Betreff
Beschwerde gem. § 24 GO NRW i. v. m. § 4 der Hauptsatzung de Stadt Emmerich am Rhein vom 05.06.2001,
hier: Höhe der Schmutwassergebühren.
Vorlage
70 - 15 0325/2010
Art
Verwaltungsvorlage

Beschlussvorschlag

 

Der Betriebsausschuss beschließt:

 

  1. den Ausführungen zu den kalkulatorischen Kosten in der Begründung zuzustimmen,
  2. das  bisher angewendete Abschreibungsverhalten beizubehalten und
  3. den im Schreiben der Eheleute Schöbel vom 08.07.10 unterbreiteten Vorschlag abzulehnen.

Sachdarstellung :

 

Die vorliegende Beschwerde richtet sich gegen die Höhe der Schmutzwassergebühr der Stadt Emmerich am Rhein, die über dem Kreis- und auch dem Landesdurchschnitt liegt.

Zur Behebung dieses Zustandes wird gefordert, dass in der Gebührenkalkulation für die Abwassergebühr zukünftig nicht mehr die kalkulatorischen Abschreibungen nach Wiederbeschaffungswert, sondern nach dem niedrigeren Anschaffungswert berücksichtig werden.

 

Allgemeine Rechtslage

Die Erhebung von  Benutzungsgebühren wird in § 6 des Kommunalabgabengesetztes (KAG) für das Land Nordrhein-Westfalen geregelt.

Gemäß § 6 Absatz 1, Satz 1 sind Benutzungsgebühren zu erheben, wenn eine Einrichtung oder Anlage überwiegend dem Vorteil einzelner Personen oder Personengruppen dient, sofern nicht ein privatrechtliches Entgelt gefordert wird.

Satz 2 besagt, dass das veranschlagte Gebührenaufkommen die voraussichtlichen Kosten der Einrichtung oder Anlage nicht übersteigen und in den Fällen des Satzes 1 in der Regel decken soll.

§ 6 Absatz 2 KAG besagt, dass Kosten im Sinne des Absatzes 1 die nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen ansatzfähigen Kosten sind. Der Gebührenrechnung kann ein Kalkulationszeitraum von höchstens drei Jahren zu Grunde gelegt werden. Kostenüberdeckungen am Ende eines Kalkulationszeitraumes sind innerhalb der nächsten drei Jahre auszugleichen; Kostenunterdeckungen sollen innerhalb dieses Zeitraums ausgeglichen werden. Zu den Kosten gehören auch Entgelte für in Anspruch genommene Fremdleistungen, Abschreibungen, die nach der mutmaßlichen Nutzungsdauer oder Leistungsmenge gleichmäßig zu bemessen sind, sowie eine angemessene Verzinsung des aufgewandten Kapitals; bei der Verzinsung bleibt der aus Beiträgen und Zuschüssen Dritter aufgebrachte Eigenkapitalanteil außer Betracht. Soweit die Umsätze von Einrichtungen und Anlagen der Umsatzsteuer unterliegen, können die Gemeinden und Gemeindeverbände die Umsatzsteuer den Gebührenpflichtigen auferlegen.

 

Wahlrecht der Gemeinden

Bei der Anwendung der kalkulatorischen Kosten hat die Gemeinde ein Wahlrecht, welche Abschreibungsverfahren sie anwenden will. Naturgemäß ist der regelmäßige Wechsel zwischen den verschiedenen Formen jedoch unzulässig, da Abschreibungsverfahren wegen der Langfristigkeit stets eine bestimmt Kontinuität voraussetzen.

Seit dem in Emmerich am Rhein Abwassergebühren kalkuliert werden ist – wie bei der Mehrzahl aller NRW-Gemeinden – nach dem Wiederbeschaffungswert abgeschrieben worden. Hiermit wird sicher gestellt, dass die heutigen Nutzer sich nicht nur an den Herstellungskosten, sondern auch an den Verschleißkosten und dem Preisverfall beteiligen, wenn die Nutzungsdauer in Jahren endet.

