Betreff
Errichtung einer Freiflächen-Photovoltaikanlage Tackenweide
Vorlage
16 - 17 0942/2023
Art
Verwaltungsvorlage
Untergeordnete Vorlage(n)

Beschlussvorschlag

 

Der Rat der Stadt Emmerich am Rhein beschließt, den Bebauungsplan E 10/4 im Bereich der Flurstücke 340, 341 und 57, Flur 9, Gemarkung Emmerich zwecks Freihaltung der Frischluftschneise aufzuheben.

 

Sachdarstellung :

 

Die Flurstücke 340, 341 und 57, Flur 9, Germarkung Emmerich an der Tackenweide sind in Privatbesitz. In den letzten Jahren gab es immer wieder Gespräche zwischen der Verwaltung und dem Eigentümer zur baulichen Nutzung der Grundstücke. Die Entwicklungsvorstellungen scheiterten jedoch immer am Planungsrecht.

 

Abbildung 1: Flurstücke mit Vorhaben einer FFPV-Anlage im Kontext der Siedlungsstruktur.

 

 

Planungsrecht

Die Grundstücke liegen innerhalb des Bebauungsplans Nr. E 10/4.

 

Der ursprüngliche Bebauungsplan wurde 1983 rechtskräftig. 1990 wurden die betroffenen Grundstücke im Rahmen der 7. Änderung überplant. Teile der bisher „öffentlichen Grünfläche“ wurden als „private Grünfläche“ mit überbaubaren Grundstücksflächen mit Baugrenzen und als Maß der baulichen Nutzung eine Geschosszahl von I, einer GRZ von 0,6 und einer GFZ von 0,6 festgesetzt. Textlich festgesetzt wurde, dass eine Nutzung von Sport und Freizeiteinrichtungen nur in geschlossenen Gebäuden zulässig ist.

 

Die umliegenden Grundstücke gehören der Stadt Emmerich am Rhein. Dort setzt der vorgenannte Bebauungsplan öffentliche Grünflächen fest.

 

Die damals angedachte Tennishalle wurde nie verwirklicht. Heute bestehe kein Bedarf mehr an Sporthallen, so dass das Grundstück bisher seitens des Eigentümers nicht entwickelt wurde. Die Fläche wird derzeit landwirtschaftlich genutzt.

 

Zuletzt kam in Abstimmung mit der Stadt Emmerich der Wunsch auf, eine Freiflächen-Photovoltaik-Anlage (FFPV) auf den privaten Grundstücken zu errichten. Hierfür wäre eine Änderung des Bebauungsplans zu einem „Sondergebiet Freiflächen-PV-Anlage“ erforderlich. Allerdings steht der Änderung des Bebauungsplans das Klimaanpassungskonzept der Stadt Emmerich entgegen.

 

Klimaanpassungskonzept

Im Jahr 2016 wurde das Klimaanpassungskonzept als städtebauliches Entwicklungskonzept gem. § 1 Abs. 6 Nr. 11 BauGB beschlossen. Als städtebauliches Entwicklungskonzept ist das Klimaanpassungskonzept bei der Aufstellung von Bauleitplänen zu berücksichtigen.

 

Der geplante Standort der FFPV-Anlage konkurriert mit der im Klimaanpassungskonzept dargestellten Frischluftschneise. (siehe Abbildung 2).

 

Abbildung 2: Standort der FFPV-Anlage im Kontext der Frischluftschneise (Skizze).

 

Das Klimaanpassungskonzept führt hierzu folgendes aus:

Eine gute Belüftungssituation in der Stadt trägt wesentlich zur Qualität ihres Mikroklimas bei. Durch einen guten Luftaustausch können überwärmte Luftmassen aus dem Stadtgebiet abgeführt und durch kühlere aus dem Umland ersetzt werden. Weiterhin können mit Schadstoffen angereicherte Luftmassen durch Frischluft ersetzt und die vertikale Durchmischung der Luft erhöht werden. Aufgrund ihrer Lage, der geringen Oberflächenrauhigkeit bzw. des geringen Strömungswiderstandes und der Ausrichtung können einzelne Flächen im Stadtgebiet zu einer wirkungsvollen Stadtbelüftung beitragen.

 

Die Freiflächen zwischen Wohnbebauung und Gewerbegebiet im Nordosten von Emmerich liefern als Luftleitbahn einen wichtigen Beitrag zur Kühlung der Siedlungsbereiche während sommerlicher Hitzeperioden. Über den Anschluss an die parkartige Fläche des Emmericher Friedhofs gelangt kühle Luft bis weit in die überwärmten Bereiche hinein.

