Betreff
4. Änderung des Bebauungsplanes Nr. EL/8 - Gewerbegebiet Beeker Straße / Kattegat -,
hier: 1) Aufstellungsbeschluss
2) Veränderungssperre
Vorlage
05 - 15 0243/2010
Art
Verwaltungsvorlage

Beschlussvorschlag :

 

1)         Der Rat beschließt, den Bebauungsplan Nr. EL/8 -Gewerbegebiet Beeker Straße / Kattegat- gemäß § 2 Abs.1 i.V.m. § 1 Abs. 8 BauGB dahin gehend zu ändern, dass von den nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO allgemein zulässigen Gewerbebetrieben aller Art Bordelle und bordellähnliche Betriebe nicht zugelassen werden.

 

2)         Der Rat beschließt den vorgelegten Entwurf einer Veränderungssperre für den

            Verfahrensbereich der 4. Änderung des Bebauungsplanes Nr. EL/8 -Gewerbegebiet     

             Beeker Straße / Kattegat- gemäß § 16 Abs. 1 BauGB als Satzung.

 

Sachdarstellung :

 

Zu 1)    Aufstellungsbeschluss

 

Dem Ortsteil Elten ist mit dem Gewerbegebiet Beeker Straße / Kattegat ein einziger Gewerbebereich zugeordnet. Den Planungsabsichten des für die Entwicklung dieses Bereiches im Jahre 1974 aufgestellten Bebauungsplanes EL/8 zufolge sollte das zulässige Gewerbe mit dem seinerzeit geplanten Kurbetrieb verträglich sein. Auch wenn die hierzu getroffene textliche Festsetzung planungsrechtliche Mängel aufweist und daher ihrem Bestimmungsgehalt nach nicht wirksam ist, so dokumentiert sie dennoch das städtebauliche Ziel des Bebauungsplanes EL/8, seinen Gewerbebereich ausschließlich für nicht störende Betriebe zu öffnen, was sich insbesondere an den jeweiligen Emissionspotentialen festmacht.

 

Mit einer Entfernung von rd. 500 m zum Ortsrand an der Ausfallstraße zur Autobahn A 3 ist der Gewerbebereich als Standort zwar durchaus attraktiv für überregional agierende Betriebe, gemessen an seiner geringen Größe bietet er aber für solche Betriebe mit einem in der Regel größeren Flächenbedarf wenig Raum. Das direkte Umfeld eröffnet für die Zukunft darüber hinaus keine Erweiterungsmöglichkeiten. Dem im Stadtgefüge separat gelegenen kleinen Gewerbegebiet ist daher vorrangig eine lokale Funktion zuzuordnen, die auf die Ansiedlung von Betrieben abzielt, die der Versorgung des Ortsteiles Elten dienen, im Siedlungsbereich aber störend wären.

 

Der heutige Nutzungsbestand innerhalb dieses Gebietes spiegelt das genannte Planungsziel nur teilweise wider. Einerseits existiert insbesondere im nördlichen Teilbereich des Gebietes eine Durchmischung von Gewerbe und Wohnen, welches teilweise bereits vor der Aufstellung des Bebauungsplanes vorhanden war oder unter großzügiger Gewährung von Betriebsleiterwohnungen, die nach jeweiliger Betriebsaufgabe eine Weiternutzung erfahren haben, entstanden ist. Andererseits stagniert die gewerbliche Entwicklung in diesem Bereich nicht nur, sondern befindet sich eindeutig in einer Rezessionsphase, was sich am Leerstand von Lagerhallen oder sonstiger größerer Produktions- und Gewerbegebäude ablesen lässt.

 

Auf einem der Grundstücke im Gewerbegebiet hat sich bereits vor Jahren nach einer Vornutzung als Disco ein Bordellbetrieb angesiedelt. Derzeit liegt eine Bauvoranfrage zur Einrichtung eines weiteren Bordellbetriebes in einem leer stehenden Gewerbegebäude am Kattegatweg vor. Die geplante Größe dieses Betriebes umfasst das Dreifache des bereits Bestehenden. Auch wenn die betreffende Nutzung von dem nach allgemeiner Anschauung „typischen“ Gewerbe abweicht, handelt es sich um einen Gewerbebetrieb, der zunächst gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO unter „Gewerbebetriebe aller Art“ in einem Gewerbegebiet allgemein zulässig ist. Der § 15 Abs. 1 BauNVO schränkt die Voraussetzungen für die Zulässigkeit baulicher und sonstiger Anlagen jedoch dahin gehend ein, dass sie im Einzelfall unzulässig werden können, wenn sie nach „Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen.“

 

