Kenntnisnahme(kein
Beschluss)
Der Jugendhilfeausschuss nimmt die Ausführung der Verwaltung zur
Kenntnis.
Sachdarstellung :
Am 29. Juni 2011
hat der Bundestag das Gesetz zur Änderung des Vormundschafts- und
Betreuungsrechts verabschiedet. Für die Umsetzung in wesentlichen Teilbereichen
lässt der Gesetzgeber ein Jahr Zeit.
Hierbei handelt es
sich um ein Artikelgesetz, welches gleichzeitig mehrere Gesetze oder sehr
unterschiedliche Inhalte in sich vereint. Meist werden damit Änderungsgesetze
bezeichnet, die eine bestimmte Thematik in einer ganzen Reihe von Fachgesetzen
ändern. Im vorliegenden Fall, sind hiervon betroffen das Bürgerliche Gesetzbuch
sowie das Sozialgesetzbuch VIII.
Grund für die
Änderung des Vormundschaftsrechtes, war die ausgeübte Praxis in der
Vormundschaft in der Vergangenheit. Die Verantwortung, insbesondere für die
minderjährigen Kinder, wurde oftmals nicht in vollem Umfang wahrgenommen (z.
Bsp. Kevin in Bremen). Ziel ist es, den persönlichen Kontakt des Vormundes zum
Mündel zu intensivieren und somit die Personensorge zu stärken.
Artikel 1 Änderung des
Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB)
§ 1793 Aufgaben des Vormunds, Haftung des Mündels
(1) Der
Vormund hat das Recht und die Pflicht, für die Person und das Vermögen des Mündels
zu sorgen, insbesondere den Mündel zu vertreten. § 1626 Abs. 2 gilt
entsprechend. Ist der Mündel auf längere Dauer in den Haushalt des Vormundes
aufgenommen, so gelten auch die §§ 1618a, 1619, 1664 entsprechend.
(1a) Der
Vormund hat mit dem Mündel persönlichen Kontakt zu halten. Er soll den Mündel
in der Regel einmal im Monat in dessen üblicher Umgebung aufsuchen, es sei
denn, im Einzelfall sind kürzere oder längere Besuchsabstände oder ein anderer
Ort geboten.
(2) Für
Verbindlichkeiten, die im Rahmen der Vertretungsmacht nach Absatz 1 gegenüber
dem Mündel begründet werden, haftet der Mündel entsprechend § 1629a.
Auswirkung:
Der persönliche
Kontakt des Vormunds zum Mündel ist grundsätzlich erforderlich und sollte
selbstverständlich sein. Soweit nach § 55 SGB VIII beauftragte Vormünder und
Pfleger bisher ihre Mündel und Pfleglinge nur ausnahmsweise kennengelernt und
den Kontakt Mitarbeitern der sozialen Dienste oder der Pflegekinderdienste
überlassen haben, ist der Aufgabenbereich der Vormundschaft grundlegend neu zu
organisieren.
Im Stadtjugendamt
Emmerich ist im Rahmen der personellen Möglichkeiten bereits in der
Vergangenheit grundsätzlich immer
persönlicher Kontakt mit den Mündeln gehalten worden, allerdings nicht
in dem jetzt vom Gesetzgeber beschriebenen Umfang von regelhaft einmal im Monat
in der üblichen Umgebung des Mündels.
Die Häufigkeit und
der Ort der Kontakte sind nach Art und Form der Unterbringung sowie des Alters
des Mündels, ggf. in jedem Einzelfall, in Zusammenarbeit mit den Vorgesetzten
festzulegen und fortzuschreiben, damit es nicht spätestens ab 2012 zu
unerquicklichen Auseinandersetzungen mit dem dann die Aufsicht führenden
Familiengericht kommt.
Für Kinder und
Jugendliche, die in Einrichtungen der Jugendhilfe untergebracht sind, sind nach
den Erstkontakten und dem Kennenlernen der Einrichtung – soweit der Vormund
diese bisher nicht kennt – in der Regel keine monatlichen Besuche erforderlich.
Hier sollte nach hiesiger Auffassung von mindestens 4 Kontakten im Jahr ausgegangen werden,
soweit keine Kriseninterventionen erforderlich sind. Gleiches sollte für Kinder
und Jugendliche gelten, die dauerhaft im Rahmen der Jugendhilfe nach § 33 SGB
VIII bei Pflegeeltern leben. In der Regel werden diese Kontakte sowieso über
das Hilfeplanverfahren gesteuert und umgesetzt. Dabei soll der Vormund
persönlich zugegen sein.
