Betreff
Bebauungsplanverfahren "Vergnügungsstättenausschluss Steinstraße",
hier: 1) Aufstellungsbeschluss
2) Beschluss zur frühzeitigen Öffentlichkeitsbeteiligung nach § 3 (1) BauGB
Vorlage
05 - 16 0112/2014
Art
Verwaltungsvorlage

Beschlussvorschlag

 

Zu 1)

Der Ausschuss für Stadtentwicklung beschließt gemäß § 2 Abs. 1 in Verbindung mit § 9 Abs. 2b BauGB einen einfachen Bebauungsplan zur Steuerung von Vergnügungsstätten für den Bereich der an die Nordseite der Steinstraße angrenzenden Grundstücke aufzustellen. Der Bebauungsplan erhält die Bezeichnung „Vergnügungsstättenausschluss Steinstraße“ und wird unter Anwendung der Bestimmungen des § 13a Baugesetzbuch als Bebauungsplan der Innenentwicklung aufgestellt.

Die Verfahrensgebietsgrenze ist in der Planunterlage mit einer gestrichelten Linie gekennzeichnet.

 

Zu 2)

Der Ausschuss für Stadtentwicklung beauftragt die Verwaltung, eine Öffentlichkeitsbeteiligung gemäß § 3 Abs. 1 BauGB zur Vorstellung des vorliegenden Bebauungskonzeptes in der Form der besonderen Bürgerbeteiligung nach Punkt 3.2 der städtischen Richtlinien zur Bürgerbeteiligung durchzuführen sowie eine Beteiligung der Behörden und sonstigen Träger öffentlicher Belange nach § 4 Abs. 1 BauGB zu veranlassen.

 

Sachdarstellung :

 

Zu 1)

 

a)         Absichten der Stadt Emmerich am Rhein zur Steuerung von Vergnügungsstätten und Rotlichtbetrieben

Nachdem Ende der 1980er Jahren anlässlich der damaligen vermehrten Anfrage zur Ansiedlung von Spielhallen im Innenstadtbereich ein Ausschluss von Spielhallen in den Hauptgeschäftsstraßen durch einen einfachen Bebauungsplan für die unbeplanten Bereiche des § 34 BauGB und durch entsprechende Ergänzung von Ausschlussfestsetzungen für die betroffenen Bebauungspläne erlassen worden ist, wurde im Jahre 2010 anlässlich einer weiteren Anfragewelle für Spielhallenstandorte außerhalb des Zentralbereiches eine Bauleitplanung zur Steuerung von kerngebietstypischen Spielhallen für das gesamte Stadtgebiet in Gang gesetzt. Diese Planung wurde wegen der Bestimmungen des zwischenzeitlich in Kraft getretenen neuen Glückspielstaatsvertrages, der eine Neuansiedlung solcher Spielhallen derzeit im Prinzip unterbindet, zunächst ausgesetzt, die seinerzeit geplante Erstellung eines Spielhallensteuerungskonzeptes ist bislang nicht erfolgt.

 

In der jüngeren Vergangenheit sind nun vermehrt Anfragen und Anträge zu Nutzungsänderungen bestehender Ladenlokale in Wettbüros bei der Bauaufsichtsbehörde der Stadt Emmerich am Rhein eingegangen. Auch wenn derzeit entsprechende konkrete Anträge infolge fehlender Konzessionierung auf der Grundlage des benannten Glücksspielstaatsvertrages und des hieraus resultierenden fehlenden Sachbescheidungsinteresses aus Gründen der Nichtausnutzbarkeit verworfen werden, ist absehbar, dass irgendwann Lizenzvergaben stattfinden werden. Dann kann es an geeigneten Stellen des Stadtbereiches, insbesondere in der Innenstadt zu einer gehäuften Ansiedlung dieses Typs der Vergnügungsstätten kommen. Hierdurch sind negative Auswirkungen, die städtebauliche Spannungen auslösen, zu befürchten.

