Betreff
Förderung von Steckersolaranlagen;
hier: Antrag Nr. IV/2023 an den Ausschuss für Umwelt und Klimaschutz
Vorlage
16 - 17 1066/2023/1
Art
Verwaltungsvorlage
Referenzvorlage

Beschlussvorschlag:

 

Der Rat der Stadt Emmerich am Rhein beschließt, für diese Maßnahme derzeit keine Haushaltsmittel zur Verfügung zu stellen. Die Verwaltung wird mit der Prüfung beauftragt, ob alternative Informationsmöglichkeiten für die Bürger gefunden werden unter der Voraussetzung, dass die entsprechenden personellen Ressourcen vorhanden sind.

 

 

Sachdarstellung :

 

Überblick

Wie bereits in anderen Vorlagen dargestellt, fußt die Energiewende und die Reduzierung der THG-Emissionen auf dem Ausbau erneuerbarer Energien – insbesondere dem PV-Ausbau.

 

Auch gemäß dem kürzlich veröffentlichten Klimaschutzpaket 2023 der Landesregierung, muss deutlich mehr Tempo beim PV-Ausbau betrieben werden.

 

Grundsätzlich werden PV-Anlagen wie folgt unterschieden:

-       Dachanlagen (derzeit lange Wartezeiten durch fehlende Fachkräfte)

-       Balkonanlagen (bislang nicht in Emmerich unterstützt)

-       FFPV-Anlagen (Bürgeranlage geplant)

-       Weitere Sonderformen wie Agri-PV, Floating-PV, Moor-PV, … (derzeit kein Projekt in Emmerich in Aussicht)

 

Aufgrund etlicher Bürgerförderprogramme und auch der Vermarktung derlei Anlagen über Discounter, haben Balkonanlagen in den vergangenen Jahren einen großen Bekanntheitsgrad erreicht. Da auch im Kreis Kleve viele Förderprogramme aufgelegt wurden, war die Nachfrage in Emmerich ebenfalls groß.

 

Was sind Balkonsolaranlagen?

Bei sogenannten, Balkonkraftwerken, Balkonsolaranlagen, steckerfertigen Solaranlagen, Steckersolaranlagen oder auch Mini-Solaranlagen, handelt es sich um kleine Solaranlagen, welche an einen Balkon, die Fassade, auf der Garage oder im Garten angebracht werden können. Sie sind ohne Elektrofachkraft installierbar und müssen steuerlich nicht berücksichtigt werden, weil die Einspeisevergütung und dessen Versteuerung ausbleiben. Die Anlagen dienen grundsätzlich der Deckung der Grundlast, d.h. dem ständigen Verbrauch von z.B. Standby-Geräten, Router und Kühlschrank. Dazu darf die installierte Leistung derzeit maximal 600 W betragen, die über den Wechselrichter ausgegeben werden dürfen. Dies entspricht in der Regel 2 Solarmodulen.

Derzeit kostet eine Anlage mit Befestigungsmaterial etwa 700-800 €.

Ausführungsbeispiele (Quelle: Kirchner)

 

 

Ökologische und energetische Bewertung

Dass PV-Anlagen ökologisch oder energetisch unsinnig sein könnten, kann heute klar verneint werden. So hat sich eine Solardach-Anlage laut Fraunhofer ISE im Schnitt nach ca. 0,5 bis 1,5 Jahren energetisch amortisiert. Zudem enthalten die PV-Module keine Rohstoffe weltweiter Knappheit oder welche, die in der Beschaffung problematisch sein könnten. Aus diesem Grund sind sie bei einer späteren Entsorgung auch kein Sondermüll.

 

Laut Umweltbundesamt (https://www.umweltbundesamt.de/themen/klima-energie/erneuerbare-energien/photovoltaik#%C3%96kobilanz) entstehen bei einer Nutzungsdauer von 30 Jahren durch die Herstellung, den Betrieb und die Entsorgung einer Photovoltaikanlage rechnerisch Emissionen in Höhe von ca. 50 g CO2-Äquivalenten/kWh. Da durch diese Anlagen jedoch die Emissionen anderer Energieträger vermieden werden (in Deutschland größtenteils von Kohle- und Gaskraftwerken), werden insgesamt über 700 g CO2-Äquivalente pro Kilowattstunde eingespart. Bei einer Steckersolaranlage werden so über die Nutzungsdauer über 8 t CO2 eingespart. Das entspricht etwa den Emissionen, die ein Kraftfahrzeug verbraucht, wenn es einmal die Erde umfahren würde.

