Beschlussvorschlag
Der Rat stimmt aufgrund der in der Begründung benannten
Gegebenheiten einer Bürgerbefragung im Rahmen der am 25. Mai 2014
stattfindenden Wahlen nicht zu
Begründung
Mit seiner Eingabe an den Rat der Stadt Emmerich am Rhein
vom ….. begehrt Herr Hans-Jörgen Wernicke eine seitens der Verwaltung initiierte
Befragung der Bevölkerung zu einer möglichen Ansiedlung eines ALDI Marktes in
Elten. Die Stimmabgabe soll den
Bürgerinnen und Bürgern zeitgleich zu den am 25. Mai 2014 stattfinden Wahlen
(Europawahl, Kreistags- und Ratswahlen und Integrationsratswahlen) in den
einzelnen Wahllokalen ermöglicht werden. Herr Wernicke fordert die Verwaltung
dazu auf, „eine Umfrage zu organisieren,
damit die Bevölkerung ihren Willen zum
Ausdruck bringen kann und die Politik weiß, wie sie sich verhalten
sollte.“ Das Votum soll somit
richtungsweisend sein für eine mögliche spätere Abstimmung im Rat und faktisch
Bindungswirkung entfalten.
In der Gemeindeordnung des Landes Nordrhein-Westfalen
spiegelt sich der Grundsatz der repräsentativen Demokratie wieder. Die Ratsmitglieder
werden von den Bürgern in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und
geheimer Wahl gewählt und sind verpflichtet, sich ausschließlich nach dem
Gesetz und ihrer freien, nur durch Rücksicht auf das öffentliche Wohl
bestimmten Überzeugung leiten zu lassen. Damit sind die demokratische
Legitimation und die Verpflichtung auf das Gemeinwohl gegeben.
Das kommunale Verfassungsrecht sieht allerdings plebiszitäre
Elemente, die die Bürgerinnen und Bürger direkt an konkreten
Entscheidungsfindungen beteiligen, als Durchbrechung dieses Grundsatzes
durchaus vor.
Zwar trifft die Gemeindeordnung des Landes
Nordrhein-Westfalen (GO NW) keine Verfahrensregelungen zur Durchführung einer
Bürgerbefragung, doch ist die
Zulässigkeit formloser Bürgerbefragungen zu bejahen.
Als rechtlich problematisch sind Bürgerbefragungen zu
qualifizieren, die den Rat in seiner Entscheidungsfindung binden und eine freie
Entscheidung der gewählten Entscheidungsträger nicht mehr zulassen. Diese
Wertung wird durch eine bereits 2004 im Zusammenhang mit einer ähnlichen
Fragestellung in einer anderen Kommune
gefertigte juristische Stellungnahme des NW Städte- und
Gemeindebundes gestützt. Demzufolge ist
eine Bürgerbefragung seitens des Rates zu einem bestimmten Thema zumindest dann
nicht zulässig, wenn diese als Voraussetzung und Basis für weitere
Entscheidungen gelten soll.
Im konkreten Fall kommt
hinzu, dass sich Entscheidungsfindung und Beschlussfassung im Rahmen der
Bestimmungen des Bauplanungsrechtes bewegen müssen.
Die von Herrn Wernicke in Bezug auf eine großflächige
Einzelhandelsansiedlung im Ortskern Elten benannten Aspekte „Denkmalschutz“,
„Verkehr“ und „Gestaltung des Ortsbildes“ sind, neben anderen Belangen,
beispielsweise der Frage nach der „Verträglichkeit mit bestehenden Einzelhandelsbetrieben“,
sowohl berechtigt als auch gewichtig.
Aktuell liegt der Verwaltung
kein formelles Ansiedlungsbegehren vor; nach Rücksprache mit der Firma Aldi
wird ein solches derzeit auch nicht formuliert werden.
