Betreff
Informationen über das Gesetz zur Änderung des Vormundschafts- und Betreuungsrechts
Vorlage
04 - 15 0625/2012
Art
Verwaltungsvorlage

Kenntnisnahme(kein Beschluss)

 

Der Jugendhilfeausschuss nimmt die Ausführung der Verwaltung zur Kenntnis.

Sachdarstellung :

 

Am 29. Juni 2011 hat der Bundestag das Gesetz zur Änderung des Vormundschafts- und Betreuungsrechts verabschiedet. Für die Umsetzung in wesentlichen Teilbereichen lässt der Gesetzgeber ein Jahr Zeit.

Hierbei handelt es sich um ein Artikelgesetz, welches gleichzeitig mehrere Gesetze oder sehr unterschiedliche Inhalte in sich vereint. Meist werden damit Änderungsgesetze bezeichnet, die eine bestimmte Thematik in einer ganzen Reihe von Fachgesetzen ändern. Im vorliegenden Fall, sind hiervon betroffen das Bürgerliche Gesetzbuch sowie das Sozialgesetzbuch VIII.

Grund für die Änderung des Vormundschaftsrechtes, war die ausgeübte Praxis in der Vormundschaft in der Vergangenheit. Die Verantwortung, insbesondere für die minderjährigen Kinder, wurde oftmals nicht in vollem Umfang wahrgenommen (z. Bsp. Kevin in Bremen). Ziel ist es, den persönlichen Kontakt des Vormundes zum Mündel zu intensivieren und somit die Personensorge zu stärken.

 

 

 

Artikel 1  Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB)

 

§ 1793 Aufgaben des Vormunds, Haftung des Mündels

(1)     Der Vormund hat das Recht und die Pflicht, für die Person und das Vermögen des Mündels zu sorgen, insbesondere den Mündel zu vertreten. § 1626 Abs. 2 gilt entsprechend. Ist der Mündel auf längere Dauer in den Haushalt des Vormundes aufgenommen, so gelten auch die §§ 1618a, 1619, 1664 entsprechend.

(1a)   Der Vormund hat mit dem Mündel persönlichen Kontakt zu halten. Er soll den Mündel in der Regel einmal im Monat in dessen üblicher Umgebung aufsuchen, es sei denn, im Einzelfall sind kürzere oder längere Besuchsabstände oder ein anderer Ort geboten.

(2)     Für Verbindlichkeiten, die im Rahmen der Vertretungsmacht nach Absatz 1 gegenüber dem Mündel begründet werden, haftet der Mündel entsprechend § 1629a.

 

Auswirkung:

Der persönliche Kontakt des Vormunds zum Mündel ist grundsätzlich erforderlich und sollte selbstverständlich sein. Soweit nach § 55 SGB VIII beauftragte Vormünder und Pfleger bisher ihre Mündel und Pfleglinge nur ausnahmsweise kennengelernt und den Kontakt Mitarbeitern der sozialen Dienste oder der Pflegekinderdienste überlassen haben, ist der Aufgabenbereich der Vormundschaft grundlegend neu zu organisieren.

 

Im Stadtjugendamt Emmerich ist im Rahmen der personellen Möglichkeiten bereits in der Vergangenheit grundsätzlich immer  persönlicher Kontakt mit den Mündeln gehalten worden, allerdings nicht in dem jetzt vom Gesetzgeber beschriebenen Umfang von regelhaft einmal im Monat in der üblichen Umgebung des Mündels.

 

Die Häufigkeit und der Ort der Kontakte sind nach Art und Form der Unterbringung sowie des Alters des Mündels, ggf. in jedem Einzelfall, in Zusammenarbeit mit den Vorgesetzten festzulegen und fortzuschreiben, damit es nicht spätestens ab 2012 zu unerquicklichen Auseinandersetzungen mit dem dann die Aufsicht führenden Familiengericht kommt.

 

Für Kinder und Jugendliche, die in Einrichtungen der Jugendhilfe untergebracht sind, sind nach den Erstkontakten und dem Kennenlernen der Einrichtung – soweit der Vormund diese bisher nicht kennt – in der Regel keine monatlichen Besuche erforderlich. Hier sollte nach hiesiger Auffassung von mindestens  4 Kontakten im Jahr ausgegangen werden, soweit keine Kriseninterventionen erforderlich sind. Gleiches sollte für Kinder und Jugendliche gelten, die dauerhaft im Rahmen der Jugendhilfe nach § 33 SGB VIII bei Pflegeeltern leben. In der Regel werden diese Kontakte sowieso über das Hilfeplanverfahren gesteuert und umgesetzt. Dabei soll der Vormund persönlich zugegen sein.

