Betreff
Außenbereichssatzung „Hauberg“ gemäß § 35 Abs. 6 BauGB,
hier: 1) Beanstandung des Ratsbeschlusses vom 13.07.2010 zu Vorlage
05-15 0204/2010 E1, Punkte 1.3, 1.3a und 3 gem. § 54 Abs. 2 GO NRW
2) Ergänzender Bericht nach Durchführung der Öffentlichkeitsbeteiligung
gemäß § 3 Abs. 2 BauGB
3) Städtebaulicher Vertrag
4) Satzungsbeschluss
Vorlage
05 - 15 0239/2010
Art
Verwaltungsvorlage

 Beschlussvorschlag                             Kenntnisnahme (kein Beschluss)

Zu 1)

Der Rat beschließt, die unter den Punkten 1.3, 1.3a und 3 der Vorlage 05-15 0204/2010-E1 am 13.07.2010 von ihm gefassten Beschlüsse -Beschluss zur Erweiterung des Satzungsbereiches um die Grundstücke Gemarkung Elten, Flur 4, Flurstücke 2537 und 2538 sowie Satzungsbeschluss des Offenlageentwurfes der Außenbereichssatzung „Hauberg“ einschließlich der Ergänzung der Altlastuntersuchung zum Grundstück Hauberg 1- aufzuheben.

 

 

Zu 2)

Der Rat beschließt, der Anregung betreffend der Einbeziehung des unbebauten Grundstückes Gemarkung Elten, Flur 4, Flurstücke 2537 und 2538 in die Außenbereichssatzung „Hauberg“ unter Bezugnahme auf die Ausführungen der Verwaltung nicht zu folgen.

 

 

Zu 3)

Der Rat beschließt den beiliegenden Vertragsentwurf als städtebaulichen Vertrag gemäß § 11 BauGB zur Außenbereichssatzung „Hauberg“.

 

Zu 4)

Der Rat beschließt den Offenlageentwurf der Außenbereichssatzung „Hauberg“ einschließlich der Ergänzung der Altlastlastuntersuchung zum Grundstück Hauberg 1 gemäß § 35 Abs. 6 BauGB als Satzung.

 

Sachdarstellung :

 

 

Zu Beschlussvorschlag 1):      Aufhebung des Satzungsbeschlusses

 

Der Rat der Stadt Emmerich am Rhein hat in seiner Sitzung am 13.07.2010 mehrheitlich den Satzungsbeschluss der Außenbereichssatzung „Hauberg“ gefasst. Im Vorlauf hierzu fasste der Rat in derselben Sitzung den Beschluss, das ca. 1.700 m² umfassende unbebaute Grundstück Gemarkung Elten, Flur 4, Flurstücke 2537 und 2538 nach Durchführung der Offenlage gemäß § 3 Abs.2 BauGB in den Verfahrensbereich einzubeziehen.

Meine Würdigung führt zu dem Ergebnis, dass dieser Beschluss geltendem Recht widerspricht und somit gemäß § 54 Abs. 2 der Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (GO NRW) von mir zu beanstanden ist.

 

A. Sachverhaltsdarstellung

 

Um die planungsrechtliche Grundlage für eine mit der Umgebungsbebauung verträgliche Nachnutzung des Geländes der ehemaligen Eltener Papierfabrik, Hauberg 1 zu schaffen, folgte der Ausschuss für Stadtentwicklung dem Antrag des betroffenen Eigentümers auf Aufstellung einer Außenbereichssatzung gemäß § 35 Abs. 6 BauGB und hat in seiner Sitzung am 19.08.2008 einen Beschluss zur Einleitung eines entsprechenden Satzungsverfahrens gefasst. Der Verfahrensbereich dieses Beschlusses umfasst alle durch die Straße „Hauberg“ erschlossenen bebauten Wohnhausgrundstücke (Hs-Nrn. 2 bis 17) einschließlich ihrer Gartenbereiche. Des Weiteren ist ein Teilbereich des Geländes der Papierfabrik in das Verfahren einbezogen, der sich auf eine Teilfläche des mit den Betriebshallen bebauten Bereiches in einer Tiefe von 30 bis 35 m sowie das ehemalige Betriebsleiterwohnhaus Hauberg 1 beschränkt, um die dortige zukünftige Nutzung an die ansonsten am Hauberg vorhandene Nutzungsstruktur einer straßenbegleitenden Bebauung anzupassen.

 

Vom Antragsteller gewünscht war darüber hinaus die Einbeziehung einer weiteren unbebauten Teilfläche seines Grundbesitzes, bei der es sich um ein landwirtschaftlich genutztes Gelände von ca. 25 m Breite handelt, welches sich an die östliche Gewerbehalle anschließt und an die Straße „Hauberg“ angrenzt. Hierzu trug der Eigentümer vor, dass der Bebauungszusammenhang im betroffenen Bereich auf der Südseite des Hauberges durch die Bebauungssituation der Wohnhausgrundstücke auf der anderen Straßenseite, Hauberg 2-4 bestimmt werde. Diese weisen im hinteren Grundstücksbereich teilweise großflächige Nebengebäude in massiver Bauweise auf, welche den bebauten Bereich an dieser Stelle über die Wohnhäuser hinaus nach Norden ausdehnen und nach der Art ihrer heutigen Nutzung (insbesondere Lagerung) der Hauptnutzung des jeweiligen Grundstückes zuzuordnen sind.

 

Der Fachausschuss ist in seiner Entscheidung zur Verfahrenseinleitung am 19.08.2008 der seinerzeitigen Beschlussempfehlung der Verwaltung gefolgt und hat die betroffene Teilfläche nicht in den Satzungsbereich einbezogen, da sie infolge der räumlichen Trennung durch die Straße gerade keine echte Baulücke darstellt, sondern das Gelände neben der Halle eindeutig dem Außenbereich zuzuordnen ist und im Falle ihrer Einbeziehung eine unzulässige Ausdehnung in den landwirtschaftlichen Freiraum bewirkt würde.

In den 90er Jahren wurde für den Siedlungsbereich am „Hauberg“ schon einmal ein Verfahren zur Aufstellung einer Außenbereichssatzung begonnen. Die damals einschlägige Ermächtigungsgrundlage für den Erlass einer Außenbereichssatzung nach dem BauGB-Maßnahmengesetz ist mittlerweile im Wesentlichen unverändert in den § 35 Abs. 6 BauGB übernommen worden. Für das damalige Verfahren wurde in Abstimmung mit der Bezirksregierung Düsseldorf als Genehmigungsbehörde eine von dem jetzigen Verfahrensgebiet geringfügig abweichende Abgrenzung festgesetzt, die sich an dem damals bestehenden Gebäudebestand orientierte. Hierbei wurde die gesamte bebaute Betriebsfläche der Papierfabrik einbezogen, nicht aber die Gartenfläche der Grundstücke Hauberg 2 bis 6.