Die Abschreibung nach Wiederbeschaffungszeitwert trägt dem Umstand Rechnung, dass die tatsächlichen augenblicklichen Nutzer der Abwasseranlagen die Kosten für die  spätere Reinvestition tragen und nicht spätere Generationen.

Diese Sichtweise des Abschreibungsverfahrens hat mehreren verwaltungsgerichtlichen Verfahren standgehalten und wird vom Städte- und Gemeindebund empfohlen. Die Abschreibung nach Wiederbeschaffungswert steht also voll im Einklang mit den gesetzlichen Regelungen des KAG.

Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass im Wirtschaftsplan der KBE die dort vorgenommene Abschreibung nach Anschaffungswert auf Grund handelsrechtlicher Bestimmungen vorgegeben ist. Lediglich hinsichtlich der Kalkulation besteht das beschriebene Wahlrecht.

 

Kalkulatorisch Abschreibung

Die kalkulatorische Abschreibung im Sinn des § 6 Abs. 2 KAG NRW dienen der Erfassung des Werteverzehrs von langlebigen Gütern des Anlagevermögens, die über mehrere Perioden zur Leistungserbringung genutzt und dabei abgenutzt werden. Zulässig ist dabei in Nordrhein-Westfalen sowohl eine Berechnung der Abschreibung auf Basis der Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten als auch auf der Basis von (höheren) Wiederbschaffungswerten. Die Abwasserbeseitigungspflicht der Gemeinden betrifft mit der Volksgesundheit einen Bereich der dauernden öffentlichen Aufgabenerfüllung von besonderem Allgemeininteresse. In diesem Zusammenhang besteht die Pflicht, die Refinanzierung aufgezehrter Anlagegüter zu sichern und Benutzungsgebühren zu erheben.

 

 Kalkulatorische Verzinsung

Die kalkulatorischen Zinsen sind ein Äquivalent für die Bindung des für die Herstellung der Anlagen aufgewendeten Eigen- und Fremdkapitals. Die Berechnung kalkulatorischer Zinsen rechtfertigt sich aus der Erwägung, dass der Kommune ein Zinsgewinn entgeht, wenn Kapital  im Rahmen der Bereitstellung der öffentlichen Anlage eingesetzt wird. Bei der Berechnung von kalkulatorischen Zinsen darf – anders als für die Abschreibungen – nur vom Restwert der Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten ausgegangen werden. Außerdem ist hierbei der aus Beiträgen und Zuschüssen Dritter aufgewandte Kapitalanteil gem. § 6 Ans 2 Satz 4 KAG NRW außer Betracht zu lassen, also abzuziehen. (der vor dem Verwaltungsgericht zulässige Prozentsatz liegt derzeit über 7%).

 

Situation in Emmerich am Rhein

 

a) örtliche Gegebenheiten

 

Die Höhe der Abwassergebühr ist nicht allein abhängig vom angewendeten Abschreibungsverfahren. Entscheidender sind die örtlichen Gegebenheiten. In Regionen mit felsigem Untergrund sind die Herstellungskosten für den Kanal erheblich höher als in Gebieten mit sandigen Böden. Aus diesem Grund sind in Gebieten der Eifel Gebührensätze von bis zu 8,- €/cbm möglich.

Zudem ist es auch entscheidend auf welchen Anteil sich die Kosten der Abwasseranlagen verteilen lassen. Gebiete mit einer großen Bevölkerungsdichte stehen sich hier günstiger als  ländlich geprägte Gemeinden.

Im Kreisgebiet ist Emmerich mit den anderen Gemeinden strukturell vergleichbar. Als einzige Gemeinde betreibt sie jedoch eine Kläranlage mit 200.000 Einwohnergleichwerten. Andere Kreisgemeinden haben sich zu Entsorgungsverbänden (z.B. Rees-Kalkar, Niersverband) zusammenschließen können. Auf Grund der geographischen Lage ist dies in Emmerich nicht möglich. Die Verteilbasis ist somit erheblich geringer.