 

Monatliche Kontakte können insbesondere dann erforderlich sein, wenn Mündel nicht in betreuten Einrichtungen (z.B. eigener Wohnraum, bei Verwandten außerhalb der Jugendhilfe z.B. Großeltern) oder gar bei den Eltern oder einem Elternteil leben.

 

Im Hinblick auf die kinderschützende Intention des Gesetzgebers sind die mit dem Bremer Fall „Kevin“ vergleichbaren Ausgangslagen ganz besonders zu beachten. Hierzu gehören gesetzliche Amtsvormundschaften für Kinder minderjährige Mütter und Amtsvormundschaften nach dem Tod des zuvor alleinsorgenden Elternteils.

 

Auch können die Fälle problematisch werden, wenn Eltern das Sorgerecht entzogen wurde und das Kind noch im elterlichen Haushalt verbleibt. Hier kann sich der Vormund nicht allein auf den allgemeinen Sozialdienst des Jugendamtes (ASD) verlassen. Häufige Kontakte sind ansonsten erforderlich, wenn das Kind oder der Jugendliche nach einer stationären Jugendhilfemaßnahme wieder in den elterlichen Haushalt zurückkehren soll. Zwar ist in solchen Fällen anzunehmen, dass sich die Verhältnisse stabilisiert haben, solange aber noch die Vormundschaft/Pflegschaft besteht, muss der Vormund vor Ort präsent sein und die Verhältnisse, unabhängig von den Aktivitäten des ASD, persönlich kennen.

 

Selbstverständlich gibt es Pflegschaften, in denen der im Gesetz vorgesehene monatliche Regelkontakt überhaupt nicht erforderlich ist. Hierzu gehören sämtliche Konstellationen der Pflegschaften für die Feststellung und der Anfechtung der Vaterschaft, Vermögens-  Unterhalts-, Umgangs- und weitere Ergänzungspflegschaften, die aufgrund eines Vertretungshindernisses nach § 1629 Abs. 2 BGB eingerichtet wurden. Hier muss je nach den Umständen des Einzelfalls entschieden werden, wann, wo und wie oft Kontakte zum Kind erforderlich sind. Gleiches gilt für Pflegschaften mit Sorgerechtsanteilen (z.B. Aufenthaltsbestimmungsrecht, Erziehungsrecht, Gesundheitsfürsorge, Beantragung von erzieherischen Hilfen und Mitwirkung im Hilfeplanverfahren).  Angemerkt werden muss an dieser Stelle, dass es durchaus in diesen Teilbereichen zu mehr als monatlichen Frequenzen kommen kann, z.B. wenn die Gesundheitsfürsorge für ein schwer oder schwerst erkranktes Mündel wahrgenommen werden muss.  

 

 

§ 1800 Umfang der Personensorge

Das Recht und die Pflicht des Vormunds, für die Person des Mündels zu sorgen, bestimmen sich nach §§ 1631 bis 1633. Der Vormund hat die Pflege und Erziehung des Mündels persönlich zu fördern und zu gewährleisten.

 

Auswirkung:

§ 1800 Satz 2 schafft keine neue Verantwortung für den Vormund, was viele Fachkräfte durch die Formulierung „gewährleisten“ befürchten. Die Verantwortung des Vormunds – auch die persönliche Verantwortung des Amtsvormunds – hat es schon immer gegeben. Mit der ergänzten Regelung soll klargestellt werden, dass der Vormund sich ein eigenes Bild zu verschaffen hat und nicht „nur“ Berichte anfordert und sich ausschließlich auf die Erkenntnisse anderer verlässt.   

  

 

§ 1837 Beratung und Aufsicht

(1)     Das Familiengericht berät die Vormünder. Es wirkt dabei mit, sie in ihre Aufgaben einzuführen.

(2)     Das Familiengericht hat über die gesamte Tätigkeit des Vormunds und des Gegenvormunds die Aufsicht zu führen und gegen Pflichtwidrigkeiten durch geeignete Gebote und Verbote einzuschreiten. Es hat insbesondere die Einhaltung der erforderlichen persönlichen Kontakte des Vormunds zu dem Mündel zu beaufsichtigen. Es kann dem Vormund und dem Gegenvormund aufgeben, eine Versicherung gegen Schäden, die sie dem Mündel zufügen können, einzugehen.

(3)     Das Familiengericht kann den Vormund und den Gegenvormund zur Befolgung seiner Anordnungen durch Festsetzung von Zwangsgeld anhalten. Gegen das Jugendamt oder einen Verein wird kein Zwangsgeld festgesetzt.