 

Ein ähnliches Ansiedlungsinteresse war in den letzten Jahren auch in Bezug auf Rotlichtbetriebe zu verzeichnen, die auf ihre Umgebung einen abwertenden Trading-Down-Effekt auslösen können. Daher ist beabsichtigt, eine städtebauliche Steuerung sowohl von Vergnügungsstätten und als auch von Rotlichtbetrieben nunmehr konkret anzugehen. Hierfür soll im nächsten Jahr ein das Gesamtstadtgebiet untersuchendes Steuerungskonzept für Vergnügungsstätten und Rotlichtbetriebe aufgestellt werden, in welchem neben der Darlegung städtebaulich ungeeigneter Flächen auch Positivzuweisungen von Standorten für solche Einrichtungen zu benennen sein werden. Eine entsprechende Anmeldung von Mitteln im Haushalt 2015 ist verwaltungsseitig bereits erfolgt.

 

Die Sicherung der städtebaulichen Steuerung soll anschließend planungsrechtlich durch eine entsprechende Bauleitplanung erfolgen.

 

 

b)         Anlass zur Planung

Derzeit liegt eine Bauvoranfrage auf Nutzungsänderung eines leer stehenden Ladenlokals im Gebäude Steinstraße 1 vor, mit der die planungsrechtliche Zulässigkeit eines Wettbüros abgefragt wird. Das Antragsgrundstück liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplanes Nr. E 18/9 -Rheinpromenade / Steinstraße-. Auch wenn als Folge dieser Bauvoranfrage derzeit kein konkreter Nutzungsänderungsantrag wegen des oben benannten fehlenden Sachbescheidungsinteresses aufgrund fehlender Konzessionierung beschieden werden wird, würde eine auf der Grundlage des geltenden Bebauungsplanes zu erlassende positive Entscheidung eine Öffnung der Steinstraße für eine solche Art der Vergnügungsstätten vorprägen.

 

Allerdings ist der betroffene Bebauungsplan E 18/9 mit einem materiellen Mangel behaftet, der ihn als unwirksam betrachten lässt. Der Antragsvorgang der benannten Bauvoranfrage ist daher neben anderen Erwägungen Anlass für die Einleitung eines Verfahrens zur Aufstellung des neuen Bebauungsplanes E 18/9 -neu für den Bereich des Altplanes E 18/9. Hierin soll insbesondere der materielle Mangel einer sich nicht mit der vorhandenen Baugebietsstruktur deckenden Gebietsausweisung ausgeräumt werden und anstelle der bisherigen Kerngebietsfestsetzung die Festsetzung als Besondere Wohngebiete (WB) im Sinne des § 4a BauGB erfolgen. In den Verfahrensbereich einbezogen ist die Südseite der Steinstraße zwischen Alter Markt und Fährstraße.

 

In der gesamten Steinstraße sind bauliche Mängel von Einzelgebäuden und Leerstände von Ladenlokalen zu verzeichnen, die negative Auswirkungen auf das Erscheinungsbild des Straßenzuges und auf die Attraktivität als Handels- und Wohnstandort eingeleitet haben. Um den Hauptgeschäftsstraßencharakter der Steinstraße mit gleichzeitiger Funktion als Haupteingangsbereich in die Innenstadt zu stützen, hat sich die Stadt Emmerich am Rhein deshalb in jüngerer Vergangenheit mit diversen Maßnahmen um eine Aufwertung des betroffenen Bereiches bemüht. So wurde im Jahre 2009 eine Neugestaltung des öffentlichen Raumes durch eine Straßenausbaumaßnahme mit neuem Belag sowie modernen Beleuchtungs- und Möblierungselementen vorgenommen. Darüber hinaus erfolgte kürzlich eine Voruntersuchung hinsichtlich der Möglichkeiten einer städtebaulichen Sanierungsmaßnahme nach den §§ 136 ff BauGB. Hierin wurde eine solche Maßnahme zwar nicht als geeignetes Instrument dargestellt, es wurden aber Handlungsempfehlungen benannt, die in das in Aufstellung begriffene integrierte städtebauliche Handlungskonzept für die Stadt Emmerich am Rhein einfließen sollen. Ferner zeichnet sich mit dem Erwerb des Grundstückes einer vor einigen Jahren durch Brandfall entstandenen Ruine durch eine Stiftung öffentlichen Rechts und deren konkret vorliegende Bauabsichten eine positive Entwicklung ab, die insgesamt auch einen Aufschwung für die übrigen Bereiche der Steinstraße in Gang setzen könnte.