Die obergerichtliche Rechtsprechung (so unter anderem OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss v. 27.08.2009, AZ 8 A 10480/09) geht von dem Erfahrungssatz aus, dass eine Konzentration von Bordellbetrieben sowie sonstigen Einrichtungen des Sex-Gewerbes sowie Vergnügungsstätten eine Gebietsabwertung auslösen kann. Dabei zeichnet sich eine Konkurrenzsituation zwischen Betrieben des Rotlichtgewerbes, die mit einem relativ geringen Investitionsbedarf eine vergleichsweise hohe Ertragsstärke erzielen können, und „normalen“ Gewerbebetrieben mit deutlich höherem Investitionsbedarf und geringerer Ertragsstärke ab. Dies kann zu einer Erhöhung der Grundstücks- und Mietpreise und damit zu einer Verdrängung von Gewerbebranchen mit schwächerer Finanzkraft führen. Zudem erweist sich solch ein Gebiet zumeist als unattraktiv für die „klassischen“ Gewerbebetriebe, da diese die Ansiedelung von Bordellbetrieben als nachteilige Vorprägung empfinden.

 

Dabei kann im Einzelfall bereits ein Vorhaben ausreichen, um den vorgenannten Trading-Down-Effekt auszulösen und das städtebauliche Planungsziel zu gefährden. Beim Gewerbegebiet „Kattegat“ handelt es sich um ein überschaubares Gewerbegebiet mit einer recht geringen Flächenausdehnung.Im Falle der Ansiedlung des geplanten zweiten Bordellbetriebs würden sich an den beiden Ein- und Ausfahrtsstraßen in das betreffende Gebiet jeweils Bordellbetriebe befinden, so dass beim durchschnittlichen Betrachter der Eindruck einer dominierenden Wirkung durch solche Betriebsarten und –formen erweckt werden kann. Die Gefahr des „Umkippens“ des Gewerbegebiets und somit eine negative städtebauliche Entwicklung ist daher nicht ohne Weiteres von der Hand zu weisen.

 

Bauleitpläne sollen gemäß § 1 Abs. 5 BauGB „eine nachhaltige städtebauliche Entwicklung, die die sozialen, wirtschaftlichen und umweltschützenden Anforderungen auch in Verantwortung gegenüber zukünftigen Generationen miteinander in Einklang bringt, .... gewährleisten.“ Neben dem bestehenden Gewerbegebiet EL/8 ergeben sich absehbar keine Möglichkeiten einer Gewerbeflächenausweisung an anderer Stelle für den Ortsbereich Elten. Dieser Ortsteil stellt jedoch infolge seiner Lage und seiner Bevölkerungsgröße den zweiten Siedlungsschwerpunkt im Stadtbereich dar. Zu dessen notwendiger Infrastruktur gehört daher auch ein ihm zugeordneter kleiner Gewerbebereich, der Gewerbenutzungen, die den örtlichen Bedarf decken, aufnehmen kann oder eine gewisse Anzahl von Arbeitsplätzen für die Bewohner anbietet. Daher gilt es in der jetzigen Situation, die weitere Entwicklung des bestehenden Gewerbegebietes planungsrechtlich zu steuern und negative Veränderungen, die die bisherige Funktion des Gebietes aufheben könnten, abzuwenden. Hierzu soll ein Planänderungsverfahren eingeleitet werden, mit dem der Bebauungsplan um einen Ausschluss von Bordellbetrieben ergänzt wird. Der Bestandsschutz des bestehenden Betriebes, der auf seinem Grundstück keine wesentlichen Erweiterungsmöglichkeiten besitzt, wird hierdurch nicht angetastet.

 

Im Rahmen des Änderungsverfahrens soll darüber hinaus noch einmal geprüft werden, in welcher Form die planungsrechtlichen Mängel des Bebauungsplanes bereinigt werden können, so dass ggf. noch eine Erweiterung der Planungsabsichten für diesen Planbereich zustande kommt. Die kurzfristige Einleitung des Änderungsverfahrens in dieser vorgeschlagenen Form ist erforderlich, um durch die nachfolgende Veränderungssperre angesichts der Nachfragesituation frühzeitig eine Sicherung der Planung betreiben zu können.

 

Da wie bei den Vergnügungsstätten (Spielhallen) zumindest im grenznahen Bereich auch eine Steigerung der Anfragen für Bordellbetriebe auszumachen ist, ist verwaltungsseitig geplant, langfristig ähnlich dem Steuerungskonzept für kerngebietstypische Spielhallen auch ein Steuerungskonzept für das gesamte Stadtgebiet zur Ansiedlung von Bordellen zur Aufstellung vorzulegen.