 

 

Sicherheit

Das Thema Sicherheit muss bei Steckersolaranlagen selbstverständlich gewährleistet sein. Dabei ist grundsätzlich zu beachten, dass es sich bei Steckersolaranlagen um Geräte mit 600 Watt Leistungsabgabe handelt. Dies entspricht deutlich weniger als die Leistungsaufnahme eines Föhns.

 

Besonders hervorzuheben sind im Bezug zu Steckersolaranlagen dennoch zwei aktuelle Diskussionsgegenstände: die Frage nach dem sicheren Stecker und der sicheren Installation in bestehende Stromkreise.

Glücklicherweise gibt es in diesem Zusammenhang eine umfassende Studie, welche 60 Jahre alte Elektroinstallationen in Verbindung mit Steckersolaranlagen geprüft hat („Untersuchung der Beeinflussung der Schutzkonzepte von Stromkreisen durch Stecker-Solar-Geräte“ - PI Photovoltaik-Institut Berlin). Das Fazit daraus ist, dass Steckersolaranlagen bis 600 W unter Einhaltung der Sicherheitsstandards sicher und ohne Einschränkungen in vorhandene Haushaltssteckdosen einspeisen können.

 

 

 

 

 

 

Der sichere Stecker  

Für viel Unsicherheit sorgen in diesem Fall VDE-Normen (DIN VDE V 0100-551 und DIN VDE V 0100-551-1), welche eine spezielle Energiesteckvorrichtung empfehlen. Viele relevante Akteure haben das Thema Sicherheit ebenfalls beleuchtet und kommen zu anderen Ergebnissen:

Die Verbraucherzentrale NRW empfiehlt ausdrücklich, sich an den Sicherheitsstandards der Deutschen Gesellschaft für Sonnenenergie (DGS 0001) zu

Textfeld: Quelle: Pixabayorientieren[1] und berichtet, dass einige Regeln und Anforderungen derzeit noch unnötig kompliziert seien. Unter Berücksichtigung der Sicherheitsstandards der DGS 0001 ist die Nutzung einer vorhandenen Schuko-Steckdose (siehe Abbildung) absolut zulässig.

Im Frühjahr 2023 hat sich in diesem Zusammenhang der Präsident der Bundesnetzagentur auf Twitter zu dem strittigen Thema geäußert: „Bei Balkon #Solarmodulen reicht nach @BNetzA Einschätzung ein einfacher #Stecker, wenn zertifizierte #Wechselrichter vorhanden sind“.[2] Dasselbe wurde jetzt auch vom VDE (Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik e. V.) bestätigt. (VDE „duldet“ Schuko-Stecker bei Photovoltaik-Balkonmodulen – pv magazine Deutschland (pv-magazine.de)).

 

Der sichere Stromkreis

Mit Szenarien wie „Kabelbrand“ nach einer Installation einer Balkonanlage wird teilweise ein ungerechtfertigtes Risiko vermittelt. Solange die Hausinstallation auf einem aktuellen Stand ist und die Empfehlungen der Verbraucherzentrale NRW eingehalten werden, sind die Anlagen sicher.

Die DGS hat ebenfalls geprüft, ob in einem Schadensfall die Produkthaftung des Herstellers greift. Dies trifft zu, sofern der DGS-Standard sowie die Herstellerangaben befolgt wurden.

 

 

Die öffentlichen Diskussionen im Frühjahr 2023 haben ergeben, dass derzeit an grundlegenden Änderungen für die Inbetriebnahme von Balkonkraftwerken gearbeitet wird. So sollen zukünftig 800 W die bisherige Obergrenze von 600 W ersetzen. Zusätzlich soll die Meldung beim Netzbetreiber entfallen[3]. Internen Informationen zufolge soll dies im Frühjahr 2024 geschehen.

 

 

Welche Vorteile ergeben sich aus der Förderung?