 

Vor diesem Hintergrund soll insbesondere mit Hinblick auf die anzutreffenden Leerstände etwaigen weiteren Attraktivitätsverlusten in der Steinstraße entgegen gewirkt werden. Im neuen Bebauungsplan Nr. E 18/9 -neu für den Bereich des Altplanes E 18/9 sollen hierzu Vergnügungsstätten, soweit sie nicht wegen ihrer Zweckbestimmung oder ihres Umfanges nur in Kerngebieten allgemein zulässig sind und im Besonderen Wohngebiet als Ausnahme zulässig sein können, ausgeschlossen werden. Ein gleicher Planungsansatz wird für den derzeit ebenfalls in Aufstellung begriffenen Bebauungsplan E 23/2 -Fährstraße / Hinter dem Hirsch- verfolgt. Dieser Plan zieht den Bereich auf der Südseite der Steinstraße im Abschnitt Fährstraße bis Geistmarkt in seinen Geltungsbereich ein.

 

Die Nordseite der Steinstraße ist hingegen dem im Zusammenhang bebauten Ortsteil im Sinne des § 34 BauGB zuzuordnen. Ein Planungsbedarf zur Steuerung der städtebaulichen Entwicklung dieses Gebietes ist derzeit nicht konkret absehbar, es sei denn, dass damit auch hier Vorkehrungen gegen weitere Attraktivitätsverluste infolge der Ansiedlung von Vergnügungsstätten in den leer stehenden Ladenlokalen ergriffen werden sollen. Um die Planungsziele der benannten Bebauungspläne E 18/9 -neu und E 23/2 in Bezug auf den dort vorgesehen Vergnügungsstättenausschluss nicht zu konterkarieren, soll daher zur Sicherung der städtebaulich herausragenden Funktion der Steinstraße als Hauptgeschäftsstraße und Eingang in den Innenstadtbereich auch für die Grundstücke an der Nordseite der Steinstraße ein Ausschluss von Vergnügungsstätten erlassen werden, um die hiermit einhergehenden Probleme wie Trading-Down-Effekte, Nutzungsverdrängungen oder Lärmbelastungen zu vermeiden.

 

 

c)         Vergnügungsstättenbebauungsplan nach § 9 Abs. 2b BauGB

Mit Einführung des § 9 Abs. 2a BauGB durch die BauGB-Novelle 2013 ergibt sich für Bereiche im Zusammenhang bebauter Ortsteile nach § 34 BauGB die Möglichkeit der Steuerung von Vergnügungsstätten durch Aufstellung eines einfachen Text-Bebauungsplanes. Hierin kann u. a. festgesetzt werden, dass Vergnügungsstätten oder bestimmte Arten von Vergnügungsstätten zulässig oder nicht zulässig sind, um

  1. eine Beeinträchtigung von Wohnnutzungen oder anderen schutzbedürftigen Anlagen wie Kirchen, Schulen und Kindertagesstätten oder
  2. eine Beeinträchtigung der sich aus der vorhandenen Nutzung ergebenden städtebaulichen Funktion des Gebietes, insbesondere durch eine städtebaulich nachteilige Häufung von Vergnügungsstätten,

zu verhindern.