 

Wegen planerisch nicht lösbarer Nutzungskonflikte aus dem seinerzeit noch bestehenden Betrieb der Kläranlage, der Papierfabrik sowie dem auf niederländischer Seite angrenzenden Pferdegestüt in Bezug auf die Wohnnutzung wurde das damalige Satzungsverfahren abgebrochen. Unabhängig von der vorgenannten Problematik war das Verbot der Ausdehnung des Satzungsgebiets in den Außenbereich hinein ebenfalls ein Aspekt, der in Abstimmungsgesprächen mit der damals noch als Genehmigungsbehörde fungierenden Bezirksregierung Düsseldorf thematisiert wurde.

 

Nach Bekanntwerden der Einleitung eines Verfahrens zur Aufstellung der Außenbereichssatzung „Hauberg“ am 19.08.2009 hat einer der Eigentümer des an den Satzungsbereich angrenzenden unbebauten Grundstückes zwischen dem Wohnhausgrundstück Hauberg 5 und dem Gelände der ehemaligen Kläranlage (Gemarkung Elten, Flur 4, Flurstücke 2537, 2538) mit Eingabe vom 10.01.2009 an den Rat den Antrag gestellt, seine Fläche ebenfalls in das Verfahren einzubeziehen.

 

Im Zusammenhang mit der sukzessiven Entwicklung des Siedlungsbereichs am Hauberg ist seitens der betroffenen Eigentümer auch schon früher ein Interesse an einer Bebauung dieses Grundstückes bekundet worden. Im Jahre 1991 wurde eine Bauvoranfrage für ein Wohnhaus gestellt, die von der Unteren Bauaufsichtsbehörde auf Grundlage des § 35 Abs. 2 BauGB abschlägig beschieden wurde. Im Rahmen eines Widerspruchsverfahrens wurde diese Entscheidung durch den Kreis Kleve bestätigt. Der weitere Rechtsweg wurde von den Antragstellern seinerzeit nicht eingeschlagen. Auf der Grundlage dieses Vorganges ist die betroffene Fläche seinerzeit nicht in den Verfahrensbereich des ersten Satzungsverfahrens einbezogen worden.

 

Nach Aufgabe der Kläranlage stellten die Eigentümer 1999 eine erneute Bauvoranfrage für zwei Wohnhäuser, die jedoch vor einer Entscheidung -vermutlich in Aussicht auf eine nochmalige Ablehnung- zurückgezogen wurde.

 

Der Antrag auf Einbeziehung des betreffenden Grundstückes wurde verwaltungsseitig als eine im Vorgriff auf die noch durchzuführende Offenlage des Satzungsentwurfes nach § 3 Abs. 2 BauGB vorgetragene Anregung verstanden und vom Rat am 03.02.2009 als Vorgang eines laufenden Satzungsverfahrens zunächst an den Fachausschuss verwiesen.


Da zu diesem Zeitpunkt noch die Beibringung umfangreicher Nachweise zur Verträglichkeit der durch die Satzung vorbereiteten Nutzungen in Bezug auf die naturschutzrechtlichen Belange des in unmittelbarer Nachbarschaft gelegenen Natura 2000-Schutzgebietes sowie zu den Altlastproblematiken aus der angrenzenden Hausmülldeponie und aus dem Betrieb der Papierfabrik ausstand, deren Ergebnisse die weitere Durchführung des Satzungsverfahrens hätten maßgeblich beeinflussen können, sollte die Entscheidung über den betreffenden Antrag auf Erweiterung des Satzungsgebietes erst nach Durchführung der Offenlage zusammen mit der Beratung über die dann vorliegenden übrigen Bedenken und Anregungen zum Satzungsentwurf erfolgen. Die Erstellung der erforderlichen Gutachten nahm insgesamt einen größeren Zeitraum in Anspruch, so dass die Offenlage des Satzungsentwurfes erst im Dezember 2009 bis Anfang Januar 2010 durchgeführt werden konnte.

 

Im Rahmen dieser Beteiligung trugen die betroffenen Eigentümer ihre Anregung auf Ausdehnung des Satzungsgebietes auf ihr Grundstück erneut vor, um auf diese Weise eine vermeintliche Gleichbehandlung in Bezug auf die Einbeziehung des Gartenbereiches der Grundstücke Hauberg 2 bis 6 in den Satzungsbereich zu bewirken. Es bestehe eine echte Baulücke zwischen ihrem Wohnhausgrundstück und den Betriebseinrichtungen der Pumpstation auf dem ehemaligen Kläranlagengelände sowie den Stallgebäuden auf dem als Pferdewiese genutzten Hinterland des Baugrundstückes Hauberg 7. Das derzeitig als landwirtschaftliche Grünfläche genutzte unbebaute Grundstück sei daher dem vorhandenen Siedlungsansatz zuzuordnen.

 

Im Nachgang zur Offenlage mussten zur Ausräumung von Bedenken der Unteren Bodenschutzbehörde noch erweiterte Bodenuntersuchungen auf dem Betriebsgelände der Papierfabrik durchgeführt werden. Die Beschlüsse zur Abwägung der Anregungen und Bedenken einschließlich der Entscheidung zum betroffenen Antrag auf Erweiterung des Satzungsbereiches konnten daher erst nach Vorlage einer entsprechenden positiven Gutachtenaussage in die Sitzungsfolge des Rates und seiner Fachausschüsse Juni/Juli 2010 eingestellt werden.

 

Einer der verwaltungsseitig erarbeiteten Beschlussvorschläge bezog sich auch auf den Antrag auf Einbeziehung des Grundstücks Hauberg 5, Gemarkung Elten, Flur 4, Flurstücke 2537, 2538 und enthielt eine ausführliche inhaltliche wie rechtliche Auseinandersetzung mit dem Instrument der Außenbereichssatzung insbesondere auch deren rechtlichen Grenzen, woraufhin die Verwaltung empfahl, der Anregung auf Einbeziehung der vorgenannten Flurstücke in den Satzungsbereich nicht zu folgen.

 

In der Sitzung des Ausschusses für Stadtentwicklung am 22.06.2010 wurde die Problematik der Rechtswidrigkeit einer Außenbereichssatzung im Falle der Einbeziehung der fraglichen Flurstücke nochmals ausgiebig erörtert, wobei die Verwaltung in diesem Zusammenhang ausführlich auf die Konsequenzen bei Zulassung des erweiterten Satzungsbereichs hinwies. Hierbei wurde bereits ausdrücklich auf mögliche Schadensersatzansprüche der Gemeinde im Falle der Beklagung einer Baugenehmigung im potentiellen Erweiterungsbereich der Satzung aufmerksam gemacht und auf die Beanstandungspflicht des Bürgermeisters im Sinne von § 54 Abs. 2 GO NRW im Falle einer Einbeziehung der Flurstücke hingewiesen.

