hier: Antrag Nr. IV/2023 an den Ausschuss für Umwelt und Klimaschutz
Beschlussvorschlag:
Der Rat der Stadt Emmerich am Rhein beschließt, für diese Maßnahme derzeit keine Haushaltsmittel zur Verfügung zu stellen. Die Verwaltung wird mit der Prüfung beauftragt, ob alternative Informationsmöglichkeiten für die Bürger gefunden werden unter der Voraussetzung, dass die entsprechenden personellen Ressourcen vorhanden sind.
Sachdarstellung :
Überblick
Wie bereits in anderen
Vorlagen dargestellt, fußt die Energiewende und die Reduzierung der
THG-Emissionen auf dem Ausbau erneuerbarer Energien – insbesondere dem
PV-Ausbau.
Auch gemäß dem
kürzlich veröffentlichten Klimaschutzpaket 2023 der Landesregierung, muss
deutlich mehr Tempo beim PV-Ausbau betrieben werden.
Grundsätzlich werden
PV-Anlagen wie folgt unterschieden:
-
Dachanlagen (derzeit lange Wartezeiten durch fehlende Fachkräfte)
-
Balkonanlagen (bislang nicht in Emmerich unterstützt)
-
FFPV-Anlagen (Bürgeranlage geplant)
-
Weitere Sonderformen wie Agri-PV, Floating-PV,
Moor-PV, … (derzeit kein Projekt in Emmerich in Aussicht)
Aufgrund etlicher
Bürgerförderprogramme und auch der Vermarktung derlei Anlagen über Discounter,
haben Balkonanlagen in den vergangenen Jahren einen großen Bekanntheitsgrad
erreicht. Da auch im Kreis Kleve viele Förderprogramme aufgelegt wurden, war
die Nachfrage in Emmerich ebenfalls groß.
Was sind Balkonsolaranlagen?
Bei sogenannten,
Balkonkraftwerken, Balkonsolaranlagen, steckerfertigen Solaranlagen,
Steckersolaranlagen oder auch Mini-Solaranlagen, handelt es sich um kleine
Solaranlagen, welche an einen Balkon, die Fassade, auf der Garage oder im
Garten angebracht werden können. Sie sind ohne Elektrofachkraft installierbar
und müssen steuerlich nicht berücksichtigt werden, weil die Einspeisevergütung
und dessen Versteuerung ausbleiben. Die Anlagen dienen grundsätzlich der
Deckung der Grundlast, d.h. dem ständigen Verbrauch von z.B. Standby-Geräten,
Router und Kühlschrank. Dazu darf die installierte Leistung derzeit maximal 600
W betragen, die über den Wechselrichter ausgegeben werden dürfen. Dies
entspricht in der Regel 2 Solarmodulen.
Derzeit kostet eine
Anlage mit Befestigungsmaterial etwa 700-800 €.
Ausführungsbeispiele (Quelle: Kirchner)
Ökologische und energetische Bewertung
Dass PV-Anlagen
ökologisch oder energetisch unsinnig sein könnten, kann heute klar verneint
werden. So hat sich eine Solardach-Anlage laut Fraunhofer ISE im Schnitt nach
ca. 0,5 bis 1,5 Jahren energetisch amortisiert. Zudem enthalten die PV-Module
keine Rohstoffe weltweiter Knappheit oder welche, die in der Beschaffung
problematisch sein könnten. Aus diesem Grund sind sie bei einer späteren
Entsorgung auch kein Sondermüll.
Laut Umweltbundesamt (https://www.umweltbundesamt.de/themen/klima-energie/erneuerbare-energien/photovoltaik#%C3%96kobilanz) entstehen bei einer Nutzungsdauer von 30
Jahren durch die Herstellung, den Betrieb und die Entsorgung einer
Photovoltaikanlage rechnerisch Emissionen in Höhe von ca. 50 g CO2-Äquivalenten/kWh.
Da durch diese Anlagen jedoch die Emissionen anderer Energieträger vermieden
werden (in Deutschland größtenteils von Kohle- und Gaskraftwerken), werden
insgesamt über 700 g CO2-Äquivalente pro Kilowattstunde eingespart.
Bei einer Steckersolaranlage werden so über die Nutzungsdauer über 8 t CO2
eingespart. Das entspricht etwa den Emissionen, die ein Kraftfahrzeug
verbraucht, wenn es einmal die Erde umfahren würde.