Monatliche
Kontakte können insbesondere dann erforderlich sein, wenn Mündel nicht in
betreuten Einrichtungen (z.B. eigener Wohnraum, bei Verwandten außerhalb der
Jugendhilfe z.B. Großeltern) oder gar bei den Eltern oder einem Elternteil
leben.
Im Hinblick auf
die kinderschützende Intention des Gesetzgebers sind die mit dem Bremer Fall
„Kevin“ vergleichbaren Ausgangslagen ganz besonders zu beachten. Hierzu gehören
gesetzliche Amtsvormundschaften für Kinder minderjährige Mütter und
Amtsvormundschaften nach dem Tod des zuvor alleinsorgenden Elternteils.
Auch können die
Fälle problematisch werden, wenn Eltern das Sorgerecht entzogen wurde und das
Kind noch im elterlichen Haushalt verbleibt. Hier kann sich der Vormund nicht
allein auf den allgemeinen Sozialdienst des Jugendamtes (ASD) verlassen.
Häufige Kontakte sind ansonsten erforderlich, wenn das Kind oder der
Jugendliche nach einer stationären Jugendhilfemaßnahme wieder in den
elterlichen Haushalt zurückkehren soll. Zwar ist in solchen Fällen anzunehmen,
dass sich die Verhältnisse stabilisiert haben, solange aber noch die
Vormundschaft/Pflegschaft besteht, muss der Vormund vor Ort präsent sein und
die Verhältnisse, unabhängig von den Aktivitäten des ASD, persönlich kennen.
Selbstverständlich
gibt es Pflegschaften, in denen der im Gesetz vorgesehene monatliche
Regelkontakt überhaupt nicht erforderlich ist. Hierzu gehören sämtliche
Konstellationen der Pflegschaften für die Feststellung und der Anfechtung der
Vaterschaft, Vermögens- Unterhalts-,
Umgangs- und weitere Ergänzungspflegschaften, die aufgrund eines
Vertretungshindernisses nach § 1629 Abs. 2 BGB eingerichtet wurden. Hier muss
je nach den Umständen des Einzelfalls entschieden werden, wann, wo und wie oft
Kontakte zum Kind erforderlich sind. Gleiches gilt für Pflegschaften mit Sorgerechtsanteilen
(z.B. Aufenthaltsbestimmungsrecht, Erziehungsrecht, Gesundheitsfürsorge,
Beantragung von erzieherischen Hilfen und Mitwirkung im
Hilfeplanverfahren). Angemerkt werden
muss an dieser Stelle, dass es durchaus in diesen Teilbereichen zu mehr als
monatlichen Frequenzen kommen kann, z.B. wenn die Gesundheitsfürsorge für ein
schwer oder schwerst erkranktes Mündel wahrgenommen werden muss.
§ 1800 Umfang der Personensorge
Das Recht und die
Pflicht des Vormunds, für die Person des Mündels zu sorgen, bestimmen sich nach
§§ 1631 bis 1633. Der Vormund hat die Pflege und Erziehung des Mündels
persönlich zu fördern und zu gewährleisten.
Auswirkung:
§ 1800 Satz 2
schafft keine neue Verantwortung für den Vormund, was viele Fachkräfte durch
die Formulierung „gewährleisten“ befürchten. Die Verantwortung des Vormunds –
auch die persönliche Verantwortung des Amtsvormunds – hat es schon immer
gegeben. Mit der ergänzten Regelung soll klargestellt werden, dass der Vormund
sich ein eigenes Bild zu verschaffen hat und nicht „nur“ Berichte anfordert und
sich ausschließlich auf die Erkenntnisse anderer verlässt.
§ 1837 Beratung und Aufsicht
(1) Das
Familiengericht berät die Vormünder. Es wirkt dabei mit, sie in ihre Aufgaben
einzuführen.
(2) Das
Familiengericht hat über die gesamte Tätigkeit des Vormunds und des
Gegenvormunds die Aufsicht zu führen und gegen Pflichtwidrigkeiten durch
geeignete Gebote und Verbote einzuschreiten. Es hat insbesondere die
Einhaltung der erforderlichen persönlichen Kontakte des Vormunds zu dem Mündel
zu beaufsichtigen. Es kann dem Vormund und dem Gegenvormund aufgeben, eine
Versicherung gegen Schäden, die sie dem Mündel zufügen können, einzugehen.
(3) Das
Familiengericht kann den Vormund und den Gegenvormund zur Befolgung seiner
Anordnungen durch Festsetzung von Zwangsgeld anhalten. Gegen das Jugendamt oder
einen Verein wird kein Zwangsgeld festgesetzt.
(4) §§ 1666, 1666a und § 1696
gelten entsprechend.