Der Ausschuss der Stadtentwicklung stimmte dennoch entgegen dem Beschlussvorschlag der Verwaltung auf den in der Sitzung gestellten Antrag der CDU- und SPD-Fraktion dafür, die Flurstücke 2537 und 2538 in den Satzungsbereich mit einzubeziehen (Beratungsergebnis: 15 Ja-Stimmen, 6 Nein-Stimmen, 0 Enthaltungen) und empfahl dem Rat darüber hinaus, den Offenlageentwurf der Außenbereichssatzung „Hauberg“ als Satzung zu beschließen (Beratungsergebnis: 15 Ja-Stimmen, 6 Nein-Stimmen, 0 Enthaltungen), obwohl seitens der Verwaltung auch hier ausdrücklich darauf hingewiesen wurde, dass diese Vorgehensweise jeglicher Entscheidungsgrundlage entbehre.

 

In der Sitzung am 29.06.2010 schloss sich auch der Haupt- und Finanzausschuss den vorstehenden Beschlussempfehlungen des Ausschusses für Stadtentwicklung an und beschloss mit 12 Ja-Stimmen, 4 Nein-Stimmen und 2 Enthaltungen, dem Rat die Einbeziehung der Flurstücke 2537 und 2538 zu empfehlen, und stimmte mit 17 Ja-Stimmen, 0 Nein-Stimmen und 1 Enthaltung, dafür, dem Rat den Satzungsbeschluss zu empfehlen.

 

Der Rat der Stadt Emmerich bestätigte in der nachfolgenden Sitzung am 13.07.2010 trotz nochmaliger ausführlicher Erläuterung der möglichen rechtlichen Konsequenzen bei Nichtbefolgung der verwaltungsseitig erarbeiteten Beschlussvorschläge die Empfehlungen der vorgelaufenen Ausschussberatungen, indem er mit

 

18 Ja-Stimmen, 11 Nein-Stimmen und 2 Enthaltungen

gegen den unter Punkt 1.3 a der Vorlage 05-15 0204/2010-E1 formulierten Beschlussvorschlag der Verwaltung votierte und beschloss, dem Antrag der CDU-, der SPD- sowie der FDP-Fraktion zu folgen und den Satzungsbereich um die Grundstücke Gemarkung Elten, Flur 4, Flurstücke 2537, 2538 zu erweitern,

 

und mit

 

17 Ja-Stimmen, 11 Nein-Stimmen und 3 Enthaltungen

beschloss, „den Offenlageentwurf der Außenbereichssatzung „Hauberg“ einschließlich der Ergänzung der Altlastuntersuchung zum Grundstück Hauberg 1 gemäß § 35 Abs. 6 BauGB als Satzung“ zu beschließen.

 

 

 

B. Rechtliche Würdigung

 

§ 54 Abs. 2 GO NRW begründet die Beanstandungspflicht des Bürgermeisters. Diese Norm dient dem Zweck, die Gesetzmäßigkeit des Verwaltungshandelns zu gewährleisten und Maßnahmen der Aufsichtsbehörde weitestgehend zu vermeiden.

 

Demnach muss der Bürgermeister tätig werden, wenn er nach pflichtgemäßer Prüfung eines Ratsbeschlusses zu dem Ergebnis gelangt, dass dieser einen rechtswidrigen Beschluss gefasst hat.

 

Rechtswidrig sind Beschlüsse des Rates dann, wenn sie den bestehenden, zwingenden Rechtsvorschriften widersprechen. Die Maßstäbe für die Beurteilung der Rechtswidrigkeit ergeben sich aus dem jeweils anwendbaren formellen und materiellen Recht.

Die rechtliche Würdigung des Gesamtsachverhaltes führt zu dem Ergebnis, dass der am 13.07.2010 gefasste Satzungsbeschluss der Außenbereichssatzung „Hauberg“ materiell in mehrfacher Hinsicht rechtswidrig und damit zu beanstanden ist.

 

 

I. Formelle Rechtmäßigkeit

 

Ausschließlich der Rat der Stadt Emmerich am Rhein ist gemäß § 41 Abs. 1 g) GO NRW für abschließende Beschlüsse im Flächennutzungsplanverfahren und abschließende Satzungsbeschlüsse auf Grundlage des Baugesetzbuchs und des Maßnahmengesetzes zum Baugesetzbuch zuständig. Lediglich die vorbereitenden Beschlüsse, welche dem Satzungsbeschluss vorausgehen, können gemäß § 41 Abs. 2 GO NRW auf Ausschüsse übertragen werden, wovon die Staddt Emmerich am Rhein im Rahmen ihrer Hauptsatzung insoweit Gebrauch gemacht hat, dass sie gemäß § 7 Abs. 3 d) der Hauptsatzung dem Ausschuss  für Stadtentwicklung eine beratende Funktion in bauplanungs- und bauordnungsrechtlichen Angelegenheiten, die eine Entscheidung des Rates erfordern, zugewiesen hat.

 

Ermächtigungsgrundlage für den Erlass einer Außenbereichssatzung ist § 35 Abs. 6 BauGB, das Satzungsverfahren richtet sich ebenfalls nach den Vorschriften des Baugesetzbuches.

 

Aufgrund der lediglich beratenden Funktion des Ausschusses für Stadtentwicklung im Falle eines bauplanungsrechtlichen Satzungsverfahrens nach § 35 Abs. 6 Baugesetzbuch war der Rat der Stadt Emmerich am Rhein sowohl für den abschließenden Satzungsbeschluss als auch für die diesem Satzungsbeschluss zwingend einhergehenden Beschlüssen nach Durchführung der Offenlage und der Behördenbeteiligung – insbesondere für den Beschluss über die Einbeziehung des Grundstücks Hauberg 5, Gemarkung Elten, Flur 4, Flurstücke 2537 und 2538 in den Verfahrensbereich der Außenbereichssatzung zuständig.

 

 

II. Materielle Rechtmäßigkeit

 

Ein Ratsbeschluss ist nur dann materiell rechtmäßig, wenn dieser sämtlichen verbindlich zu beachtenden Rechtsvorschriften entspricht.

 

Der vom Rat der Stadt Emmerich am Rhein in seiner Sitzung am 13.07.2010 gefasste Satzungsbeschluss „Außenbereichssatzung Hauberg“ ist sowohl aufgrund der unrechtmäßigen, von den Tatbestandsvoraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage für eine Außenbereichssatzung, § 35 Abs. 6 BauGB, nicht gedeckten, Einbeziehung des Grundstückes Hauberg 5, Gemarkung Elten, Flur 4, Flurstücke 2537, 2538, in den Satzungsbereich, als auch aufgrund der Nichtdurchführung des gemäß § 13 Abs. 2 BauGB für einen geänderten Verfahrensbereich nochmals erforderlichen Offenlage- und Beteiligungsverfahrens rechtswidrig.