Sicherheit
Das Thema Sicherheit
muss bei Steckersolaranlagen selbstverständlich gewährleistet sein. Dabei ist
grundsätzlich zu beachten, dass es sich bei Steckersolaranlagen um Geräte mit
600 Watt Leistungsabgabe handelt. Dies entspricht deutlich weniger als die
Leistungsaufnahme eines Föhns.
Besonders
hervorzuheben sind im Bezug zu Steckersolaranlagen dennoch zwei aktuelle
Diskussionsgegenstände: die Frage nach dem sicheren Stecker und der sicheren
Installation in bestehende Stromkreise.
Glücklicherweise gibt
es in diesem Zusammenhang eine umfassende Studie, welche 60 Jahre alte
Elektroinstallationen in Verbindung mit Steckersolaranlagen geprüft hat („Untersuchung der Beeinflussung der
Schutzkonzepte von Stromkreisen durch Stecker-Solar-Geräte“ - PI Photovoltaik-Institut Berlin). Das Fazit
daraus ist, dass Steckersolaranlagen bis 600 W unter Einhaltung der
Sicherheitsstandards sicher und ohne Einschränkungen in vorhandene
Haushaltssteckdosen einspeisen können.
Der sichere Stecker
Für viel Unsicherheit sorgen in diesem Fall VDE-Normen
(DIN VDE V 0100-551 und DIN VDE V 0100-551-1), welche eine spezielle
Energiesteckvorrichtung empfehlen. Viele relevante Akteure haben das Thema
Sicherheit ebenfalls beleuchtet und kommen zu anderen Ergebnissen:
Die Verbraucherzentrale
NRW empfiehlt ausdrücklich, sich an den Sicherheitsstandards der Deutschen
Gesellschaft für Sonnenenergie (DGS 0001) zu
orientieren[1] und berichtet, dass einige Regeln und
Anforderungen derzeit noch unnötig kompliziert seien. Unter Berücksichtigung
der Sicherheitsstandards der DGS 0001 ist die Nutzung einer vorhandenen Schuko-Steckdose
(siehe Abbildung) absolut zulässig.
Im Frühjahr 2023 hat
sich in diesem Zusammenhang der Präsident der Bundesnetzagentur auf Twitter zu
dem strittigen Thema geäußert: „Bei Balkon #Solarmodulen reicht nach @BNetzA
Einschätzung ein einfacher #Stecker, wenn zertifizierte #Wechselrichter
vorhanden sind“.[2] Dasselbe wurde jetzt auch vom VDE (Verband der
Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik e. V.) bestätigt. (VDE
„duldet“ Schuko-Stecker bei Photovoltaik-Balkonmodulen – pv magazine
Deutschland (pv-magazine.de)).
Der sichere Stromkreis
Mit Szenarien wie
„Kabelbrand“ nach einer Installation einer Balkonanlage wird teilweise ein
ungerechtfertigtes Risiko vermittelt. Solange die Hausinstallation auf einem
aktuellen Stand ist und die Empfehlungen der Verbraucherzentrale NRW eingehalten werden, sind die Anlagen
sicher.
Die DGS hat ebenfalls
geprüft, ob in einem Schadensfall die Produkthaftung des Herstellers greift.
Dies trifft zu, sofern der DGS-Standard sowie die Herstellerangaben befolgt
wurden.
Die öffentlichen
Diskussionen im Frühjahr 2023 haben ergeben, dass derzeit an grundlegenden
Änderungen für die Inbetriebnahme von Balkonkraftwerken gearbeitet wird. So
sollen zukünftig 800 W die bisherige Obergrenze von 600 W ersetzen. Zusätzlich
soll die Meldung beim Netzbetreiber entfallen[3]. Internen Informationen zufolge soll dies im
Frühjahr 2024 geschehen.
Welche Vorteile ergeben sich aus der Förderung?
