Betreff
Einrichtung einer neuen Obdachlosenunterkunft im Gebäude Tackenweide 17 in Emmerich am Rhein
Vorlage
06 - 15 0277/2010
Art
Verwaltungsvorlage

Kenntnisnahme

 

Der Sozialausschuss nimmt die Ausführungen der Verwaltung zur Kenntnis

 

Sachdarstellung :

Unter Obdachlosigkeit wird ein Zustand definiert, in dem Menschen über keinen festen Wohnsitz verfügen und im öffentlichen Raum, im Freien oder in Notunterkünften übernachten.

 

  Allgemein wird unterschieden zwischen "freiwilliger" und "unfreiwilliger" Obdachlosigkeit. Ein "freiwillig Obdachloser" ist eine Person, die ohne feste Unterkunft von Ort zu Ort zieht und keinen Anspruch auf Unterbringung erhebt, weil sie den Entschluss "auf der Straße zu leben" gefasst hat. Für die Kommunen sind aber vor allem die Sachverhalte von Interesse, bei denen Personen unfreiwillig obdachlos werden. Diese unfreiwillige Obdachlosigkeit hat überwiegend folgende Ursachen:

 

a)       Mietschulden und damit Verlust der Wohnung durch Zwangsräumung

b)       Arbeitslosigkeit

c)       Krankheit

d)       Suchtverhalten

e)       fehlende Resozialisierung von Strafgefangenen

f)        psychische Störungen.

 

1.       Obdachlosigkeit als Aufgabe der Gefahrenabwehr

 

          Die Bekämpfung der unfreiwilligen Obdachlosigkeit ist eine staatliche Aufgabe, weil sie als "Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung" angesehen wird (§ 14 Ordnungsbehördengesetz NRW). Das Vorliegen einer Gefahr ist darin zu sehen, dass ein unfreiwilliger schutzloser Aufenthalt unter freiem Himmel mit Gesundheitsgefahren verbunden ist, die das Recht des Obdachlosen auf körperliche Unversehrtheit beeinträchtigen. Es gebietet die Menschenwürde einem Obdachlosen den ganzen Tag über eine geschützte Sphäre in Gestalt einer Unterkunft zur Verfügung zu stellen.

 

          Die örtliche Ordnungsbehörde ist deshalb verpflichtet, die Obdachlosigkeit als Störung der Öffentlichen Sicherheit zu verhindern oder zu beseitigen.

 

2.       Abgrenzung der Kompetenzen von Obdachlosen- und Sozialbehörden

 

          Wie oben ausgeführt ist die Beseitigung der Obdachlosigkeit originär eine ordnungsrechtliche Aufgabe. Bei der Frage der Beseitigung der Obdachlosigkeit spielen die Sozialbehörden jedoch eine sehr wichtige Rolle. Von daher ist die Zusammenarbeit zwischen Ordnungs- und Sozialbehörde bei der Bekämpfung der Obdachlosigkeit von zentraler Bedeutung. Das Sozialgesetzbuch enthält einerseits den finanziellen Rahmen für mittellose Obdachlose, aber auch weitere Wege zur Unterstützung hilfsbedürftiger Obdachlosen. Eine wichtige Komponente ist hier insbesondere die Möglichkeit der Übernahme von Mietschulden. Auf diese Weise soll Wohnungslosigkeit verhindert werden. Wohnungslosigkeit droht dann einzutreten, wenn die bisher bewohnte Unterkunft gefährdet ist, eine andere Wohnung nicht auf dem Markt angemietet werden kann und deshalb eine Unterbringung nur in einer Obdachlosenunterkunft in Betracht kommt. Aus diesem Grund besteht auch eine Informationspflicht des örtlichen Sozialhilfeträgers  beim Eingang einer entsprechenden Räumungsklage.