 

1. § 35 Abs. 6 BauGB

 

Maßgebliche materielle Rechtsnorm für den Erlass einer Außenbereichssatzung ist § 35 Abs. 6 BauGB. Nach dieser Vorschrift kann die Gemeinde für bebaute Bereiche im Außenbereich, die nicht überwiegend landwirtschaftlich geprägt sind und in denen Wohnbebauung von einigem Gewicht vorhanden ist, durch Satzung bestimmen, dass Wohnzwecken dienenden Vorhaben im Sinne des § 35 Abs. 2 BauGB nicht entgegengehalten werden kann, dass sie einer Darstellung im Flächennutzungsplan über Flächen für die Landwirtschaft oder Wald widersprechen oder die Entstehung oder Verfestigung einer Splittersiedlung befürchten lassen.

 

 

a) Bebauter Bereich im Außenbereich mit Wohnbebauung von einigem Gewicht

Voraussetzung für den Erlass solch einer Satzung ist zunächst, dass ein bebauter Bereich im Außenbereich vorliegt, der eine Wohnbebauung von einigem Gewicht aufweist. Unter diesem Begriff ist eine vorhandene Bebauung zu verstehen, die nicht Ortsteileigenschaft im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB hat (vgl. Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, § 35, Rn. 169; Battis/Kautzberger/Löhr, BauGB, § 35, Rn. 119).

 

Die vorhandene Bebauung muss auf eine weitere Bebauung im Wege der baulichen Verdichtung hindeuten; erforderlich hierfür ist, dass die Bebauung eine gewisse Zusammengehörigkeit und Geschlossenheit erkennen lässt, die sie als Weiler, Splittersiedlung oder sonstigen Siedlungsansatz qualifiziert (BVerwG, Urt. v. 13.07.2006, 4 C 2/05, Rn. 13, zit. nach juris, zuvor bereits OVG NRW; Urt. v. 18.11.2004, 4 A 4415/03, Rn. 73 ff, zit. nach juris). Die Freiflächen dürfen diesen Zusammenhang nicht unterbrechen; die vorhandene Bebauung muss über ein Mindestmaß an räumlicher Zuordnung und prägender Wirkung verfügen (BVerwG sowie OVG NRW a.a.O.), wobei die Beurteilung einer echten Wertung und Bewertung des konkreten Sachverhaltes unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung bedarf.

 

Für die Beurteilung der Gewichtigkeit der Wohnbebauung ist nicht die im Satzungsgebiet vorhandene Bebauung insgesamt, sondern allein die Wohnzwecken dienende Bebauung maßgeblich. Die Wohnnutzung muss in dem bebauten Bereich bereits ein städtebauliches Gewicht haben (BVerwG, Urt. v. 13.07.2006, 4 C 2/05, zit. nach juris, vgl. auch Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau vom 13.02.1990, BTDrucks 11/6636, S. 30). Sie darf der anderen Zwecken dienenden Bebauung nicht untergeordnet sein. Vielmehr muss die Funktion des Außenbereichs, als Freiraum oder als Fläche für privilegierte Vorhaben zu dienen, im bebauten Bereich maßgebend durch die vorhandene Wohnbebauung beeinträchtigt werden (Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, § 35, Rn. 169).

 

Bei der Straße „Hauberg“ handelt es sich, wie aus dem beigefügten Luftbild sowie der Plandarstellung des verwaltungsseitig erarbeiteten Satzungsbereichs ersichtlich, um eine lockere Bebauung von insgesamt 15 Wohnhäusern in vorwiegender Einzel- und Doppelhausbehauung, welche sich teilweise einseitig, in einigen Bereichen auch zweiseitig direkt entlang der Straße Hauberg auf einer Gesamtlänge von ca. 250 m aneinanderreiht. Lediglich die an die Straße angrenzenden Flurstücke 2382, 2383, teilw. 1996, 2467, 2659 haben noch keine Bebauung erfahren.


Außer den benannten Gebäuden ist der Bereich rund um die Straße Hauberg sowie der an den Hauberg angrenzenden Lobither Straße abgesehen von ganz vereinzelt vorhandenen außengebietstypischen Gebäuden unbebaut und wird ausschließlich zu landwirtschaftlichen Zwecken genutzt. Die Straße „Hauberg“ mündet auf niederländischem Staatsgebiet in ein landwirtschaftlich genutztes Grundstück; die Befahrbarkeit der Straße ist unmittelbar jenseits der westlichen Satzungsgrenze faktisch nicht mehr möglich. Im östlichen Bereich des Satzungsgebiets befinden sich derzeitig die noch vorhandenen Gebäude einer Papierfabrik, deren Nutzung bereits vor geraumer Zeit aufgegeben wurde.

 

Es ist daher unzweifelhaft von einer Bebauung im Außenbereich auszugehen, die rundherum von außenbereichstypischen Nutzungen umgeben ist.

 

Die Tatsache, dass die fast ausschließlich vorhandene Wohnbebauung, von einigen untergeordneten Nebenanlagen in den Gartenbereichen der Wohngrundstücke abgesehen, im gesamten verwaltungsseitig erarbeiteten Satzungsbereich entlang der Straße „Hauberg“ aufzufinden ist, vermittelt dem Betrachter den Eindruck einer Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit, wobei die noch vorhandenen Freiflächen nicht störend, sondern einer Verdichtung in Form von Ansätzen zur Entwicklung eines Wohnortes zugänglich erscheinen (Battis/Kautzberger /Löhr, BauGB, § 35, Rn. 119). Hierbei ist auch die Anzahl der Gebäude allein nicht entscheidend, es kommt auf die konkreten Gegebenheiten an.

 

Dem durchschnittlichen Betrachter fallen bei Begutachtung der Straße „Hauberg“ zunächst die Wohnnutzungen ins Auge. Landwirtschaftstypische Nutzungen oder sonstige im Sinne des § 35 Abs. 1 BauGB privilegierte Nutzungen sind innerhalb des verwaltungsseitig erarbeiteten Satzungsbereiches nicht zu erkennen, so dass die Wohnbebauung definitiv von einigem Gewicht ist. Die Freiflächen zwischen den jeweiligen Wohngebäuden erscheinen einer Vervollständigung des Bereiches zugänglich, um diesen Eindruck der Geschlossenheit noch zu verstärken.