Grundsätzlich bleibt
hinsichtlich des Begehrens nach einer „Bürgerbefragung“ an der Schnittstelle
zum Bauplanungsrecht festzuhalten:
Im aktuellen
„Einzelhandelskonzepts für die Stadt Emmerich am Rhein hat der Rat festgelegt,
dass „Standorte mit nahversorgungsrelevanten Kernsortimenten im zentralen
Versorgungsbereich liegen“ sollen (S. 118 f.); der ggf. relevante Abschnitt der
Klosterstraße gehört zu diesem Bereich (S. 102 f.). Darüber hinaus hat der Rat
der Stadt bestimmt, dass sich das Konzept als freiwillige Selbstbindung an ein
städtebauliches Entwicklungskonzept i. S. der Vorschriften des § 1 Abs. 6 Nr.
11 Baugesetzbuch (BauGB) versteht, welches bei der Aufstellung und Änderung von
Bauleitplänen sowie bei der planungsrechtlichen Beurteilung von Baugesuchen zu
berücksichtigen ist.
Sowohl die grundsätzliche
selbstbindende Bejahung einer ortskernbezogenen Einzelhandelsansiedlung; als
auch die eingangs benannten Belange würden eine Bauleitplanung jedenfalls
erforderlich machen. Das grundsätzliche gemeindliche Planungsermessen hätte
sich dann ggf. sogar schon in eine Planungspflicht verdichtet (§ 1 Abs. 3
BauGB). Einer solchen Pflicht zur Bauleitplanung könnte ein konträres Ergebnis
einer Bürgerbefragung nicht entgegengesetzt werden.
Kernstück des
Bebauungsplanverfahrens wäre es, die öffentlichen und privaten Interessen, die
in Bezug auf die städtebauliche Entwicklung und Ordnung von Bedeutung sind und
bodenrechtlichen Bezug haben, gegeneinander und untereinander gerecht
abzuwägen. In der Kollision zwischen verschieden Belangen kann sich die Gemeinde
für die Bevorzugung des einen und damit notwendigerweise für die Zurückstellung
eines andern Belangs entscheiden.
Voraussetzung dieser sachgerecht
abwägenden Entscheidung, aber auch der rechtzeitigen und wirksamen
Verwirklichung subjektiver Rechte und rechtlich relevanter Belange ist sowohl
die Beteiligung der Träger öffentlicher Belange als auch Ausübung der
umfänglichen bürgerseitigen Partizipationsmöglichkeiten.
Bereits im Stadium der
Planvorbereitung können die Bürger über die vorgezogene Bürgerbeteiligung
(„Bürgerbeteiligung 1. Stufe“) Einfluss zu nehmen; im Rahmen der Planauslegung
(„Bürgerbeteiligung 2. Stufe“) ist dies ein zweites Mal möglich.
Zusammenfassend bleibt
festzuhalten, dass eine verwaltungsseitig initiierte bindende Bürgerbefragung im
konkreten Fall gerade aufgrund der gewollten faktischen Bindungswirkung sowie
der Inkongruenz mit den Bestimmungen des Bauplanungsrechtes als rechtlich
bedenklich zu qualifizieren ist.
Die umfassende und direkte Einbindung der Bürgerinnen und
Bürger erfolgt rechtzeitig und legitim im Rahmen der gesetzlich vorgesehenen,
weit gefächerten Bürgerbeteiligung.
Den
politischen Parteien steht es selbstverständlich frei, etwaige Umfragen zu organisieren bzw.
durchzuführen. Vor dem Hintergrund der Sicherstellung des ordnungsgemäßen
Ablaufes der Wahl weise ich darauf hin, dass am Wahltag in und an dem Gebäude,
in dem sich der Wahlraum befindet, sowie unmittelbar vor dem Zugang zu dem
Gebäude jede Beeinflussung der Wähler durch Wort, Ton, Schrift oder Bild sowie
jede Unterschriftensammlung unzulässig sind.
Sachverhalt :
Sh. Anlage
Finanz- und haushaltswirtschaftliche Auswirkungen :
Die Maßnahme hat keine
finanz- und haushaltswirtschaftlichen Auswirkungen.
Leitbild :
Die Maßnahme steht im
Einklang mit den Zielen des Leitbildes Kapitel 6.1
Johannes Diks
Bürgermeister