          Durch Bekanntgabe von anstehenden Räumungsklageverfahren durch das Amtsgericht, aber auch durch Mitteilungen einzelner Vermieter, wird der örtlichen Ordnungsbehörde in vielen Fällen bereits im Vorfeld bekannt, welche Personen von Obdachlosigkeit bedroht sind. Hier setzt nun der Abwägungsprozess mit der örtlichen Sozialbehörde ein, wie diese Personen durch bestimmte Hilfeleistungen unterstützt werden können. Sofern hier keine Hilfe möglich ist, werden flankierende Maßnahmen eingeleitet und die Sozialdienste sowie die sozialen Hilfsdienste eingeschaltet.

 

3.       Formen der Unterbringung

 

            Nach Bekanntwerden der drohenden Notlage hat die Ordnungsbehörde zu prüfen, ob der einzuweisende Obdachlose nach seinen wirtschaftlichen Verhältnissen selbst in der Lage ist, seine Obdachlosigkeit zu beseitigen, d. h. sich eine Unterkunft zu besorgen. Scheiden sonstige Maßnahmen aus, so bleiben den Ordnungsbehörden folgende Möglichkeiten:

 

            a)         Einweisung in gemeindeeigene Räume oder in eine Obdachlosenunterkunft

            b)         Unterbringung in angemietete Räume

            c)         Beschlagnahme Räume Dritter.

 

          Die letztgenannte Maßnahme ist der schwerwiegendste Eingriff und von daher betrachtet, das letzte Mittel. Das heißt, dass vor einer "Fremdeinweisung" vor allem behördeneigene Mittel zu prüfen sind. Das OVG Münster hat dies in einem Urteil unmissverständlich entschieden, indem es festgestellt hat, dass unter behördeneigenen Mitteln auch die Möglichkeit stehen muss, neue Obdachlosenunterkünfte zu bauen, zu kaufen, anzumieten oder als Zwischenlösung ankauf- und anmietbare Wohncontainer aufzustellen. Jedenfalls wäre eine Behördenpraxis rechtswidrig, ernsthaft Anstrengungen zur Beschaffung von Unterkünften zu unterlassen und Betroffene lediglich bei bevorstehender Zwangsräumung und drohender Obdachlosigkeit wieder einzuweisen.

 

4.       Anforderungen an ein Obdach

 

          Bei der Schaffung von Obdachlosenunterkünften geht es in keiner Weise um die Zurverfügungstellung von "Ersatzwohnraum". Im Gegenteil: Da diese Unterkünfte nur vorübergehend Obdach gewähren sollen, ist die Einrichtung auf die einfachsten Verhältnisse abgestellt. Die Rechtsprechung geht also davon aus, dass es sich hierbei um eine Unterkunft in einfachster Form handelt, also im Prinzip ein "Dach über dem Kopf". Art und Ausstattung der Obdachlosenunterkünfte sind weder vorgeschrieben noch reglementierbar. Es ist auch nicht erforderlich, die Unterkunft komfortabel auszustatten. Es sollen Hausratsgegenstände vorhanden sein, welche zum täglichen Leben unentbehrlich sind, z. B. ein Tisch, Stuhl, Bett, Schrank, Koch- und Waschgelegenheit und ein WC. Eine Grundversorgung mit Strom, Wasser und Abwasser muss vorhanden sein, wobei es nicht notwendig ist, dass die Entnahme von Wasser in der Wohnung möglich ist. Dasselbe gilt für Toiletten, Duschen und Bäder. Die Räume müssen ausreichend beleuchtet sein, ein Warmwasseranschluss ist nicht erforderlich. Werden Bäder und Duschen bereitgestellt, ist es zulässig, aus Kostengründen Benutzungsmöglichkeiten per Münzen vorzusehen.

          Dies gilt auch für die Stromversorgung. Die Beheizbarkeit in der kalten Jahreszeit muss möglich sein. Es genügt allerdings ein Kohleherd. Es besteht bei Einweisung in eine Obdachlosenunterkunft keine Verpflichtung der Ordnungsbehörde, überzählige Möbel unterzubringen. Dies gilt auch für die Unterbringung von Haustieren. Üblich ist, dass die Tierhaltung in Obdachlosenunterkünften per Benutzungs- oder Hausordnung verboten wird. Die Begründung liegt darin, dass die Tierhaltung in den ohnehin sehr beengten Wohnräumlichkeiten hygienisch nicht akzeptabel ist. Im Übrigen könnten hierdurch andere Bewohner der Unterkunft beeinträchtigt werden.