Auch die topografische Situation des betroffenen Siedlungsansatzes stützt einen solchen Eindruck. Diese stellt sich als kleinere Anhöhe innerhalb einer Niederung dar, die bis zu 3 m aus den angrenzenden Freibereichen herausragt und bereits in früheren Zeiten als offensichtlich weniger hochwassergefährdete Stelle besiedelt wurde. Insbesondere die Absenkung des Geländes entlang der südlichen und westlichen Grenze des Satzungsbereiches, erweckt den Eindruck, dass sich der vorhandene bebaute Bereich entlang der Straße „Hauberg“ als eine organische gewachsene Siedlungsstruktur in sich schließt.

 

 

b) Verbot der Ausdehnung in den unbebauten Bereich

Abweichend von der skizzierten Geschlossenheit des vorhandenen Siedlungsansatzes hat der Rat der Stadt Emmerich am Rhein im Rahmen des Satzungsbeschlusses vom 13.07.2010 ebenfalls den Beschluss gefasst, den ursprünglichen Satzungsbereich um das Grundstück Hauberg 5, Gemarkung Elten, Flur 4, Flurstücke 2537, 2538 und somit den Verfahrensbereich um eine unbebaute Fläche in einer Gesamtgröße von insgesamt ca. 1.700 m² südlich der Satzungsgrenze zu erweitern.

Diese Ausdehnung in den unbebauten Bereich ist von der Ermächtigungsgrundlage des § 35 Abs. 6 BauGB nicht gedeckt. Das Planungsinstrument der Außenbereichssatzung dient nicht dazu, die bereits vorhandene Bebauung in den Außenbereich hinein zu erweitern, sondern nur ihre bauliche Verdichtung durch Schließung vorhandener Lücken zu ermöglichen (vgl. OVG NRW, Urt. v. 18.11.2004, AZ 7 A 4415/03 Rn. 95 ff; bestätigt durch BVerwG, Urt. v. 13.07.2006, 4 C 2/05 Rn. 13, zit. nach juris, vorab unter anderem bereits OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 5.10.2000, 3 L 306/98, Rn. 46 f m.w.N., zit. nach juris).

 

Die Einbeziehung der Flurstücke 2537 und 2538 würde aber gerade solch eine Erweiterung nach sich ziehen. Bei den betroffenen beiden Flurstücken, die eine wirtschaftliche Einheit bilden, handelt es sich um ein Wiesengrundstück, welches von jeher frei von jeglichen Bauwerken gewesen ist. Die Tatsache, dass sich südlichwestlich dieser betreffenden Flurstücke noch Betriebseinrichtungen einer Pumpstation auf dem ehemaligen Kläranlagengelände sowie nordwestlich auf dem Grundstück Hauberg 7 kleine Stallgebäude befinden, kann ebenfalls nicht den Eindruck einer Baulücke innerhalb eines bestehenden Bebauungszusammenhanges begründen. Bereits die in der Örtlichkeit vorzufindende Entfernung der nächstgelegenen Wohnhäuser Hauberg 1, 5 und 7 zur den Einrichtungen der öffentlichen Abwasserentsorgung beträgt unter Annahme des geringsten Abstandes mehr als 50 m und kann, betrachtet man den Abstand zwischen den übrigen im Satzungsbereich befindlichen Gebäuden, schon nicht mehr unter Annahme einer Baulücke als dem Bebauungszusammenhang zugeordnet werden, zumal dieser Abstand die zwischen den sonstigen Wohnhäusern vorzufindenden Abstände überwiegend um ein Mehrfaches übersteigt.

 

Ebenso verhält es sich bezüglich der Flächenverhältnisse. Die im verwaltungsseitig erarbeiteten Satzungsbereich befindlichen Freiflächen unterschreiten die Fläche der betreffenden Flurstücke 2537, 2538 um ein Vielfaches, so dass aus diesem Grunde das Vorhandensein einer Baulücke im vergleichbaren Sinne ebenfalls nicht gegeben ist.

 

Auch aus topographischer Sicht kann ein Bebauungszusammenhang nur verneint werden. Betrachtet man die südliche Bebauungsreihe der Straße „Hauberg“, ist ein abschüssiger  Verlauf des Geländes zu erkennen, die Anlagen der Pumpstation sowie der Stallanlagen liegen deutlich tiefer als die Wohnbebauung, so dass auch hieraus keinerlei Zusammengehörigkeit und Einheitlichkeit abgeleitet werden kann.

 

Zudem impliziert der Begriff des „Zusammenhanges“ nach natürlichem Verständnis eine bestimmte Zugehörigkeit und Gleichartigkeit. Die vorhandene Wohnnutzung entlang des „Hauberges“ kann gegenüber den Einrichtungen der Pumpstation sowie der Stallanlagen keine Gleichartigkeit begründen, vielmehr schließen sich Wohnnutzung und kommunale Entsorgungseinrichtungen geradezu aus und können somit auch keinen Zusammenhang bilden. Darüber hinaus geht auch die obergerichtliche Rechtsprechung im Wesentlichen davon aus, dass sich ein Bebauungszusammenhang nur aus gleichartigen Gebäuden ableiten lässt. Da eine Außenbereichssatzung auf dem Vorhandensein einer überwiegenden Wohnbebauung aufbaut, wird hieraus abgeleitet, dass nur ein Freibereich zwischen Wohngebäuden überhaupt, zumindest aber ein Gebäude, das dem überwiegenden Aufenthalt von Menschen dient, einen Bebauungszusammenhang konstruieren kann (so z.B. OVG Lüneburg, Urt. v. 27.07.2000, 1 L 4472/99, Rn. 26, zit. nach juris).

Weder die baulichen Anlagen der Pumpstation noch die Stallanlagen werden diesen Ansprüchen gerecht, so dass auch aus diesem Gesichtspunkt heraus das Vorhandensein eines Bebauungszusammenhangs nur verneint werden kann.

 

Auch kann der Wortlaut des § 35 Abs. 6 BauGB selbst zu keinem anderen Ergebnis führen. Nach der gesetzlichen Regelung können mittels des Planungsinstruments der Außenbereichssatzung neben bestimmten Darstellungen im Flächennutzungsplan die öffentlichen Belange des Entstehens und der Verfestigung einer Splittersiedlung aus dem Prüfungskatalog des § 35 Abs. 3 BauGB ausgeschlossen werden. Nicht erfasst ist ausdrücklich die Erweiterung einer Splittersiedlung. Hierdurch bringt bereits der Gesetzgeber zum Ausdruck, dass das Instrument der Außenbereichssatzung nicht dazu dient, neues Bauland zu schaffen, sondern lediglich für einen bereits vorhandenen historisch gewachsenen Siedlungsansatz innerhalb eines Bebauungszusammenhanges für bestimmte Vorhaben erleichterte Zulassungsvoraussetzungen zu schaffen (vgl. hierzu auch BayVGH, Urt. v. 19.04.1999, 14 B 98.1902, Rn. 15, zit. nach juris sowie OVG NRW, Urt. v. 17.04.2009, 10 D 27/07.NE, Rn. 23, zit. nach juris).