Die in der „Handlungskarte Klimaanpassung“ ausgewiesenen Frischluftschneisen und Luftleitbahnen sind aufgrund ihrer Bedeutung für die klimatische Situation im Bereich der Emmericher Innenstadt unbedingt zu erhalten. Sie können zu einer wirkungsvollen Stadtbelüftung beitragen. Zur Unterstützung der Funktion von Frischluftschneisen und Luftleitbahnen sollten hier die folgenden Maßnahmen eingehalten werden:

 

- Keine weitere Bautätigkeit

- Von Emittenten freihalten

- Randliche Bebauung sollte keine Riegelwirkung erzeugen

- Keine hohe und dichte Vegetation (Sträucher und Bäume) als Strömungshindernis im Bereich von Luftleitbahnen und Frischluftschneisen, keine Aufforstungen in diesen Bereichen

- Übergangsbereiche zwischen den Frischluftschneisen und der Bebauung sollten offen gestaltet werden, um einen guten Luftaustausch zu fördern.

 

Zur Unterstützung der Belüftungsfunktion wird der Erhalt und gegebenenfalls die Anlage zusätzlicher rauhigkeitsarmer Grünzonen im Umfeld der Luftleitbahn empfohlen.

 

Weitere Informationen lassen sich dem Klimaanpassungskonzept der Stadt Emmerich samt Anlagen entnehmen. (https://www.emmerich.de/de/inhalt/klimaschutzkonzept)

 

Abwägung

Mit der Festsetzung des Bebauungsplans mit einer Sporthalle und der Frischluftschneise aus dem Klimaanpassungskonzept stehen sich 2 Ratsbeschlüsse gegenüber. Spätestens im Bebauungsplanänderungsverfahren wäre zu klären, ob die Errichtung der FFPV-Anlage sich mittel- und langfristig derart schädigend auswirkt, dass das Vorhaben abgelehnt nicht realisiert werden kann. Zur Abwägung werden daher im Folgenden die wesentlichen Einflussfaktoren erläutert:

 

Bei dem Objektstandort handelt es sich um eine der wenigen Gebiete, der Innenstadt, die noch frei von Bebauung sind. Aus diesem Grund sind sie besonders schützens- und erhaltenswert. Eine FFPV-Anlage steht diesem Ziel grundsätzlich entgegen.

 

Gemäß Klimaanpassungskonzept besteht in unmittelbarer Nähe der geplanten Anlage (Industriegebiet, Wohnbebauungen) ein großes Gebiet mit Potenzial starker Hitzebelastung. Jegliche Potenziale, die zu einer besseren Durchlüftung führen, sind gerade in diesem Bereich auszuschöpfen.

 

Die bestehende Frischluftschneise liegt westlich des geplanten FFPV-Standorts. Dass eine derartige Anlage grundsätzlich den anströmenden Wind bremst und damit Auswirkungen auf die direkte Umgebung hat, liegt auf der Hand. Damit die Kosten der Unterkonstruktion so gering wie möglich gehalten werden, werden die Anlagen in Windrichtung aufgestellt. Hierdurch werden die negativen Auswirkungen auf die Luftleitbahnen vergleichsweise geringgehalten. Dies ist auch bei der Planung an der Tackenweide der Fall. Durch die Nord-Süd-Ausrichtung können Kaltluftströme vergleichsweise wenig gehindert durch die Anlage hindurch- oder darüber hinweg strömen. Quer zur Anlage ist von einer leicht reduzierten Windgeschwindigkeit auszugehen.

Aufgrund des südlich angrenzenden Waldes, wird insbesondere der unter der Anlage kanalisierte Luftstrom direkt in Richtung Wald geführt und dort abgebremst werden. Weiterhin wird durch die dunklen Solarmodule die Luft stärker erhitzt als es in der jetzigen Situation der Fall wäre. Die unmittelbare Waldnähe bedeutet jedoch ebenfalls, dass die erhitzte Luft dort aufgrund der hohen Transpirationsrate des Waldes, gen Atmosphäre abtransportiert wird. Dies geschieht allerdings nur, wenn eine ausreichende Wasserversorgung gegeben ist.

 

Laut Gutachten des Ingenieurbüros Lohmeyer (vom Investor beauftragt), wird der Strömungsquerschnitt der Frischluft reduziert, was jedoch keine direkte Auswirkung auf das Siedlungsgebiet haben soll (s. Anlage). Durch den verbleibenden Strömungsquerschnitt sind keine negativen Folgen hinsichtlich der Frischluftzufuhr im südwestlich gelegenen Wohngebiet zu erwarten. Einschränkungen ergeben sich allerdings im angrenzenden Gewerbegebiet.