(4)     §§ 1666, 1666a und § 1696 gelten entsprechend.

 

Auswirkung:

Die Sanktionierung von aus der Sicht des Familiengerichts unzureichenden Kontakten ist erst ab dem 5. Juli 2012 möglich. Bei Beanstandungen durch das Familiengericht – hier ist der Rechtspfleger zuständig – führt der nächste Vorgesetzte als Legalvormund die Korrespondenz.   

§ 1840 Bericht und Rechnungslegung

(1)     Der Vormund hat über die persönlichen Verhältnisse des Mündels dem Familiengericht mindestens einmal jährlich zu berichten. Der Bericht hat auch Angaben zu den persönlichen Kontakten des Vormunds zu dem Mündel zu enthalten.

(2)     Der Vormund hat über seine Vermögensverwaltung dem Familiengericht Rechnung zu legen.

(3)     Die Rechnung ist jährlich zu legen. Das Rechnungsjahr wird von dem Familiengericht bestimmt.

(4)     Ist die Verwaltung von geringem Umfang, so kann das Familiengericht, nachdem die Rechnung für das erste Jahr gelegt worden ist, anordnen, dass die Rechnung für längere, höchstens dreijährige Zeitabschnitte zu legen ist.

 

Auswirkung:

Die jährliche Berichterstattung hat unaufgefordert zu erfolgen (Bringepflicht), darüber hinaus kann das Familiengericht nach § 1839 BGB jederzeit vom Vormund Auskunft verlangen, soweit ein begründeter Anlass besteht. Die Erweiterung der Berichtspflicht gilt ab Inkrafttreten des Gesetzes und wird im Stadtjugendamt Emmerich bereits umgesetzt. Grundsätzlich begründet der Vormund die gegebenenfalls reduzierte Anzahl der Kontakte, damit es gar nicht erst zu Auseinandersetzungen mit dem aufsichtsführenden Familiengericht  kommt.

 

 

 

 

Artikel 2  Änderung des Achten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VIII)

 

§ 55 Beistandschaft, Amtspflegschaft und Amtsvormundschaft

 

(1)     Das Jugendamt wird Beistand, Pfleger oder Vormund in den durch das Bürgerliche Gesetzbuch vorgesehenen Fällen (Beistandschaft, Amtspflegschaft, Amtsvormundschaft).

 

(2)     Das Jugendamt überträgt die Ausübung der Aufgaben des Beistands, des Amtspflegers oder des Amtsvormunds einzelnen seiner Beamten oder Angestellten. Vor der Übertragung der Aufgaben des Amtspflegers oder des Amtsvormunds soll das Jugendamt das Kind oder den Jugendlichen zur Auswahl des Beamten oder Angestellten mündlich anhören, soweit dies nach Alter und Entwicklungsstand des Kindes oder Jugendlichen möglich ist. Eine ausnahmsweise vor der Übertragung unterbliebene Anhörung ist unverzüglich nachzuholen. Ein vollzeitbeschäftigter Beamter oder Angestellter, der nur mit der Führung von Vormundschaften oder Pflegschaften betraut ist, soll höchstens 50 und bei gleichzeitiger Wahrnehmung anderer Aufgaben entsprechend weniger Vormundschaften oder Pflegschaften führen.

 

Auswirkung:

Durch die Einfügung wird eine Verpflichtung zur Anhörung des Mündels/Pfleglings vor

Übertragung der Aufgaben des Vormunds/Pflegers auf einen einzelnen Mitarbeiter des

Jugendamtes begründet, sowie eine Begrenzung der Fallzahlen in der Amtsvormundschaft und Amtspflegschaft auf 50 Vormundschaften und Pflegschaften je vollzeittätigem Mitarbeiter des Jugendamtes vorgenommen. Die Pflicht zur Anhörung soll die Interessen des Mündels/Pfleglings und seinen Einfluss auf das Verfahren stärken. Sie soll nur dann entfallen, wenn der Mündel/Pflegling aufgrund seines Alters und Entwicklungsstandes nicht zu einer Äußerung imstande ist.

Auch in Fällen, in denen die Auswahlmöglichkeiten hinsichtlich der personellen Ressourcen des Jugendamtes begrenzt oder nicht vorhanden sind, soll eine Anhörung des Mündels/Pfleglings stattfinden, um seine Stellung als Subjekt des Verfahrens zu verdeutlichen. Die festgesetzte Fallzahl entspricht einer Empfehlung der Arbeitsgruppe „Familiengerichtliche Maßnahmen bei Gefährdung des Kindeswohls – § 1666 BGB“, die sich wiederum bei ihren Untersuchungen auf eine Empfehlung der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter („Dresdner Erklärung“ in: Der Amtsvormund 2000, S. 437) gestützt hat. Sind den Mitarbeitern weitere Aufgaben übertragen, ist die Anzahl der zu übernehmenden Vormundschaften oder Pflegschaften entsprechend zu reduzieren.