 

Genau das aber geschähe im Falle der Zulassung der Einbeziehung der Flurstücke 2537, 2538, indem diese erleichterten Voraussetzungen auch einer Fläche in so genannter „zweiter Reihe“ zugebilligt werden würden und somit die vorhandene Siedlungsstruktur – lediglich straßenbegleitende Bebauung – eine neue Gestaltung erfahren würde und der derzeitig vorhandene Gebäudebestand eine wesentliche Erweiterung erfahren könnte. Direkt an die südlich der Straße „Hauberg“ gelegenen Wohnhäuser schließen abgesehen von den untergeordneten Stallanlagen sowie der Anlagen der Pumpstation der ehemaligen Kläranlagen unmittelbar an die jeweiligen Hausgartenbereiche lediglich vollständige Frei- und Grünflächen an, welche, wie aus den Luftbildern ersichtlich sind, eine typische landwirtschaftliche Nutzung erfahren. Diese Freiflächen münden dann in einen Altrheinarm, welcher sich bereits auf niederländischem Staatsgebiet befindet und in das Natura 2000-Schutzgebiet „De Gelderse Poort“ einbezogen ist.

 

Die an den Siedlungsbereich am Hauberg angrenzenden unstrittig vorhandenen außenbereichstypischen Verhältnisse würden durch die erleichterte Zulassung von Wohnvorhaben mittels des Instrumentes einer Außenbereichssatzung unzweifelhaft eine Zersiedelung erfahren, womit das Freihaltegebot des Außenbereichs unterlaufen würde.

 

Nicht zuletzt aus diesem Grunde verläuft die im östlichen Satzungsbereich festgelegte Satzungsgrenze an keiner Stelle in einem größeren Abstand als 35 m zur Straße „Hauberg“, so dass im Rahmen der künftig möglichen Realisierung einer beschränkten Anzahl von Wohnbereichsvorhaben auf der im östlichen Bereich derzeitig vollständig versiegelten Fläche sogar noch ein Teil der derzeitig keiner außenbereichsverträglichen Nutzung zugänglichen Teilflächen wieder entsiegelt werden soll und somit auch in diesem Bereich die vorhandene Struktur der straßenbegleitenden Bebauung erreicht werden soll.

 

Da somit die Einbeziehung der Flurstücke 2537, 2538 in den Satzungsbereich unter keinerlei Gesichtspunkten von Wortlaut, Sinn und Zweck des § 35 Abs. 6 BauGB gedeckt ist, ist diese zweifellos rechtswidrig gewesen.


 

c) Keine Vereinbarkeit mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung

Zwar kommt es auf die Frage der Vereinbarkeit der durch den Rat beschlossenen Satzung mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung im Sinne des § 35 Abs. 6 Satz 4 Nr. 1 BauGB aufgrund der bereits rechtswidrigen Erweiterung des Satzungsbereichs nicht mehr an, allerdings wäre diesbezüglich ebenfalls eine Vereinbarkeit zu verneinen und der Ratsbeschluss auch aus diesen Gründen rechtswidrig.

 

Die Vereinbarkeit einer Außenbereichssatzung mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung beurteilt sich insbesondere nach den Grundsätzen der Bauleitplanung in entsprechender Anwendung des § 1 Abs. 1 – 7 BauGB (Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, § 35 Rn. 170). Sie ist nach Rechtsprechung und Literatur bereits dann zu verneinen, wenn offensichtlich ist, dass die durch die Satzung begünstigter Vorhaben aus anderen Rechtsgründen nicht verwirklicht werden können (vgl. hierzu u.a. BayVGH, Urt. v. 12.08.2003, 1 BV 02.1727, Rn. 27, zit. nach juris).

 

Da, wie bereits unter b) erläutert, die Zulassung einer Erweiterung einer Bebauung in den Außenbereich hinein nicht von der Ermächtigungsgrundlage des § 35 Abs. 6 BauGB gedeckt ist und somit bei Zulassung von Wohnbereichsvorhaben in den Außenbereich hinein das Tatbestandmerkmal „Befürchtung einer Erweiterung einer Splittersiedlung“ im Sinne von § 35 Abs. 3 Nr. 7 BauGB zu prüfen und auf den betreffenden Flurstücken 2537, 2538 generell zu bejahen sein wird, kann das gesetzlich verfolgte Ziel einer Außenbereichssatzung – Schaffung von erleichterten Voraussetzungen für bestimmte Vorhaben – nicht erreicht werden, da die betreffenden Vorhaben, planungsrechtlich unzulässig wären.

 

Auch wäre die Vereinbarkeit der betreffenden Vorhaben in dem um die Flurstücke 2537, 2538 erweiterten Satzungsbereich auch mit anderen öffentlichen Belangen in Zweifel zu ziehen, so unter anderem § 35 Abs. 3 Nr. 2, 4, 5, 6 BauGB. Eine Abwägung und Berücksichtigung dieser Belange im Rahmen des bisherigen Satzungsverfahrens hat bislang für den Gesamtbereich nicht stattgefunden, da der verwaltungsseitig erarbeitete Vorschlag diese Fläche nicht enthalten hat.

 

Da durch die Erweiterung des Satzungsbereichs um ca. 1.700 m² nicht ausgeschlossen ist, dass die vorgenannten Belange anders zu beurteilen sind, so zum Beispiel sich die Auswirkungen auf Straßen, Ver- und Entsorgungsleitungen, den Wasserhaushalt, den Bodenschutz, insbesondere aufgrund eines Heranrückens von Wohnnutzungen an den Bereich „Natura 2000“, welcher als Naturschutzgebiet einer besonderen Berücksichtigung bedarf, wesentlich vergrößern würden, wäre eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange unter diesen Voraussetzungen durchaus möglich und ein Vorhaben bereits aus diesen Gründen planungsrechtlich unwirksam.

 

Es widerspricht dazu den allgemeinen städtebaulichen Grundsätzen, Flächen in einen Satzungsbereich mit einzubeziehen, ohne die jeweiligen städtebaulichen Folgen entsprechend abgewogen zu haben, so dass sich bereits aus diesem Abwägungsmangel in Form der Nichtabwägung vorbehaltlich des Ergebnisses in tatsächlicher Hinsicht eine Rechtswidrigkeit ergibt.

Darüber hinaus wäre bereits aus den ganz allgemeinen städtebaulichen Grundsätzen der Erforderlichkeit einer planungsrechtlichen Maßnahme heraus die Erforderlichkeit eines erweiterten Satzungsbereiches der betreffenden Außenbereichssatzung zu verneinen gewesen.