Auswirkung:
Die Sanktionierung
von aus der Sicht des Familiengerichts unzureichenden Kontakten ist erst ab dem
5. Juli 2012 möglich. Bei Beanstandungen durch das Familiengericht – hier
ist der Rechtspfleger zuständig – führt der nächste Vorgesetzte als Legalvormund
die Korrespondenz.
§ 1840 Bericht und Rechnungslegung
(1) Der
Vormund hat über die persönlichen Verhältnisse des Mündels dem Familiengericht
mindestens einmal jährlich zu berichten. Der Bericht hat auch Angaben zu den
persönlichen Kontakten des Vormunds zu dem Mündel zu enthalten.
(2) Der
Vormund hat über seine Vermögensverwaltung dem Familiengericht Rechnung zu
legen.
(3) Die
Rechnung ist jährlich zu legen. Das Rechnungsjahr wird von dem Familiengericht
bestimmt.
(4) Ist
die Verwaltung von geringem Umfang, so kann das Familiengericht, nachdem die
Rechnung für das erste Jahr gelegt worden ist, anordnen, dass die Rechnung für
längere, höchstens dreijährige Zeitabschnitte zu legen ist.
Auswirkung:
Die jährliche
Berichterstattung hat unaufgefordert zu erfolgen (Bringepflicht), darüber
hinaus kann das Familiengericht nach § 1839 BGB jederzeit vom Vormund Auskunft
verlangen, soweit ein begründeter Anlass besteht. Die Erweiterung der
Berichtspflicht gilt ab Inkrafttreten des Gesetzes und wird im Stadtjugendamt
Emmerich bereits umgesetzt. Grundsätzlich begründet der Vormund die
gegebenenfalls reduzierte Anzahl der Kontakte, damit es gar nicht erst zu
Auseinandersetzungen mit dem aufsichtsführenden Familiengericht kommt.
Artikel 2 Änderung des Achten
Buches Sozialgesetzbuch (SGB VIII)
§ 55 Beistandschaft, Amtspflegschaft und Amtsvormundschaft
(1) Das
Jugendamt wird Beistand, Pfleger oder Vormund in den durch das Bürgerliche
Gesetzbuch vorgesehenen Fällen (Beistandschaft, Amtspflegschaft,
Amtsvormundschaft).
(2) Das Jugendamt überträgt die
Ausübung der Aufgaben des Beistands, des Amtspflegers oder des Amtsvormunds
einzelnen seiner Beamten oder Angestellten. Vor der Übertragung der Aufgaben
des Amtspflegers oder des Amtsvormunds soll das Jugendamt das Kind oder den
Jugendlichen zur Auswahl des Beamten oder Angestellten mündlich anhören, soweit
dies nach Alter und Entwicklungsstand des Kindes oder Jugendlichen möglich ist.
Eine ausnahmsweise vor der Übertragung unterbliebene Anhörung ist unverzüglich
nachzuholen. Ein vollzeitbeschäftigter Beamter oder Angestellter, der nur mit
der Führung von Vormundschaften oder Pflegschaften betraut ist, soll höchstens
50 und bei gleichzeitiger Wahrnehmung anderer Aufgaben entsprechend weniger
Vormundschaften oder Pflegschaften führen.
Auswirkung:
Durch die
Einfügung wird eine Verpflichtung zur Anhörung des Mündels/Pfleglings vor
Übertragung der
Aufgaben des Vormunds/Pflegers auf einen einzelnen Mitarbeiter des
Jugendamtes
begründet, sowie eine Begrenzung der Fallzahlen in der Amtsvormundschaft und
Amtspflegschaft auf 50 Vormundschaften und Pflegschaften je vollzeittätigem
Mitarbeiter des Jugendamtes vorgenommen. Die Pflicht zur Anhörung soll die
Interessen des Mündels/Pfleglings und seinen Einfluss auf das Verfahren
stärken. Sie soll nur dann entfallen, wenn der Mündel/Pflegling aufgrund seines
Alters und Entwicklungsstandes nicht zu einer Äußerung imstande ist.
Auch in Fällen, in
denen die Auswahlmöglichkeiten hinsichtlich der personellen Ressourcen des
Jugendamtes begrenzt oder nicht vorhanden sind, soll eine Anhörung des
Mündels/Pfleglings stattfinden, um seine Stellung als Subjekt des Verfahrens zu
verdeutlichen. Die festgesetzte Fallzahl entspricht einer Empfehlung der
Arbeitsgruppe „Familiengerichtliche Maßnahmen bei Gefährdung des Kindeswohls –
§ 1666 BGB“, die sich wiederum bei ihren Untersuchungen auf eine Empfehlung der
Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter („Dresdner Erklärung“ in: Der
Amtsvormund 2000, S. 437) gestützt hat. Sind den Mitarbeitern weitere Aufgaben
übertragen, ist die Anzahl der zu übernehmenden Vormundschaften oder
Pflegschaften entsprechend zu reduzieren.