-
Wichtiger
Schritt zur Erfüllung des Klimaschutzgesetzes
-
Wichtiger
Schritt zur Erfüllung unseres Klimaschutzkonzepts
-
Klares
Zeichen seitens Stadt, die Energiewende zu unterstützen und die Bürgerschaft
dabei zu ermutigen und unterstützen
-
Möglichkeit,
Mietende aktiv an der Energiewende teilhaben zu lassen
-
Möglichkeit,
auch gering verdienende Bürger*innen an der Energiewende zu beteiligen
-
Nachahmeffekte
in Nachbarschaft, Verwandten- und Freundeskreisen
-
Verlieren
von Berührungsängsten mit dem Thema PV
-
Bereitschaft,
anschließend in eine größere Anlage zu investieren
-
Anregung
zur Weiterbildung der Bürger*innen im Rahmen der Beschaffung der Anlage
-
Auseinandersetzen
mit dem eigenen Stromverbrauch im Rahmen des durch die Anlage ermöglichten
Echtzeit-Monitorings per App
-
Eingesparte
Kosten kommen der Stadt durch Stärkung der Kaufkraft zugute
-
Effizientes
Arbeiten durch Adaption der Prozesse und Förderrichtlinien anderer Kommunen
möglich
Rahmenbedingungen zur Förderung
Viele Kommunen im
Kreis Kleve fördern bereits Balkonkraftwerke zu unterschiedlichen Konditionen
(100 € bis 500 € bei einem Fördertopf von 10.000 € bis 60.000 €). Dabei hat
sich herausgestellt, dass die Förderung eines Fixbetrages (z.B. 250 €) deutlich
praktikabler ist, als für jede geförderte Anlage eine Förderhöhe zu ermitteln,
wie es bei einer prozentualen Förderquote der Fall wäre (ständig neu zu
berechnende Förderhöhen statt weitestgehend standardisiertes Formular).
Aus eigener Erfahrung
kann berichtet werden, dass aufgrund des entstehenden Aufwands seitens
Antragstellenden eine Mindestförderhöhe von 200 € angebracht ist. Folgende
Tabelle stellt die prozentuale Förderhöhe in Abhängigkeit des absoluten
Förderbetrags und Modulpreises dar. Sie dient der Einschätzung, welche
Fördersumme passend ist.
Modulpreis
(Annahme) |
Resultierende
Förderquote bei 200 € Förderung |
Resultierende
Förderquote bei 250 € Förderung |
Resultierende
Förderquote bei 300€ Förderung |
Bemerkung |
600 € |
33 % |
41% |
50 % |
Modulpreis eher unrealistisch |
700 € |
28 % |
36 % |
42 % |
|
800 € |
25 % |
31 % |
38 % |
|
900 € |
22 % |
28 % |
33 % |
|
Damit sich der Aufwand
und die Einarbeitung in das Thema seitens Bürgerschaft lohnt, empfiehlt die
Verwaltung, die Förderhöhe von 300 €.
Unter Berücksichtigung
der bestehenden Haushaltssituation, der in den vergangenen Jahren getätigten
Investitionen in Klimaschutzprojekte, der Umsetzung der Maßnahmen, den Zielen
unseres Klimaschutzkonzepts und dem aktuell akuten Handlungsbedarf, wird ein
Fördervolumen in Höhe von 45.000 € angestrebt. Hierdurch wird beabsichtigt,
dass nicht nur die schnellsten Antragsteller, sondern auch diejenigen, die sich
zunächst mit der Thematik befassen wollen und erst nachfolgend einen Antrag
stellen können, ebenfalls einen Zuschlag erhalten.
Mit dem Fördervolumen
können insgesamt 150 Anlagen gefördert werden. Dies würde eine jährliche CO2-Einsparung
von gut 25 t bedeuten und entspricht etwa 0,03 % des jährlich gesetzten Ziels
der Reduktion der CO2-Emissionen im Stadtgebiet (knapp 90.000 t/a (siehe
Integriertes Klimaschutzkonzept der Stadt Emmerich am Rhein, S. 116)[4]. Die Skaleneffekte, welche sich durch
Nachahmung im Nachbar-, Bekannten- und Freundeskreis ergeben, sind dabei nicht
berücksichtigt, da diese nur schwer messbar sind. Allerdings zeigt die
Erfahrung, dass gerade hierdurch ein weiterer, entscheidender Beitrag geleistet
wird.
