Betreff
Kommunale Wärmeplanung;
hier: Antrag Nr. II/2023 an den Rat der Stadt Emmerich am Rhein
Vorlage
16 - 17 1068/2023
Art
Verwaltungsvorlage

Beschlussvorschlag

 

Der Rat der Stadt Emmerich am Rhein beschließt, die Fördermittel der kommunalen Wärmeplanung mit dem Fördersatz von 90 % zu beantragen. Gleichwohl soll die Abrufung der Mittel den aktuellen Gegebenheiten (u.a. Gesamtprojektkosten, aktuelle Situation der Datenqualität, …) angepasst werden. Entsprechende Mitteilungen zur weiteren Vorgehensweise sollen hierzu im Ausschuss für Umwelt und Klimaschutz getätigt werden.

 

 

Sachdarstellung :

 

Die BGE-Fraktion hat richtigerweise festgestellt, dass sich die Verwaltung mit dem Thema der kommunalen Wärmeplanung intensiv beschäftigen sollte.

Falls dies nicht der Fall sein sollte, ist die Beauftragung durch den Rat zur Abrufung der Fördermittel der Nationalen Klimaschutzinitiative (90 %!) bis zum 31.12.2023 anzustreben.

 

 

Was ist „kommunale Wärmeplanung“ (kWP)?

 

Die kWP ist eine kommunale Aufgabe und unterstützt kommunale Entscheidungsprozesse, die notwendig sind, um eine Dekarbonisierung der Wärmeversorgung sicherzustellen. Dazu wird für ganze Kommunen, Stadtteile und Quartiere aus einer übergreifenden Perspektive heraus eine räumliche Planung für eine klimaneutrale Wärmeversorgung aufgestellt. Dies erfolgt i.d.R. mit Unterstützung durch ein geeignetes Ingenieurbüro. Die Ergebnisse dieser strategischen Wärmeplanung müssen in die kommunalen Planungs- und Verwaltungsprozesse integriert werden, damit u. a. die notwendigen Flächen für die kommunale Wärmewende sichergestellt werden. Hierzu gehören z. B. Leitungstrassen, Flächen für saisonale Wärmespeicher, Heizzentralen, solarthermische Großanlagen oder die Erschließung von Umweltwärmequellen. Die kWP ist damit besonders relevant für die Raumplanung.

 

Die kWP umfasst mehrere Schritte:

1.                  Erfassung sowie Darstellung des Wärme- sowie Kältebedarfs inklusive der bestehenden Wärmeversorgungsstrukturen.

2.                  Analyse der Energieeffizienzpotenziale und Ermittlung der Möglichkeiten zur stärkeren Nutzung lokal verfügbarer Potenziale von nicht vermeidbarer Abwärme und erneuerbaren Energien.

3.                  Entwicklung eines Zielbilds, wie die im Jahr 2045 benötigte Wärme- und Kälteversorgung klimaneutral sichergestellt werden kann und welche Szenarien zur Zielerreichung entwickelt werden können. Dies soll in Form von räumlichen Plänen verdeutlicht werden.

4.                  Darstellung des Entwicklungspfads zur Zielerreichung und der erforderlichen Umsetzungsschritte inklusive der eventuellen Transformation bestehender Wärme-, Kälte- sowie Gas- und Stromnetze.

 

Die Verwaltung hat sich bereits mit Erscheinen der Förderrichtlinie (Ende 2022) sowohl mit den Inhalten dieser, als auch mit den Aufgaben und Zielen der kommunalen Wärmeplanung beschäftigt. Ein intensiver Austausch mit anderen Kommunen und verschiedenen Fördermittelberatungsstellen (Kommunalagentur, Agentur für kommunalen Klimaschutz, Energy4Climate) hat dabei ebenfalls stattgefunden. Auch mit unseren Stadtwerken ist man im Gespräch.