Derzeit ist die
Amtsvormundschaft mit einer Vollzeit-Mitarbeiterin besetzt, die gleichzeitig
die Beistandschaften und die Beurkundungen, sowie Unterhaltsberatungen nach §
18 SGB VIII bearbeitet.
Durchschnittliche
Fallzahlen im Bereich Vormundschaften im JA Emmerich in den letzten fünf
Jahren, jeweils zum 31.12.:
2007 24
2008 28
2009 32
2010 33
2011 40
Die Anhörung des
Mündels wird ab dem 5. Juli 2012 eine echte und ggf. sogar sehr aufwändige neue
Aufgabe des Jugendamts sein. Um Unklarheiten von vornherein zu beseitigen: Es
handelt sich um eine Aufgabe des Jugendamtes und nicht um eine Aufgabe
des Amtsvormunds. Im Bereich des JA Emmerich wird diese zusätzliche Aufgabe auf
den ASD übertragen.
„Anhörung“ heißt
Beteiligung des Mündels beim Auswahlverfahren. Es sollte selbstverständlich
sein, dass künftig auch in den kleinen Jugendämtern mindestens zwei Mitarbeiter
zum Vormund/Pfleger bestellt sein müssen, selbst wenn die Anzahl der
Vormundschaften unter der Grenze von 50 liegt. Kein Jugendamt wird es sich
leisten können, keine Vertretung für den urlaubs- oder krankheitsbedingt
abwesenden Amtsvormund zu haben. Die Anhörung dient der Beteiligung des Mündels
und insbesondere der Verdeutlichung der Aufgabe des Vormunds.
Die vom Deutschen Institut Jugend und Familie (DIJuF)
publizierte Informationsbroschüre „Dein Vormund vertritt dich“ gibt hier
wertvolle Hinweise und ist im JA Emmerich kostenlos erhältlich.
Eine verantwortliche Auswahl des Vormunds bedeutet insbesondere, dass
Mündel und Vormund zueinander passen. Was für die Auswahl von geeigneten
Pflegeeltern oder Einrichtungen für
Kinder und Jugendliche notwendig ist, muss auch bei der Amtsvormundschaft
gelten. Der Vormund ist allumfassend tätig. Von ihm wird umfangreiches
rechtliches und pädagogisches Wissen genau so verlangt, wie eine persönliche
Eignung, mit Kindern und Jugendlichen umzugehen.
(3) Die Übertragung gehört zu
den Angelegenheiten der laufenden Verwaltung. In dem durch die Übertragung
umschriebenen Rahmen ist der Beamte oder Angestellte gesetzlicher Vertreter des
Kindes oder Jugendlichen. Amtspfleger und Amtsvormund haben den persönlichen
Kontakt zu diesem zu halten sowie dessen Pflege und Erziehung nach Maßgabe des
§ 1793 Absatz 1a und § 1800 des Bürgerlichen Gesetzbuchs persönlich zu fördern
und zu gewährleisten.
Auswirkung:
Nach der
Konzeption des BGB wird das Jugendamt als Behörde zum Vormund bestellt.
Der Amtsvormund
selbst erscheint im BGB nicht. Bei wörtlicher Auslegung der neuen
Vorschriften wären
die Pflichten zur persönlichen Kontaktaufnahme in § 1793 Absatz 1a – neu – BGB
und zur persönlichen und Gewährleistung der Pflege und Erziehung des Mündels in
§ 1800 Satz 2 – neu – BGB auch erfüllt, wenn statt des bestellten Amtsvormundes
ein Mitarbeiter des allgemeinen Sozialen Dienstes des Jugendamtes den Kontakt
pflegte oder sich um die Erziehung des Mündels kümmerte. Um eine solche
Auslegung zu vermeiden, wird in der neuen Nummer 2 klargestellt, dass der
Amtsvormund/Amtspfleger diese Aufgabe persönlich zu erfüllen hat.
Finanz- und haushaltswirtschaftliche Auswirkungen :
Die finanz- und
haushaltswirtschaftlichen Maßnahmen können derzeit noch nicht beziffert werden.
Leitbild :
Die Maßnahme steht im
Einklang mit den Zielen des Leitbildes Kapitel 4.3.
Johannes Diks
Bürgermeister