hier: Antrag Nr. IX/2023 an den Rat der Stadt Emmerich am Rhein
Beschlussvorschlag
Der Rat der Stadt Emmerich am Rhein nimmt die Ausführungen der Verwaltung
zur Kenntnis und stimmt der beschriebenen Vorgehensweise zu.
Sachdarstellung :
Mit Antrag vom 02.11.2024 begehrt die CDU Ratsfraktion die Prüfung der Möglichkeit zur Einführung einer Grundsteuer C. Der Antrag wurde am 12.12.2024 durch den Rat an den Haupt- und Finanzausschuss verwiesen.
Im Zuge der Einführung einer neuen Grundlage für die Besteuerung von Grundbesitz in der Bundesrepublik Deutschland, hat der Gesetzgeber ebenfalls die Möglichkeit eröffnet baureife Grundstücke für die Bebauung zu mobilisieren. Das Gesetz zur Änderung des Grundsteuergesetzes zur Mobilisierung von baureifen Grundstücken für die Bebauung (Drs 19/11086) wurde am 05.12.2019 verkündet und tritt zum 01.01.2025 in Kraft. Damit wird den einzelnen Kommunen eröffnet eine sog. ”Grundsteuer C” einzuführen.
Der Bundesgesetzgeber hat jedoch den einzelnen Bundesländern die Möglichkeit gegeben von dem geschaffenen Besteuerungssystem inkl. der neu entstandenen Grundsteuer C abzuweichen. Von dieser ”Öffnungsklausel” hat das Land Nordrhein-Westfalen keinen Gebrauch gemacht.
Zielsetzung der Gesetzesänderung ist es, dass den Gemeinden Möglichkeiten eröffnet werden sollen Baulandmobilisierung durch steuerliche Maßnahmen zu verbessern. Dadurch sollen Spekulation mit Grundstücken zunehmend unattraktiver werden. Zudem sollen finanzielle Anreize geschaffen werden, um baureife Grundstücke zeitnah in Wohnraum umzuwandeln. Dies soll dem aktuellen Wohnungsmangel entgegenwirken.
Als Ergebnis wurde das Grundsteuergesetz (GrStG) erweitert. In § 25 GrStG wurde der Absatz 5 neu eingefügt.
In § 25 Abs. 5 Satz 1 GrStG werden die Gemeinden zur Bestimmung sog. baureifer Grundstücke aus städtebaulichen Gründen sowie zur Festsetzung eines gesonderten Hebesatzes für diese Grundstücksgruppe ermächtigt.
Kern der Vorschrift ist der Begriff des baureifen Grundstücks. Dies sind unbebaute Grundstücke gem. § 246 BewG, die nach Lage, Form und Größe und ihrem sonstigen tatsächlichen Zustand sowie nach öffentlich-rechtlichen Vorschriften sofort bebaut werden könnten.
Baureife Grundstücke sind unbebaute Grundstücke, wenn sie in einem Bebauungsplan als Bauland festgesetzt sind, ihre sofortige Bebauung möglich ist und die Bebauung innerhalb des Plangebiets in benachbarten Bereichen begonnen hat oder schon durchgeführt ist. Zu den baureifen Grundstücken gehören nicht Grundstücke, die für den Gemeinbedarf vorgesehen sind.
Im Hinblick auf die in der Gesetzesbegründung genannten Sanierungsgebiete als möglichen Anwendungsbereich der Erhebung der Grundsteuer C ist festzustellen, dass die Grundsteuer C nicht für bebaute Grundstücke erhoben werden kann. Dies gilt auch für „Schrottimmobilien“ und mindergenutzte Grundstücke.
Neben den Voraussetzungen für ein baureifes Grundstück hat der Gesetzgeber ebenfalls grundsätzliche Kriterien für die Einführung der Grundsteuer C aufgestellt. Kernpunkt ist das Vorliegen eines städtebaulichen Grundes.