Im Landesvergleich der Kommunen in Nordrhein-Westfalen vom Bund der Steuerzahler liegt Emmerich mit 719,30 € für den definierten Musterhaushalt im Mittelfeld zwischen der günstigsten Kommune mit 246,50 € und der teuersten mit 1.328,40 €.
 

b) Anwendung der Kalkulationsgrundsätze

 

Bei der Kalkulation der Gebühren wurden bisher immer die kalkulatorischen Abschreibungen nach Wiederbeschaffungswert und eine kalkulatorische Verzinsung in Höhe von 6 % berücksichtig. Die nach voller Anwendung des KAG-Abschreibungsverfahrens möglichen Gebührensätze sind jedoch noch nie in voller Höhe an den Bürger weitergegeben worden. Der städtische Abwassergebührenhaushalt lebt seit Jahren mit einer Unterdeckung von über 10 %. Damit werden die Vergünstigungen aus dem Abschreibungsverfahren nach Anschaffungswert nahezu egalisiert. Dass heißt, eine Anwendung der Abschreibung nach Anschaffungswert würde nicht zwangsweise zu günstigeren Gebühren führen, wenn gleichzeitig der damit verbundene Kalkulationsrahmen in Gänze ausgeschöpft würde. Zur Entlastung der Gebührenzahler wurde auf die Erhebung einer kostendeckenden Gebühr stets verzichtet und die daraus resultierenden Defizite in Kauf genommen. Dies ist anhand der Entwicklung der Gebührenausgleichsrücklage nach KAG  zu ersehen.

Die Ermittlung der kalkulatorischen Verzinsung ist ebenfalls Bestandteil des jeweiligen  Wirtschaftsplans. Hier werden die entstehenden Kosten den tatsächlich erhobenen Gebühren gegenübergestellt und die daraus resultierende Über- bzw. Unterdeckung ausgewiesen, die sich dann in der Gebührenausgleichsrücklage wieder findet. In dieser Darstellung wird auch der Unterschied zwischen bilanzieller Abschreibung nach Anschaffungswert und kalkulatorischer Abschreibung nach Wiederbeschaffungswert für das jeweilige Jahr unter der Bezeichnung „Unterschiedsbetrag“ ausgewiesen. Ebenso wird der Unterschied zwischen den bilanziellen Zinsen und den kalkulatorischen Zinsen offengelegt.

 

In der nachfolgenden Aufstellung werden die zur Berechnung der Gebühren im Abwasserbereich zusätzlich berücksichtigten Unterschiedsbeträge von kalkulatorischer Abschreibung und Verzinsung der Unterdeckung nach KAG, die durch die Erhebung nicht kostendeckender Gebühren entsteht, für das Wirtschaftsjahr 2010 gegenübergestellt:

 

 

Unterschiedsbetrag

Abschreibung KAG

Unterschiedsbetrag

Verzinzug KAG

Unterdeckung infolge der

Nichtausschöpfung des Kalkulationsrahmens

TE

TE

TE

 

                           

 

WP 2010             372

                            1.367

                       - 1.058

 

 

 

 

                

 

Der Aufstellung ist zu entnehmen, dass auch bei dem Verzicht auf die höhere Abschreibung nach Wiederbeschaffungswert durch die tatsächlich erhobenen Gebühren, kein Ausgleich der entstanden Defizite erreicht würde. Eine Änderung der Abschreibung hätte somit auch keine Gebührensenkung zur Folge.

 

Im Sinne einer Kontinuität in der Gebührenpolitik schlägt die Betriebsleitung daher vor:

 

  1. den Ausführungen zu den kalkulatorischen Kosten in der Begründung zuzustimmen,
  2. das bisher angewendete Abschreibungsverhalten beizubehalten und
  3. den im Schreiben der Eheleute Schöbel vom 8.7.10 unterbreiteten Vorschlag abzulehnen.

Finanz- und haushaltswirtschaftliche Auswirkungen :

 

Die Maßnahme hat keine finanz- und haushaltswirtschaftlichen Auswirkungen.

 

 

Leitbild :

 

Die Maßnahme wird von den Zielen des Leitbildes nicht berührt.

 

 

Der Bürgermeister