscheine ausgegeben. Lediglich für eine Facharztbehandlung wird eine Überweisung des Hausarztes oder ein neuer Behandlungsschein benötigt. Der Arzt rechnet dann über die kassenärztliche Vereinigung mit der Asylstelle ab.

Seit über 5 Jahren steht den Kommunen für den Personenkreis der Migranten, die noch keine 18 Monate in Deutschland sind, alternativ zur Ausgabe von Behandlungsscheinen die Einführung von elektronischen Gesundheitskarten zur Verfügung. D.h. auch an die Neuankömmlinge könnten sofort Gesundheitskarten ausgegeben werden. Diese sind optisch zwar identisch mit den Gesundheitskarten für „normale“ Mitglieder einer Krankenversicherung, enthalten aber im Datensatz den Hinweis darauf, dass nur eingeschränkte Maßnahmen nach §§ 4 und 6 des Asylbewerberleistungsgesetzes durchgeführt werden dürfen. Insoweit unterscheidet sich der Leistungsumfang beider Formen (Behandlungsschein <> Gesundheitskarte NRW) nicht.

 

Für die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte für Asylbewerberinnen und Asylbewerber müssten Kommunen den entsprechenden Rahmenvereinbarungen zwischen den Krankenkassen und den Ländern beitreten. Hierfür ist ein entsprechender Ratsbeschluss erforderlich. Die Gegenüberstellung der Vor- und Nachteile zum Beitritt befinde sich regelmäßig bei der Verwaltung in der Überprüfung. Bisher wurde die Einführung für die Verwaltung nicht als sinnvoll erachtet. Mit dieser Einschätzung ist Emmerich nicht alleine. In den meistens Bundesländern gibt es erst gar keine solche Rahmenvereinbarung mit den Krankenkassen. In NRW sind der im Jahre 2015 entwickelten Rahmenvereinbarung bisher lediglich 24 der 396 Kommunen beigetreten (keine Kommune im Kreis Kleve) Das Land NRW, welches die Rahmenvereinbarung selbst initiiert hat, verzichtet ebenfalls darauf, die Gesundheitskarte in den Landesunterbringungseinrichtungen, in denen die Migranten oft monatelang untergebracht sind, auszugeben.

Die Ausgabe der Gesundheitskarte ist mit Kosten verbunden. Die Bereitstellung kostet einmalig 10,- € pro Person. Laufend fallen anschließend Verwaltungskosten der Krankenversicherung von 8 % der Leistungen (Beispiel: Kosten einer Entbindung 3.000,- € = Verwaltungskosten Krankenversicherung 240,- €), aber mindestens 10,- € pro Person und Monat an. Ohne die Kosten im Voraus genau ermitteln zu können, wäre auf Basis der Erfahrungswerte überschlägig mit ca. 25.000,- € im Jahr an zusätzlichen Verwaltungskosten zu rechnen ohne, dass sich der Leistungsumfang für die Migranten verändert. Dieser Verwaltungskostenersatz ist zudem dynamisch und wird sich regelmäßig erhöhen.

Die im Antrag angesprochene Abrechnung über die Krankenkassen bedeutet keine nennenswerte Entlastung für die Verwaltung, da die Krankenkassen anschließend mit der Verwaltung die Kosten in jedem Einzelfall abrechnen. Hier ist dann nicht die Rechnung des Arztes unmittelbar zu prüfen, sondern die Rechnung der Krankenversicherung, die mit dem Arzt abgerechnet hat. Die Einzelfallprüfung und -abrechnung bleibt bestehen.

 

Probleme gibt es auch in den Fällen, in denen die Migranten ihren Wohnsitz verlegen oder eine Arbeit aufnehmen und dies nicht rechtzeitig mitteilen. In Ermangelung einer Information über die Veränderung würde keine Chance bestehen, die Nutzung der Gesundheitskarte umgehend zu beenden. Das hätte zur Folge, dass die Stadt der Krankenversicherung die Kosten erstatten müsste auch wenn schon lange eine andere Kommune zuständig wäre oder eine Pflichtversicherung in einer anderen Krankenversicherung bestünde.

Der Abrechnungsaufwand für die Kommune ist insoweit beim Behandlungsschein und der Gesundheitskarte praktisch identisch. Wegfallen würde die Ausgabe der Behandlungsscheine und evtl. Prüfungen von Gesundheitsvorbehalten im Vorfeld der Ausgabe. Die bislang angewandte Gewährung von Gesundheitsleistungen in Form der Ausgabe von Behandlungsscheinen hat sich bisher bewährt. In Ermangelung einer deutlichen Reduzierung des Verwaltungsaufwandes und aufgrund der zusätzlichen Verwaltungskosten wurde bisher von der Umstellung zur elektronischen Gesundheitskarte abgesehen.

 

Aus den vorgenannten Gründen empfiehlt die Verwaltung dem Integrationsrat, den Antrag der SPD-Ratsfraktion nicht zu folgen.

 

Finanz- und haushaltswirtschaftliche Auswirkungen :

 

Die Maßnahme hat keine finanz- und haushaltswirtschaftlichen Auswirkungen.

 

 

 

Leitbild :

 

Die Maßnahme steht im Einklang mit den Zielen des Leitbildes Kapitel 6.2.

 

 

 

 

Peter Hinze

Bürgermeister