 

Im Rahmen der in gleicher Sitzung des Ausschusses für Stadtentwicklung vorgelegten planungsrechtlichen Sicherung eines noch aufzustellenden Konzeptes für die Steuerung von Spielhallen soll neben anderen Bebauungsplänen auch für den Bebauungsplan EL/8 eine entsprechende Ergänzung um einen Spielhallenausschluss betrieben werden. Dieses Thema, welches ebenfalls den Aspekt des Trading-Down-Effektes abhandelt, wird daher in einem separaten Verfahren für den Eltener Gewerbebereich geregelt.

 

 

 

Zu 2)    Veränderungssperre

 

Die bislang bestehende Festsetzung „Gewerbegebiet“ im Sinne von § 8 BauNVO im Bebauungsplan Nr. EL/8 -Gewerbegebiet Beeker Straße / Kattegat- hat sich als nicht unproblematisch herausgestellt. Insbesondere das zunehmende Interesse von Investoren an der Errichtung von Bordellen sowie bordellartigen Betrieben und ggf. auch anders gearteten Vergnügungsstätten hat gezeigt, dass gerade Bebauungspläne, welche im Rahmen ihrer Festsetzungen von Gewerbegebieten keinerlei Nutzungsbeschränkungen oder Differenzierungen enthalten, es schwerlich ermöglichen, diese Gebiete einer geordneten städtebaulichen Entwicklung zuzuführen. Vielmehr zeigt sich eine unkoordinierte Ansammlung verschiedener Nutzungen, welche es erschwert, die „klassischen Gewerbebetriebe“ in diesen Bereichen anzusiedeln.

 

Der der Unteren Bauaufsichtsbehörde konkret vorliegende Antrag auf Erteilung eines Bauvorbescheides für die Nutzungsänderung eines produzierenden Gewerbebetriebes am Kattegatweg in ein Bordell birgt ein nicht unerhebliches Risiko, dass dieses Vorhaben den städtebaulichen Zielen, welche sich die Stadt Emmerich am Rhein in Bezug auf die Entwicklung des betroffenen gewerblichen Baugebietes setzt, widerspricht. Das Baugesetzbuch gibt der Gemeinde in den §§ 14 (Veränderungssperre) und 15 (Zurückstellung von Baugesuchen) planungsrechtliche Mittel zur Sicherung der Bauleitplanung an die Hand, die grundsätzlich denselben Voraussetzungen einer eingeleiteten Bauleitplanung unterliegen. Mit dem vorlaufenden Aufstellungsbeschluss ist diese Voraussetzung erfüllt. Die vorgesehene gleichzeitige Bekanntmachung des Aufstellungsbeschlusses sowie der Veränderungssperre lässt diese verbindlich werden.

 

Der Veränderungssperre muss zum Zeitpunkt ihres Erlasses eine hinreichend konkretisierte Planung zugrunde liegen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gilt, dass sich die Vorstellungen der Gemeinde nicht darin erschöpfen dürfen, ein konkretes Vorhaben zu verhindern oder allein Zeit gewinnen zu wollen, in der Vorstellungen über die Gestaltung des in Rede stehenden Bereichs überhaupt erst entwickelt werden sollen (vgl. hierzu beispielhaft BVerwG, Beschluss vom 5.02.1990, AZ 4 B 191/89). Erforderlich sind daher positive Planungsvorstellungen vom künftigen Planinhalt, welche allerdings noch nicht so weit gediehen sein müssen, dass sie sozusagen den Inhalt des künftigen Bebauungsplans im Detail erkennen lassen. Das OVG Lüneburg führt auf Grundlage dieser Rechtsprechung aus, dass es nicht ausgeschlossen sei, ein positives Ziel darin zu definieren, den gegenwärtigen, nunmehr als begrüßenswert eingestuften Zustand erhalten zu wollen. Die mit dem vorstehenden Aufstellungsschluss bekundete Planungsabsicht des Ausschlusses einer bestimmten Betriebsart innerhalb des betroffenen Gewerbegebietes nach § 1 Abs. 9 BauNVO reicht somit als Grundlage für eine Veränderungssperre, die im Vergleich zu einer Zurückstellung von Baugesuchen eine größere Außenwirkung hat, aus.

 

Die Verwaltung empfiehlt daher, die Planungsabsichten der 4. Änderung des Bebauungsplanes Nr. EL/8 -Gewerbegebiet Beeker Straße / Kattegat- mit dem Erlass einer Veränderungssperre zu sichern.

 

Finanz- und haushaltswirtschaftliche Auswirkungen :

 

Die Maßnahme hat keine finanz- und haushaltswirtschaftlichen Auswirkungen.

 

Leitbild :

 

Die Maßnahme steht im Einklang mit den Zielen des Leitbildes Kapitel 2, Ziel 1.

 

 

In Vertretung

 

 

 

Dr. Wachs

Erster Beigeordneter