 

Aufgrund der im Gemeindegebiet vorzufindenden Gegebenheiten bleibt festzuhalten, dass der derzeitig vorhandene Bedarf an Wohnbauflächen bis auf weiteres auch in den kommenden Jahren problemlos durch die bereits bauleitplanerisch entwickelten Flächen sowie durch die Freiflächen im Innenbereich gedeckt werden kann und eine Erweiterung der vorhandenen Wohnbauflächen insgesamt somit überhaupt nicht indiziert ist. Nicht zuletzt wäre für solch eine Gebietsentwicklung auch unter rechtspolitischen Aspekten die Außenbereichssatzung das völlig falsche bauplanungsrechtliche Element (vgl. Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, § 35, Rn. 168), da hiermit gerade keine neuen Bauflächen entwickelt werden sollen. Hierfür sieht das Baugesetzbuch gesonderte planungsrechtliche Instrumente vor.

 

 

d) Keine Berücksichtung von § 35 Abs.6 Satz 4 Nr. 3 BauGB

In Anlehnung an die bereits unter c) gemachten Ausführungen wäre eine Rechtwidrigkeit des Satzungsbeschlusses auch aufgrund der fehlenden Berücksichtigung des § 35 Abs. 6 Satz 4 Nr. 3 BauGB gegeben, da auch hier eine Auseinandersetzung mit der Frage der Beeinträchtigung der in § 1 Abs.6 Nr. 7 Buchstabe b) BauGB genannten Belange für den erweiterten Satzungsbereich nicht stattgefunden hat.

 

 

e) Ermessensfehler

Nicht zuletzt wäre der Erlass einer Außenbereichssatzung bei Einbeziehung von Freiflächen auf Antrag eines Eigentümers auch ermessensfehlerhaft. Bei der Vorschrift des § 35 Abs. 6 BauGB handelt es sich um eine Ermessensvorschrift, auf dessen Anwendung ein Grundstückseigentümer aufgrund Sinn und Zweck dieser Vorschrift keinen Anspruch hat. Es besteht lediglich ein Anspruch des Betreffenden auf ermessensfehlerfreie Entscheidung der Gemeinde, sofern diese den Erlass einer Außenbereichssatzung erwägt. Zu berücksichtigen ist im Rahmen der Abwägung, ob die Interessen der betroffenen Eigentümer unangemessen beeinträchtigt werden. Das wäre insbesondere dann der Fall, wenn diese infolge der Entscheidung der Gemeinde einen wirtschaftlichen Nachteil gegenüber ihrer jetzigen Situation erleiden würden, da sie zum Beispiel ihr Grundstück nicht mehr in dem Ausmaß wie vor Erlass der Außenbereichssatzung nutzen könnten.

 

Letzteres trifft für die Flurstücke 2537 und 2538 nicht zu, da sich deren landwirtschaftlichen Nutzungsmöglichkeiten nicht verändern, wenn sie zukünftig an eine Außenbereichssatzung angrenzen, jedoch nicht in diese einbezogen werden. In diesem Fall wird sich auch die planungsrechtliche Beurteilung, wie sie der ablehnenden Entscheidung der seinerzeitigen Bauvoranfrage zugrunde lag, durch das Satzungsverfahren nicht verändern. Eine gerichtliche Klärung der Zulässigkeit einer Bebauung solcher an einen Satzungsbereich angrenzender Außenbereichsfreiflächen im Rahmen von Bauvoranfragen bleibt den Eigentümern weiterhin unbenommen.

Eine Entscheidung zu Gunsten der Eigentümer und die Erleichterung der Realisierung einer Wohnbebauung würden jedoch wie aus den vorherigen Ausführungen ersichtlich, nicht mit der gesetzgeberischen Intention in Bezug auf § 35 Abs. 6 BauGB einhergehen, sondern die persönlichen und wirtschaftlichen Interessen des Antragstellers in den Vordergrund stellen, was gerade im Falle einer geordnete städtebaulichen Entwicklung nicht geschehen soll.

 

 

2. § 35 Abs. 6 Satz 5 in Verbindung mit § 13 Abs. 2 Nr. 2 und 3 BauGB

 

Der Satzungsbeschluss ist auch aufgrund des Verstoßes gegen die Anforderungen des § 35 Abs. 6 Satz 5 i.V.m. § 13 Abs. 2 Nr. 2 und 3 BauGB materiell rechtswidrig, da die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 und 3 BauGB nicht entsprechend angewendet worden sind.

 

Der Rat der Stadt Emmerich am Rhein hat in der Sitzung am 13.07.2010 zunächst den Beschluss über die rechtswidrige Einbeziehung der Flurstück 2537, 2538 in den Satzungsbereich und in gleicher Sitzung den Satzungsbeschluss für die Außenbereichssatzung „Hauberg“ einschließlich dieser Erweiterung gefasst.

 

Voraussetzung für einen Satzungsbeschluss ist jedoch, dass zuvor die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung im Sinne von § 13 Abs. 2 Nr. 2 und 3 BauGB auch für den Satzungsbereich einschließlich seiner zeichnerischen und textlichen Bestimmungen durchgeführt worden ist, welcher inhaltlich mit dem des Satzungsbeschlusses übereinstimmt.

 

Die zuvor durch Ratsbeschluss festgelegte wesentliche Veränderung und Erweiterung des Satzungsbereichs hätte – vorbehaltlich der bereits erläuterten materiellen Rechtswidrigkeit – in analoger Anwendung des § 4a Abs. 3 Satz 1 BauGB einer erneuten öffentlichen Auslegung bedurft, ebenso wie erneut Stellungnahmen sämtlicher Beteiligten einzuholen gewesen wären.

 

Das Ergebnis dieser erneuten Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung hätte einer erneuten Abwägung bedurft, was in diesem Falle nicht erfolgt ist.

 

 

Hinweis:

Wird meiner rechtlichen Würdigung in einem bestätigenden Beschluss des Rates widersprochen – hält der Rat also trotz der Beanstandung an seinem Votum fest – so habe ich die Pflicht, unverzüglich die Entscheidung des Landrates Kleve als zuständige Aufsichtsbehörde einzuholen.

 

Eine Beanstandung hat gemäß § 54 Abs. 2 Satz 2 GO NRW aufschiebende Wirkung. Diese aufschiebende Wirkung bleibt bestehen, bis der Rat den die Beanstandung begründenden Beschluss aufhebt bzw. für den Fall, dass der Rat an seinem Beschluss festhält, bis zur Bescheidung durch die Kommunalaufsicht.