 

5.       Situation in der Stadt Emmerich am Rhein

 

          Die Obdachlosen der Stadt Emmerich am Rhein sind derzeit in angemieteten Räumen in der Industriestraße 5 und 7 untergebracht. Um die mit diesen Unterbringungen verbundenen hohen Kosten zu reduzieren und um künftig eine geordnete Bewirtschaftung der Obdachlosenunterkünfte zu gewährleisten, soll eine zentrale Unterbringung im derzeit leer stehenden Asylbewerberheim an der Tackenweide erfolgen. Dieses Objekt steht im Eigentum der Stadt Emmerich am Rhein und bietet sowohl von der Lage, als auch von seiner Grundausrichtung die erforderlichen Voraussetzungen, wie sie unter Nr. 4. aufgestellt sind.

 

          Derzeit werden die künftigen Räume an der Tackenweide für die Zwecke der Obdachlosenunterbringung hergerichtet. Bei dem Objekt handelt es sich um ein früheres Asylbewerberheim, das für diese Zwecke nicht mehr benötigt wird. Hier sind neben den Gemeinschaftsräumen (Wasch- und Duschräume), verschieden große Wohneinheiten gegeben. Während die kleineren Räume (ca. 18 m²), die für die Unterbringung von jeweils zwei Einzelpersonen vorgesehen sind, sollen in den größeren Räumen (ca. 28 m²) Familien untergebracht werden. Dabei besteht auch die Möglichkeit mehrere Räume zusammenzulegen, um größeren Familien Obdach gewähren zu können. Die baulichen Voraussetzungen hierfür werden geschaffen.

          Die Räume sind so angelegt und auch ausgestattet, dass sie nur der vorübergehenden Unterbringung von Personen dienen. Damit soll diesem Personenkreis auch ein Anreiz gegeben werden, sich auf dem freien Wohnungsmarkt intensiv nach angemessenem Wohnraum umzusehen. Im Vorfeld der Konzeptionsüberlegungen fand ein Austausch mit der Stadt Düsseldorf statt, die aufgrund ihrer Größe über umfangreiche Erfahrungen auf diesem Gebiet verfügt. Zwar sind die Düsseldorfer Verhältnisse nicht auf die Situation im Bereich der Stadt Emmerich am Rhein zu übertragen, jedoch können einzelne Punkte in die Überlegungen vor Ort einbezogen werden. So ist festzuhalten, dass neben einer Begleitung der von Obdachlosigkeit bedrohten Personen im Vorfeld auch eine Begleitung für die Dauer der Unterbringung gewährleistet sein muss. Um dieses und einen ordnungsgemäßen Ablauf in und um das Heim zu gewährleisten, ist es dringend erforderlich, dass ein Hausmeister vor Ort tätig ist, der ständigen Kontakt zur Verwaltung hat. Düsseldorfer Erfahrungen zeigen, dass durch einen solchen Hausmeistereinsatz die Unterhaltungsmaßnahmen für das Gebäude reduziert werden können. Dabei obliegt es dem Hausmeister.

 

          a)         die Postverteilung für die Bewohner zu organisieren,

          b)         Wertmarken für die Waschmaschinen auszugeben,

          c)         die Sauberkeit der Gemeinschaftsräume zu überwachen,

            d)         die Einhaltung der Benutzungsordnung zu überwachen,

          c)         Ansprechpartner für die Bewohner zu sein.

 

Finanz- und haushaltswirtschaftliche Auswirkungen :

 

Die Maßnahme hat keine finanz- und haushaltswirtschaftlichen Auswirkungen.

 

Leitbild :

 

Die Maßnahme wird von den Zielen des Leitbildes nicht berührt.

 

 

Bürgermeister