 

Am 13.7.2023 wird sich die Verwaltungsspitze mit dem FB 5 und den Stadtwerken durch Energy4Climate zu einer zielgerichteten strategischen Vorgehensweise austauschen. Dabei werden auch die aktuellen Rahmenbedingungen beleuchtet, die sich derzeit regelmäßig ändern. Im Bedarfsfall wird hierzu im Ausschuss für Umwelt- und Klimaschutz berichtet.

 

 

Kritik an der kWP

Dass die kWP vielfältige Anknüpfungspunkte z.B. zur nachhaltigen Stadtentwicklung hat, ist unstrittig. Allerdings besteht heute noch gemäß Umweltbundesamt (UBA, Kurzgutachten vom Februar[1] 2022) Klärungsbedarf, wie konkret die kWP in anwendungsfähige Instrumente und Verfahren überführt werden können. Des Weiteren werden Handlungs- sowie Forschungsbedarfe für die konkrete Ausgestaltung der kWP in der Praxis formuliert. Dabei geht es unter anderem um „die Steigerung der Verbindlichkeit, um die Einbettung des Instruments in die Stadtentwicklungspraxis und die Verknüpfung mit anderen Instrumenten, Strukturen und Prozessen sowie die Schaffung geeigneter Rahmenbedingungen, um die Umsetzung der kommunalen Wärmeplanung in den Kommunen bestmöglich zu unterstützen“ (UBA, 2022).

 

 

Zur Abwägung der Antragsstellung der Förderrichtlinie

Zwar wirkt die Förderquote von 90 % auf den ersten Blick sehr attraktiv. Dennoch gibt es in diesem Zusammenhang einige kritische Aspekte zu berücksichtigen:

 

  1. Vergleichsweise lange Bearbeitungszeiträume des Förderantrags
    • Der Zeitraum zwischen Antragsstellung und Bewilligung beträgt bei dieser Förderrichtlinie etwa 5-6 Monate. Bislang haben erst 5 Kommunen eine Bewilligung erhalten.
    • Fördermittelberater der Kommunalagentur haben daher bereits im Frühjahr davon abgeraten, noch einen Fördermittelantrag zu stellen. Irritierenderweise hat Ende Mai die Agentur für kommunalen Klimaschutz sich allerdings wiederum für die Antragsstellung ausgesprochen, weswegen erneut eine Abfrage der Planungen der kWP in unseren kreisangehörigen Kommunen durchgeführt wurde. Dabei hat sich herausgestellt, dass in Goch und Kleve Ende Mai noch entsprechende Anträge gestellt wurden.
  2. Hohe Wahrscheinlichkeit der Ablehnung des Antrags
    • Sobald die kommunale Wärmeplanung zur kommunalen Pflichtaufgabe wird, ist eine Bewilligung der Fördermittel ausgeschlossen
    • Der derzeitige Entwurf des neuen Gebäudeenergiegesetzes sieht die Pflicht einer bestehenden kWP für eine Kommune unserer Einwohneranzahl für das Jahr 2028 vor. Noch ist nicht klar, was dies im Fall der Bewilligung der Fördermittel bedeutet. Die bedeutende Frage dabei ist, ob eine Kommune mit Zuwendungsbescheid und der Pflicht, die kWP für 2028 fertiggestellt zu haben, bei der vorzeitigen Umsetzung der kWP (z.B. bis 2026), die Fördermittel nutzen darf. Aus diesem Grund wissen einige Kommunen mit vorliegendem Zuwendungsbescheid noch nicht, wie sie weiter vorgehen werden. Im worst-case muss bei begonnenen Projekten und anschließender Entstehung der Pflichtaufgabe die Finanzierung zu doch selbst gestemmt werden.
  3. Die oben genannte Kritik des UBA zeigt, dass die kWP noch nicht ausgereift ist.
    • Würde die Stadt Emmerich jetzt ein Konzept erstellen lassen, ist die Wahrscheinlichkeit von einer vergleichsweise unzureichenden Datenqualität sehr hoch. Aus einer kreisangehörigen Kommune wurde berichtet, dass beispielsweise der Datenschutz bezüglich der Daten der Schornsteinfeger in einigen Fällen noch eine relevante Hürde darstellt.
    • Internen Informationen zufolge, wurde der hohe Fördermittelsatz genau aus dem Grund ausgewählt, damit sich die ein oder andere Kommune überhaupt auf dem Weg macht, dieses noch recht ungewisse Projekt zu starten. Aus diesem Grund werden in den kommenden Monaten in NRW 5 Pilotkommunen aktiv von der Landesenergiegesellschaft Energy4Climate unterstützt.
  4. Extrem abweichende Gesamtkosten des Konzepts
    • Ingenieurbüros wissen um die Knappheit qualifizierter Beratungsstellen und kennen die bestehende Fördermittelsituation. Aus diesen Gründen gehen die Kostenvoranschläge weit auseinander. Vergleichsweise kleine Kommunen in NRW berichten von Angeboten zwischen 90.000€ und 160.000€.
    • Ein weiterer Grund der hohen Schwankung kann jedoch auch sein, dass die Ingenieurbüros selbst noch keine Klarheit über die bevorstehenden Aufgaben haben.
    • Trotz hoher Förderquote sollte insgesamt gut überlegt werden, ob die Fördermittel und der Eigenanteil einen angemessenen Preis haben und damit die Steuergelder der Bürgerschaft auch gewissenhaft eingesetzt werden.