 


 

 

Vorbemerkung zu den Beschlussvorschlägen 1) - 4):

 

Unter der Voraussetzung, dass der Rat der Beschlussempfehlung zu Punkt 1 folgt und seinen Satzungsbeschluss vom 13.07.10 aufhebt, wäre in verfahrensrechtlicher Hinsicht eine unmittelbare Fortsetzung des Satzungsverfahrens möglich. Um eine für diesen Fall unnötige zeitliche Verschiebung des Verfahrensabschlusses in die nächste Sitzungsfolge zu vermeiden, wird mit den weiteren Beschlussvorschlägen dieser Vorlage eine abschließende Abwägung der vorgetragenen Anregungen und Bedenken sowie der Satzungsbeschluss mit einem vorlaufenden städtebaulichen Vertrag vorbereitet. Diese Abschnitte der Vorlage entsprechen inhaltlich denen der Beschlussvorlage 05-15 0204/2010-E1 vom 13.07.10.

 

Für den Fall der Ablehnung des Beschlussvorschlages zu 1) und Festhalten des Rates der Stadt Emmerich am Rhein an seinem Votum vom 13.07.2010 ist an dieser Stelle die weitere Beratung und Beschlussfassung abzubrechen, da sich der vorgelegte Satzungsentwurf einschließlich der Aussagen der Gutachten auf den Satzungsbereich des Einleitungsbeschlusses vom 19.08.09 beschränkt.

 

Die zu den Punkten 2 bis 4 dieser Vorlage vorbereiteten Beschlüsse entbehren in diesem Falle entsprechend meiner unter Punkt 1 getätigten Ausführungen zur ordnungsgemäßen Verfahrensdurchführung einer ausreichenden Entscheidungsgrundlage und wären daher ebenfalls erneut rechtswidrig.

 

 

 

Zu Beschlussvorschlag 2):      Abwägungsbeschluss zum Antrag auf Erweiterung des Satzungsgebietes

 

Wird dem Beschlussvorschlag unter Pkt. 1 Folge geleistet und der unter Tagespunkt 3 der Vorlage 05-15 0204/2010-E1 am 13.07.2010 gefasste Satzungsbeschluss aufgehoben, bedarf es im Rahmen des ordnungsgemäß weiterzuführenden Satzungsverfahrens noch eines formellen Abwägungsbeschlusses zum Antrag auf Satzungsgebietserweiterung. Unter Bezugnahme auf die Ausführungen zum Punkt 1 ergeht daher der Verwaltungsvorschlag, den Antrag auf Verfahrensgebietserweiterung um das Grundstück Gemarkung Elten, Flur 4, Flurstücke 2537 und 2538 zurückzuweisen.

 

 

 

Zu Beschlussvorschlag 3):      Städtebaulicher Vertrag

 

Zur Ausräumung der Bedenken des Landesbetriebes Straßenbau NRW gegen die Aufstellung der Außenbereichssatzung, durch die ein Mehrverkehr über den Anbindungspunkt der Straße Hauberg an die Lobither Straße ( L 472 ) vorbereitet wird, bedarf es der Durchführung einer mit der betroffenen Behörde abgestimmten Straßenbaumaßnahme kleineren Umfanges im Einmündungsbereich des Haubergs. Die Realisierung dieser sich aus der Begründung der Satzung ergebenden Maßnahme soll dem Eigentümer der Eltener Papierfabrik als Vorhabenträger übertragen werden. Hierzu bedarf es eines städtebaulichen Vertrages gemäß § 11 BauGB.

Die Abfassung des städtebaulichen Vertrages zur Außenbereichssatzung ist vor dem Satzungsbeschluss erforderlich, da hierin die Durchführung der sich aus der Satzung ergebenden Maßnahme gesichert wird. Der Vertrag ist daher als Bestandteil der Satzung zu betrachten.

 

Der beiliegende Vertragsentwurf liegt vom Vorhabenträger unterschrieben vor.

 

 

 

Zu Beschlussvorschlag 4):      Erneuter Satzungsbeschluss

 

Der beiliegende Entwurf der Außenbereichssatzung entspricht mit seiner Gebietsfestlegung und seinem Bestimmungen der Fassung der öffentlichen Auslegung. Seine Begründung wurde nach Durchführung der öffentlichen Auslegung zur Abwägung vorgetragener Stellungnahmen geringfügig geändert und insbesondere um das erweiterte Bodengutachten zum Altstandort Hauberg 1 ergänzt. Diese Ergänzungen runden die erforderlichen Erläuterungen der betroffenen öffentlichen Belange ab, ohne die Regelungen der Satzung zu ändern. In analoger Anwendung des § 4a Abs. 3 Satz 4 BauGB kann von daher von einer erneuten öffentlichen Auslegung des Satzungsentwurfes abgesehen werden.

 

Durch die Aufstellung der Außenbereichssatzung für den Siedlungsbereich an der Straße „Hauberg“ wird die betroffene Fläche nicht dem Außenbereich entzogen. Lediglich das Spektrum der im Außenbereich zulässigen Nutzungen wird formell auf dort ohnehin schon vorhandene, ansonsten aber außenbereichsuntypische Nutzungen erweitert. Die Satzung bezweckt insofern eine begrenzte Fortentwicklung des bestehenden Wohnsiedlungsansatzes und die Ermöglichung einer Nachnutzung des Geländes der ehemaligen Eltener Papierfabrik in Anpassung an die vorhandene Nutzungsstruktur.

 

In der Begründung wird nachgewiesen, dass die Ermächtigungsgrundlagen des § 35 Abs. 6 BauGB erfüllt sind. Danach

ist die Satzung mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung des Bereiches vereinbar

werden keine Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach UVPG oder Landesrecht unterliegen, vorbereitet,

sind keine unzulässigen Auswirkungen auf den benachbarten Natura 2000-Bereich auf niederländischem Staatsgebiet zu erwarten.

 

Von der Möglichkeit, in der Außenbereichssatzung neben der Zulässigkeit von Wohnbebauung und nicht störendem Kleingewerbe weitere nähere Bestimmungen über die Zulässigkeit von Vorhaben zu treffen, wird Gebrauch gemacht. Es handelt sich hierbei um Regelungen des zulässigen Maßes der baulichen Nutzung für die hinzukommende Wohnbebauung durch Beschränkung der Bauweise auf eingeschossige Einzel- und Doppelhäuser, Ausschluss einer Bebauung in zweiter Reihe sowie Einschränkung der Anzahl der Wohneinheiten pro Gebäude zum Ausschluss einer Mehrfamilienhausbebauung.

Finanz- und haushaltswirtschaftliche Auswirkungen :

 

Die Maßnahme hat keine finanz- und haushaltswirtschaftlichen Auswirkungen.

 

 

Leitbild :

 

Die Maßnahme steht im Einklang mit den Zielen des Leitbildes Kapitel 1.2.

 

Gez.

Der Vorsitzende