Des Weiteren besteht
Diskussionsbedarf zu den Antragsberechtigten. Einige Kommunen schließen dabei
die Installation auf Einfamilienhäusern aus. Bislang hat die Stadtverwaltung
dieses Vorgehen ebenfalls befürwortet. Da jedoch aus verschiedenen Quellen
berichtet wurde, dass für einige Einfamilienhausbesitzer die Balkonanlage der
Einstieg in die PV-Welt ist und kurz darauf große Anlagen installiert wurden,
wird empfohlen, diese Kategorie nicht explizit auszuschließen, sondern nur,
falls im Bestand bereits eine PV-Anlage existiert. Damit besonders Mietende
unterstützt werden, ist eine maximale Quote von z.B. 50 % Einfamilienhäusern
zielführen.
Um den Arbeitsaufwand
möglichst gering zu halten und der Papierverschwendung zuvorzukommen, wird
beabsichtigt, die Abwicklung ausschließlich digital durchzuführen. In Rees hat
sich dieses Vorgehen bewährt.
Die oben genannte
Anhebung der zulässigen durch den Wechselrichter eingespeisten Strommenge in
Höhe von 800 W will die Verwaltung im Rahmen des Förderprogramms für 2024
berücksichtigen. Der Start des Förderprogramms soll daher erst dann beginnen,
wenn die Einspeisung von 800 W erlaubt ist. Sollte sich allerdings herausstellen,
dass es zu größeren zeitlichen Verzögerung der Anhebung kommt, möchte die
Verwaltung kurzfristig die Entscheidung treffen, das Förderprogramm mit der 600
W-Grenze zu starten.
Die Leiterin der
Stabsstelle 16 Umwelt und Klima wird voraussichtlich im Dezember 2023 durch
Mutterschutz und Elternzeit im Jahr 2024 nicht zur Verfügung stehen. Aus diesem
Grund soll die Umsetzung der Förderung durch eine noch einzustellende
Elternzeitvertretung erfolgen. Hierdurch begründet sich ein weiterer Faktor,
welche den Start des Förderprogramms maßgebend beeinflussen wird.
Entwurf der Richtlinie
Ein erster Entwurf der
Richtlinie, sowie weitere relevante Dokumente (Leitfaden, Antragsformular) sind
als Anlage beigefügt. Diese sind durch Empfehlungen/Vorlagen der Bezirksregierung
und einiger Kommunen des Kreises Kleve entstanden. Geringfügige gestalterische
und inhaltliche Änderungen, die zur sachlichen Richtigkeit der Dokumente führen
und keine gravierende Auswirkung auf den Gesamtkontext haben, sowie notwendige
Ergänzungen, welche sich im Rahmen der Ausschusssitzungen ergeben, werden vor
Veröffentlichung final geprüft und ergänzt.
Anmerkung:
Der Ausschuss für
Umwelt und Klimaschutz ist in seiner Sitzung am 22.08.2023 dem
Beschlussvorschlag der Verwaltung mehrheitlich (13 Dafür, 2 Dagegen, 0
Enthaltungen) nicht gefolgt. Der ursprüngliche Beschlussvorschlag lautete: Der
Rat der Stadt Emmerich am Rhein beschließt, die Fördermittel der kommunalen
Wärmeplanung mit dem Fördersatz von 90 % zu beantragen. Gleichwohl soll die
Abrufung der Mittel der aktuellen Gegebnheiten (u.a Gesamtprojektkosten,
aktuelle Situation der Datenqualität, …) angepasst warden. Entsprechende
Mitteilungen zur weiteren Vorgehensweise sollen hierzu im Ausschuss für Umwelt
und Klimaschutz getätigt werden. Der neue Beschlussvorschlag ist oben
abgebildet.
[3] Nähere
Informationen: https://www.verbraucherzentrale.de/wissen/energie/erneuerbare-energien/steckersolar-solarstrom-vom-balkon-direkt-in-die-steckdose-44715
[4] Zum Vergleich: Würden stattdessen Bäume gepflanzt werden, müssten für
gleiche CO2-Minderungsraten jährlich 2.000 Bäume Platz in Emmerich
finden (https://www.co2online.de/).
Finanz- und haushaltswirtschaftliche Auswirkungen :
Mehraufwand und Mehrauszahlung im Jahr 2024 in Höhe von 45.000 Euro.
Leitbild :
Die Maßnahme steht im Einklang mit den Zielen des Leitbildes Kapitel 3.1.
Peter Hinze
Bürgermeister