 

Die NKI-Förderung ist daneben nicht das einzige Förderangebot, welches in diesem Zusammenhang besteht. Einen etwas anderen Weg geht beispielsweise die Stadt Rees. Hier wird der Fokus auf das Abrufen der Fördermittel der KfW angestrebt. Dabei werden Quartierskonzepte mit bis zu 75% gefördert. Auch ein Sanierungsmanager ist förderbar. Aus den Quartierskonzepten kann dann ein geeignetes Ingenieurbüro die kommunale Wärmeplanung ableiten.

 

Fazit

Bei der Umsetzung der kWP in Emmerich am Rhein ist eine wichtige Aufgabe, die in den kommenden Jahren zu erfüllen ist. Ob dabei grundsätzlich die Beantragung sowie Abrufung der von der BGE-Fraktion empfohlenen Fördermittel der richtige Weg ist, stellt die Verwaltung mit derzeitigem Kenntnisstand in Frage. Eine Antragstellung hingegen wird befürwortet. Wenn sich die Politik dafür entscheidet, dass die Antragstellung sowie der Versuch zur Abrufung der Mittel unternommen werden soll, ist zu berücksichtigen, dass dies nur geschehen soll, sofern sichergestellt ist, dass die Mittel auch tatsächlich garantiert sind. Weiterhin wären die Ergebnisse eines Konzepts sicherlich von einigen Mängeln bei der Datenbeschaffung betroffen.

 

Die Verwaltung empfiehlt aus diesem Grund, den Antrag auf Bewilligung zu stellen. Allerdings soll im Fall einer Bewilligung nach aktuellem Kenntnisstand entschieden werden, ob die Inanspruchnahme der Fördermittel auch tatsächlich erfolgen soll.

Die Verwaltung wird im Ausschuss für Umwelt- und Klimaschutz dazu im Rahmen einer Mitteilung berichten.

 

 

Finanz- und haushaltswirtschaftliche Auswirkungen :

 

Im Fall der Umsetzung wird die Maßnahme den Haushalt 2024 mit ca. 30.000€ (prognostizierter Eigenanteil sowie Kosten für die Datenbeschaffung) belasten.

 

 

Leitbild :

 

Die Maßnahme steht im Einklang mit den Zielen des Leitbildes Kapitel 3.1

 

 

 

Peter Hinze

Bürgermeister