Gem. § 25 Abs. 5 S.4 GrStG kommen insbesondere folgende städtebaulichen Gründe in Betracht:
a) Deckung eines erhöhten Bedarfes an Wohn- und Arbeitsstätten
b) Deckung eines erhöhten Bedarfes an Gemeinbedarfs- und Folgeeinrichtungen
Als Gemeinbedarfseinrichtungen kommen z. B. in Betracht: Krankenhäuser, Hochschulen, Kindertagesstätten, Jugendfreizeitstätten oder Grundschulen in Betracht.
c) Nachverdichtung bestehender Siedlungsstrukturen
Im Städtebau wird mit dem Begriff Nachverdichtung die Nutzung freier Flächen im Kontext bereits bestehender Bebauung bezeichnet. Eine Nachverdichtung kann so z. B. durch Aufstockungen, Hinterlandbebauung oder das „Andocken“ von Flächen erfolgen. Mit einer Nachverdichtung, oder auch Innenverdichtung genannt, wird u. a. also die Erhöhung der Kubatur angestrebt, was die Bebauungsdichte erhöht. Im Ergebnis wird mit einer Nachverdichtung einer Zersiedlung entgegengewirkt
d) Stärkung der Innenentwicklung
Eine maßgebliche Richtschnur ist die in § 1a Abs. 2 Satz 1 BauGB enthaltene ”Bodenschutzklausel”, wonach mit Grund und Boden sparsam umzugehen ist. Zur Verringerung der zusätzlichen Inanspruchnahme von Flächen für bauliche Nutzungen seien die Möglichkeiten der Entwicklung der Gemeinde insbesondere durch Wiedernutzbarmachung von Flächen, Nachverdichtungen der Siedlungsstrukturen und andere Maßnahmen zur Innenentwicklung zu nutzen.
Aus städtebaulicher Sicht lassen sich die folgenden Ergebnisse festhalten:
Zu a) erhöhter Bedarf an Wohn- und Arbeitsstätten
Unbebaute Wohn- und Gewerbegrundstücke werden im Rahmen des ”Siedlungsflächenmonitorings” der Bezirksregierung Düsseldorf alle zwei Jahre kartiert. Hier weist die Stadt Emmerich eine durchschnittliche Versorgung mit Wohnreserven aus (ca. 1,19 ha / 1.000 EW). Hierbei werden jedoch Wohnreserven die in Bereichen mit im Flächennutzungsplan ausgewiesenen Wohnbauflächen liegen berücksichtigt. In den meisten Fällen besteht daher kein unmittelbares Baurecht i. S. eines baureifen Grundstücks. Zudem werden nur Flächen über 2.000 m² betrachtet. Eingerechnet hier ist zum Beispiel das jüngst entwickelte ”Waldparkviertel” auf dem ehem. Kasernengelände, wo aktuell aber noch keine baureifen Grundstücke liegen.
Im Jahr 2018 wurde das Handlungskonzept Wohnen der Stadt Emmerich am Rhein erstellt. Ziel ist es, die Bevölkerungsentwicklung zu prognostizieren und daraus Entwicklungsszenarien für die Wohnbauland- und Infrastrukturentwicklung abzuleiten. Im Rahmen des Monitorings des Konzeptes wurde im Jahr 2023 ein Vergleich der tatsächlich neu entstandenen Wohneinheiten (WE) und der Prognose aus dem Handlungskonzept Wohnen verglichen.
Die Quoten der Fertiggestellten Wohnungen liegen deutlich über dem prognostizierten Bedarf. In den Jahren 2018-2023 wurden insgesamt 1264 WE fertiggestellt. Prognostiziert wurde eine Nachfrage von 365-600 WE.
Auch für Gewerbeflächen gibt es das ”Siedlungsflächenmonitoring” der Bezirksregierung Düsseldorf. Hier verfügt Emmerich am Rhein über eine ca. doppelt so hohe Reserve (ca. 6,96 ha / 1.000 EW) als der Durchschnitt im Regierungsbezirk Düsseldorf. Hierbei handelt es sich größtenteils um Flächen, die zwar planungsrechtlich entwickelt, aber nicht baureif sind (z.B. Gewerbeflächen zwischen Weseler Straße und Netterdensche Straße).
Ein erhöhter Bedarf an Wohn- und Arbeitsstätten ist somit nicht zu erkennen.
Zu b) erhöhter Bedarf an Gemeinbedarfs- und Folgeeinrichtungen
Im Bereich von Gemeinbedarfseinrichtungen lässt sich ein gewisser Bedarf erkennen. Hier sind Beispielhaft die zweite Jugendeinrichtung oder der Ausbau weiterer Kindergartenplätze zu benennen. Der Bedarf kann durch inzwischen angestoßene Maßnahmen (z.B. Vorkaufsrechtsatzung) mittelfristig gedeckt werden. Ein erhöhter Bedarf ist hier zu verneinen.