-       Wichtiger Schritt zur Erfüllung des Klimaschutzgesetzes

-       Wichtiger Schritt zur Erfüllung unseres Klimaschutzkonzepts

-       Klares Zeichen seitens Stadt, die Energiewende zu unterstützen und die Bürgerschaft dabei zu ermutigen und unterstützen

-       Möglichkeit, Mietende aktiv an der Energiewende teilhaben zu lassen

-       Möglichkeit, auch gering verdienende Bürger*innen an der Energiewende zu beteiligen

-       Nachahmeffekte in Nachbarschaft, Verwandten- und Freundeskreisen

-       Verlieren von Berührungsängsten mit dem Thema PV

-       Bereitschaft, anschließend in eine größere Anlage zu investieren

-       Anregung zur Weiterbildung der Bürger*innen im Rahmen der Beschaffung der Anlage

-       Auseinandersetzen mit dem eigenen Stromverbrauch im Rahmen des durch die Anlage ermöglichten Echtzeit-Monitorings per App

-       Eingesparte Kosten kommen der Stadt durch Stärkung der Kaufkraft zugute

-       Effizientes Arbeiten durch Adaption der Prozesse und Förderrichtlinien anderer Kommunen möglich

 

 

Rahmenbedingungen zur Förderung

 

Viele Kommunen im Kreis Kleve fördern bereits Balkonkraftwerke zu unterschiedlichen Konditionen (100 € bis 500 € bei einem Fördertopf von 10.000 € bis 60.000 €). Dabei hat sich herausgestellt, dass die Förderung eines Fixbetrages (z.B. 250 €) deutlich praktikabler ist, als für jede geförderte Anlage eine Förderhöhe zu ermitteln, wie es bei einer prozentualen Förderquote der Fall wäre (ständig neu zu berechnende Förderhöhen statt weitestgehend standardisiertes Formular).

 

Aus eigener Erfahrung kann berichtet werden, dass aufgrund des entstehenden Aufwands seitens Antragstellenden eine Mindestförderhöhe von 200 € angebracht ist. Folgende Tabelle stellt die prozentuale Förderhöhe in Abhängigkeit des absoluten Förderbetrags und Modulpreises dar. Sie dient der Einschätzung, welche Fördersumme passend ist.

 

Modulpreis (Annahme)

Resultierende Förderquote bei 200 € Förderung

Resultierende Förderquote bei 250 € Förderung

Resultierende Förderquote bei 300€ Förderung

Bemerkung

600 €

33 %

41%

50 %

Modulpreis eher unrealistisch

700 €

28 %

36 %

42 %

 

800 €

25 %

31 %

38 %

 

900 €

22 %

28 %

33 %

 

 

Damit sich der Aufwand und die Einarbeitung in das Thema seitens Bürgerschaft lohnt, empfiehlt die Verwaltung, die Förderhöhe von 300 €.

Unter Berücksichtigung der bestehenden Haushaltssituation, der in den vergangenen Jahren getätigten Investitionen in Klimaschutzprojekte, der Umsetzung der Maßnahmen, den Zielen unseres Klimaschutzkonzepts und dem aktuell akuten Handlungsbedarf, wird ein Fördervolumen in Höhe von 45.000 € angestrebt. Hierdurch wird beabsichtigt, dass nicht nur die schnellsten Antragsteller, sondern auch diejenigen, die sich zunächst mit der Thematik befassen wollen und erst nachfolgend einen Antrag stellen können, ebenfalls einen Zuschlag erhalten.

 

Mit dem Fördervolumen können insgesamt 150 Anlagen gefördert werden. Dies würde eine jährliche CO2-Einsparung von gut 25 t bedeuten und entspricht etwa 0,03 % des jährlich gesetzten Ziels der Reduktion der CO2-Emissionen im Stadtgebiet (knapp 90.000 t/a (siehe Integriertes Klimaschutzkonzept der Stadt Emmerich am Rhein, S. 116)[4]. Die Skaleneffekte, welche sich durch Nachahmung im Nachbar-, Bekannten- und Freundeskreis ergeben, sind dabei nicht berücksichtigt, da diese nur schwer messbar sind. Allerdings zeigt die Erfahrung, dass gerade hierdurch ein weiterer, entscheidender Beitrag geleistet wird.