 

Derzeit ist die Amtsvormundschaft mit einer Vollzeit-Mitarbeiterin besetzt, die gleichzeitig die Beistandschaften und die Beurkundungen, sowie Unterhaltsberatungen nach § 18 SGB VIII bearbeitet.

 

Durchschnittliche Fallzahlen im Bereich Vormundschaften im JA Emmerich in den letzten fünf Jahren, jeweils zum 31.12.:

 

2007    24

2008    28

2009    32

2010    33

2011    40

 

 

Die Anhörung des Mündels wird ab dem 5. Juli 2012 eine echte und ggf. sogar sehr aufwändige neue Aufgabe des Jugendamts sein. Um Unklarheiten von vornherein zu beseitigen: Es handelt sich um eine Aufgabe des Jugendamtes und nicht um eine Aufgabe des Amtsvormunds. Im Bereich des JA Emmerich wird diese zusätzliche Aufgabe auf den ASD übertragen.

 

„Anhörung“ heißt Beteiligung des Mündels beim Auswahlverfahren. Es sollte selbstverständlich sein, dass künftig auch in den kleinen Jugendämtern mindestens zwei Mitarbeiter zum Vormund/Pfleger bestellt sein müssen, selbst wenn die Anzahl der Vormundschaften unter der Grenze von 50 liegt. Kein Jugendamt wird es sich leisten können, keine Vertretung für den urlaubs- oder krankheitsbedingt abwesenden Amtsvormund zu haben. Die Anhörung dient der Beteiligung des Mündels und insbesondere der Verdeutlichung der Aufgabe des Vormunds.

Die vom  Deutschen Institut Jugend und Familie (DIJuF) publizierte Informationsbroschüre „Dein Vormund vertritt dich“ gibt hier wertvolle Hinweise und ist im JA Emmerich kostenlos erhältlich.

 

Eine verantwortliche Auswahl des Vormunds bedeutet insbesondere, dass Mündel und Vormund zueinander passen. Was für die Auswahl von geeigneten Pflegeeltern  oder Einrichtungen für Kinder und Jugendliche notwendig ist, muss auch bei der Amtsvormundschaft gelten. Der Vormund ist allumfassend tätig. Von ihm wird umfangreiches rechtliches und pädagogisches Wissen genau so verlangt, wie eine persönliche Eignung, mit Kindern und Jugendlichen umzugehen.

 

 

(3)     Die Übertragung gehört zu den Angelegenheiten der laufenden Verwaltung. In dem durch die Übertragung umschriebenen Rahmen ist der Beamte oder Angestellte gesetzlicher Vertreter des Kindes oder Jugendlichen. Amtspfleger und Amtsvormund haben den persönlichen Kontakt zu diesem zu halten sowie dessen Pflege und Erziehung nach Maßgabe des § 1793 Absatz 1a und § 1800 des Bürgerlichen Gesetzbuchs persönlich zu fördern und zu gewährleisten.

Auswirkung:

Nach der Konzeption des BGB wird das Jugendamt als Behörde zum Vormund bestellt.

Der Amtsvormund selbst erscheint im BGB nicht. Bei wörtlicher Auslegung der neuen

Vorschriften wären die Pflichten zur persönlichen Kontaktaufnahme in § 1793 Absatz 1a – neu – BGB und zur persönlichen und Gewährleistung der Pflege und Erziehung des Mündels in § 1800 Satz 2 – neu – BGB auch erfüllt, wenn statt des bestellten Amtsvormundes ein Mitarbeiter des allgemeinen Sozialen Dienstes des Jugendamtes den Kontakt pflegte oder sich um die Erziehung des Mündels kümmerte. Um eine solche Auslegung zu vermeiden, wird in der neuen Nummer 2 klargestellt, dass der Amtsvormund/Amtspfleger diese Aufgabe persönlich zu erfüllen hat.

 

Finanz- und haushaltswirtschaftliche Auswirkungen :

 

Die finanz- und haushaltswirtschaftlichen Maßnahmen können derzeit noch nicht beziffert werden.

 

Leitbild :

 

Die Maßnahme steht im Einklang mit den Zielen des Leitbildes Kapitel 4.3.

 

 

 

 

Johannes Diks

Bürgermeister