 

Das Gutachten stützt sich auf VDI-Richtlinien, welche größtenteils „als grobe Abschätzung in Analogie“ angewandt wurden. Daher ist die Aussagekraft grundsätzlich als kritisch einzustufen. Genauerer Angaben zur Anwendung der Richtlinie, konnten nach Rückfrage beim Auftraggeber nicht rechtzeitig gegeben werden.

 

Zusammenfassend wird deutlich, dass Auswirkungen wahrscheinlich gering sein werden. Es bleibt jedoch die Gefahr, dass im Fall von starker Hitzebelastung, die Situation verschlechtert wird. Da sämtliche Prognose der Klimaentwicklung in der Regel zurückhaltender waren, als die Realität, möchte die Verwaltung darauf hinweisen, dass an dieser Fläche das Potenzial besteht, auf Nummer sicher zu gehen und dem Risiko von Todesfällen durch Hitze, mit einer entsprechenden Entscheidung in diesem Fall, bestmöglich Sorge getragen werden kann.

 

Die Fläche ist u.a. als private Grünfläche mit der Zweckbestimmung Sport- und Freizeiteinrichtung festgesetzt. Die derzeitige Bewirtschaftung - Grünfläche ohne hohe Strömungshindernisse - ist ideal für die Durchlüftung der in Windrichtung befindlichen Gebiete. Bei diesen Wuchshöhen ist der Luftwiderstand besonders gering.

 

Grundsätzlich ist dem Besitzer der Fläche freigestellt, Strömungshindernisse – auch in ökologisch wertvoller Form wie z.B. Hecken - zu errichten. Der derzeit noch festgesetzte Bau einer Sporthalle (o.Ä.) würde jedoch innerhalb eines Genehmigungsverfahrens im Rahmen der Abwägung sicherlich aufgrund o.g. Risiken verhindert werden.

 

Beim Vergleich der genehmigungsfreien Anpflanzung von Hecken zur genehmigungspflichtigen Errichtung der FFPV-Anlage, verdeutlicht, dass bezüglich der Erhaltung der Luftleitbahnen derzeit ein größerer Eingriff möglich wäre, als die FFPV-Anlage voraussichtlich verursachen würde.

 

Bei einer Anlagengröße von ca. 5.600m² kann ein jährlicher Stromertrag von ca. 555 MWh angenommen werden. Dies entspricht dem Strombedarf von etwa 370 Einwohnern. Würde hierdurch die Stromerzeugung durch Braunkohle entfallen, ergibt sich eine CO2-Einsparung in Höhe von 555 t, was dem CO2-Ausstoß von ca. 70 Erdumfahrungen entspricht – ein deutlicher Beitrag zur Reduzierung der Erderwärmung.

 

In Bezug des lokalen Stadtklimas gibt es in Emmerich am Rhein deutlich geeignetere und risikofreiere Standorte. Auch im Zusammenhang einer schnellen Umsetzung, sind andere Standorte grundsätzlich zu bevorzugen. Die geeignete Standortauswahl war bislang unzureichend gelöst, was dadurch belegt ist, dass in Emmerich am Rhein nur eine FFPV-Anlage zu verzeichnen ist.

 

Durch die kürzlich bauplanungsrechtlich umgesetzte Privilegierung von FFPV-Anlagen im Außenbereich, sind deutlich höhere Zubauquoten zu erwarten, da langanhaltende B-Planverfahren entfallen werden. Ob dies auch tatsächlich der Fall sein wird, wird sich in den kommenden Monaten zeigen (Auswirkung auf Genehmigungsverfahren, etc.).

 

In diesem Fall bleibt abzuwägen, ob der Ausbau erneuerbarer Energien - mit einem gewissen Risiko behaftet - unterstützt werden soll oder weiter auf einen besseren Standort gewartet wird.

 

 

Fazit

Aus den vorgenannten Gründen spricht sich die Verwaltung gegen die Errichtung der FFPV-Anlage auf dem Grundstück aus. Um das Planungsrecht entsprechend anzupassen, empfiehlt die Verwaltung die Teilaufhebung des B-Planes im Bereich der Frischluftschneise. Die Teilaufhebung des Bebauungsplans führt dazu, dass der betroffene Bereich planungsrechtlich dem Außenbereich zuzuordnen ist. Der Flächennutzungsplan stellt die Fläche bereits als Grünfläche dar. Dies wäre die Basis, um die Fläche dauerhaft als Grünfläche im Sinne der Frischluftschneise zu erhalten. 

 

 

Finanz- und haushaltswirtschaftliche Auswirkungen :

 

Die Maßnahme hat keine finanz- und haushaltswirtschaftlichen Auswirkungen.

 

 

Leitbild :

 

Die Maßnahme steht im Einklang mit den Zielen des Leitbildes Kapitel 3.1.

 

 

 

In Vertretung

 

 

 

Dr. Wachs

Erster Beigeordneter