 

Des Weiteren besteht Diskussionsbedarf zu den Antragsberechtigten. Einige Kommunen schließen dabei die Installation auf Einfamilienhäusern aus. Bislang hat die Stadtverwaltung dieses Vorgehen ebenfalls befürwortet. Da jedoch aus verschiedenen Quellen berichtet wurde, dass für einige Einfamilienhausbesitzer die Balkonanlage der Einstieg in die PV-Welt ist und kurz darauf große Anlagen installiert wurden, wird empfohlen, diese Kategorie nicht explizit auszuschließen, sondern nur, falls im Bestand bereits eine PV-Anlage existiert. Damit besonders Mietende unterstützt werden, ist eine maximale Quote von z.B. 50 % Einfamilienhäusern zielführen.

 

Um den Arbeitsaufwand möglichst gering zu halten und der Papierverschwendung zuvorzukommen, wird beabsichtigt, die Abwicklung ausschließlich digital durchzuführen. In Rees hat sich dieses Vorgehen bewährt.

 

Die oben genannte Anhebung der zulässigen durch den Wechselrichter eingespeisten Strommenge in Höhe von 800 W will die Verwaltung im Rahmen des Förderprogramms für 2024 berücksichtigen. Der Start des Förderprogramms soll daher erst dann beginnen, wenn die Einspeisung von 800 W erlaubt ist. Sollte sich allerdings herausstellen, dass es zu größeren zeitlichen Verzögerung der Anhebung kommt, möchte die Verwaltung kurzfristig die Entscheidung treffen, das Förderprogramm mit der 600 W-Grenze zu starten.

 

Die Leiterin der Stabsstelle 16 Umwelt und Klima wird voraussichtlich im Dezember 2023 durch Mutterschutz und Elternzeit im Jahr 2024 nicht zur Verfügung stehen. Aus diesem Grund soll die Umsetzung der Förderung durch eine noch einzustellende Elternzeitvertretung erfolgen. Hierdurch begründet sich ein weiterer Faktor, welche den Start des Förderprogramms maßgebend beeinflussen wird.

 

Entwurf der Richtlinie

Ein erster Entwurf der Richtlinie, sowie weitere relevante Dokumente (Leitfaden, Antragsformular) sind als Anlage beigefügt. Diese sind durch Empfehlungen/Vorlagen der Bezirksregierung und einiger Kommunen des Kreises Kleve entstanden. Geringfügige gestalterische und inhaltliche Änderungen, die zur sachlichen Richtigkeit der Dokumente führen und keine gravierende Auswirkung auf den Gesamtkontext haben, sowie notwendige Ergänzungen, welche sich im Rahmen der Ausschusssitzungen ergeben, werden vor Veröffentlichung final geprüft und ergänzt.

 

Anmerkung:

Der Ausschuss für Umwelt und Klimaschutz ist in seiner Sitzung am 22.08.2023 dem Beschlussvorschlag der Verwaltung mehrheitlich (13 Dafür, 2 Dagegen, 0 Enthaltungen) nicht gefolgt. Der ursprüngliche Beschlussvorschlag lautete: Der Rat der Stadt Emmerich am Rhein beschließt, die Fördermittel der kommunalen Wärmeplanung mit dem Fördersatz von 90 % zu beantragen. Gleichwohl soll die Abrufung der Mittel der aktuellen Gegebnheiten (u.a Gesamtprojektkosten, aktuelle Situation der Datenqualität, …) angepasst warden. Entsprechende Mitteilungen zur weiteren Vorgehensweise sollen hierzu im Ausschuss für Umwelt und Klimaschutz getätigt werden. Der neue Beschlussvorschlag ist oben abgebildet.

 

 



[4] Zum Vergleich: Würden stattdessen Bäume gepflanzt werden, müssten für gleiche CO2-Minderungsraten jährlich 2.000 Bäume Platz in Emmerich finden (https://www.co2online.de/).

 

Finanz- und haushaltswirtschaftliche Auswirkungen :

 

Mehraufwand und Mehrauszahlung im Jahr 2024 in Höhe von 45.000 Euro.

 

 

Leitbild :

 

Die Maßnahme steht im Einklang mit den Zielen des Leitbildes Kapitel 3.1.

 

 

 

Peter Hinze

Bürgermeister