Darüber hinaus gäbe es für ein solches Vorhaben kaum geeignete Grundstücke im Innenstadtbereich, welche einer solchen Nutzung zugeführt werden könnten.
Zu c) Nachverdichtung bestehender Siedlungsstrukturen
Emmerich am Rhein verfügt über einige Brachflächen, die aus städtebaulichen Gründen mittelfristig entwickelt werden sollten. Zu nennen ist hier insbesondere das Steintorgelände. Hierfür besteht jedoch kein unmittelbares Planungsrecht, so dass das Grundstück nicht als baureif beurteilt werden kann. Die Grundsteuer C greift in diesem Fall als Entwicklungsinstrument nicht.
Die städtebaulichen Aspekte Nachverdichtung und Innenentwicklung gehen in einer kleinen Kommune wie Emmerich am Rhein miteinander einher. Durch die Nutzung vorhandener Potenziale in entwickelten Gebieten kann die Ausweisung neuer Grundstücke ”auf der grünen Wiese” eingedämmt werden. Das gleiche Ziel verfolgt das Land NRW durch die Ziele und Grundsätze im Landesentwicklungsplan. Hier ist z.B. die Entwicklung von Bauland im Außenbereich nur zulässig, wenn bestehende Potentiale (ermittelt aus dem Siedlungsflächenmonitoring) weitgehend ausgeschöpft wurden.
Eine Nachverdichtung findet derzeit häufig statt durch den Abriss von Einfamilienhäusern und die Neuerrichtung von Mehrfamilienhäusern. Außerdem werden große Grundstücke mit Garten derzeit häufig im Hinterland bebaut.
Für freie Grundstücke bzw. Reserven aus dem Flächennutzungsplan gibt es momentan einige Anfragen zur Entwicklung von Baugebieten, so dass diese Grundstücke mittelfristig bebaut werden können.
Ein weiterer Bedarf wird in diesem Bereich insoweit nicht gesehen.
Zu d) Stärkung der Innenentwicklung
Eine zusätzliche Stärkung der Innenentwicklung ist ebenfalls nicht erforderlich. Hier sind ausreichende Entwicklungs- und Bauaktivitäten festzustellen. Es wird insoweit auf Punkt c) verwiesen.
Ergebnis
Es liegen folglich keine städtebaulichen Voraussetzungen gem. § 25 Abs.5 S.4 GrStG vor.
Vor dem Hintergrund der gerade bestehenden gesetzlichen Voraussetzungen ist eine aktuelle bzw. obergerichtliche Rechtsprechung nicht vorhanden. Folgt man der Gesetzesbegründung so liegt die Intention vorwiegend in dem bestehenden Wohnungsmangel der einzelnen Kommunen. Dieser zentrale Punkt ist zum jetzigen Zeitpunkt zumindest zu verneinen. Selbst wenn die städtebaulichen Gründe vorliegen würden, so ist die Gemeinde gem. § 25 Abs. 5 S. 5 GrStG dazu verpflichtet, den gesonderten Hebesatz nur auf die Gemeindeteile zu beschränken, in denen die Gründe vorliegen. Der Gemeindeteil muss dabei mindestens 10 Prozent des Gemeindegebietes ausmachen und es müssen mehrere baureife Grundstücke vorhanden sein.
Da es an einer elementaren Voraussetzung für die Einführung der Grundsteuer C fehlt, sieht die Verwaltung keine Möglichkeit zur rechtskonformen Einführung - auch nicht für bestimmte Teilbereiche.
Es bleibt abzuwarten ob die Rechtsprechung oder eine geänderte städtebauliche Ausgangslage mittelfristig die Einführung ggf. ermöglicht. Hier wären dann die Voraussetzungen erneut zu prüfen.
Finanz- und haushaltswirtschaftliche Auswirkungen :
Die Maßnahme hat keine finanz- und haushaltswirtschaftlichen Auswirkungen.
Leitbild :
Die Maßnahme steht im Einklang mit den Zielen des Leitbildes Kapitel 6.2.
Peter Hinze
Bürgermeister