 

Unter Vergnügungsstätten werden Gewerbebetriebe verstanden, bei denen die kommerzielle Unterhaltung der Kunden und Besucher im Vordergrund steht und die als Amüsierbetrieb oder durch gewinnbringende Freizeitgestaltung zu charakterisieren sind. Hierzu zählen z.B. Diskotheken, Spielhallen und Spielcasinos, Nachtlokale, Sex-Shops mit Videokabinen, Swingerclubs, Kinos und Wettbüros. Dabei ist zwischen kerngebietstypischen und nicht kerngebietstypischen Vergnügungsstätten zu differenzieren, wobei die Kerngebietstypik an der besonderen Zweckbestimmung der Einrichtung oder ihrem Umfang festzumachen ist. In der Rechtsprechung wurde ein Schwellenwert von 100 qm Betriebsfläche bestimmt, ab dem eine Vergnügungsstätte als kerngebietstypisch einzuordnen ist.

 

Nachdem die im Bebauungsplan E 18/9 für den Baubereich auf der Südseite der Steinstraße ursprünglich getroffene Festsetzung als Kerngebiet nach eingängiger Rechtsprechung als fehlerhaft anzuerkennen ist und sich die Bebauungs- und Nutzungsstruktur auf der Nordseite der Steinstraße mit gewerblicher Nutzung im EG und überwiegender Wohnnutzung in den darüber liegenden Geschossen hiervon im Prinzip nicht unterscheidet, entspricht der Gebietscharakter des Bereiches an der Nordseite der Steinstraße ebenfalls dem eines Besonderen Wohngebietes im Sinne des § 4a BauGB. Kerngebietstypische Vergnügungsstätten wären in diesem Bereich ohnehin nicht allgemein zulässig, wie auch die kleinteilige Bebauungsstruktur hierfür im Prinzip keinen ausreichenden Raum bietet. Die leerstehenden Ladenlokale würden von ihrem Zuschnitt her aber die Möglichkeit für die Ansiedlung nicht kerngebietstypischer Vergnügungsstätten, hierunter insbesondere für Wettbüros bieten. Auch unter Einhaltung des vorgeschriebenen Mindestabstandes von 200 m zu Vergnügungsstätten gleicher Unterart wären in der Steinstraße 2 bis 3 Standorte jeder Art denkbar, so dass in der Summe negative städtebauliche Auswirkungen aus solchen Einrichtungen auf den Bereich der Steinstraße nicht ausgeschossen werden können.

 

Daher soll für den betroffenen unbeplanten Bereich an der Nordseite der Steinstraße ein Bebauungsplan zur Vergnügungsstättensteuerung nach § 9 Abs. 2b BauGB aufgestellt werden. Die städtebaulichen Gründe nach § 9 Abs. 2b Nr. 2 als Voraussetzung für die Aufstellung eines solchen Bebauungsplanes liegen für den betroffenen exponierten Teil der Innenstadt vor. Eine Notwendigkeit zur vorlaufenden Erstellung einer informellen Planung in Form eines Vergnügungsstättenkonzeptes, wie es in Kürze aufgestellt werden soll, wird von der Kommentierung nicht in allen Fällen für die Steuerung von Vergnügungsstätten für erforderlich gehalten. Im vorliegenden Fall wird ein solches Konzept voraussichtlich zeitnah erstellt werden, um auch als Abwägungsmaterial dieses Bebauungsplanes dienen zu können.

 

 

d)         Planungsziel

Mit dem Bebauungsplan gemäß § 9 Abs. 2b BauGB soll die Zulässigkeit aller Vergnügungsstätten innerhalb seines durch die an die nördliche Straßengrenze der Steinstraße angrenzenden Grundstücke gebildeten Geltungsbereich ausgeschlossen werden, um die städtebauliche Funktion der Steinstraße als Eingangsstraße in den Emmericher Innenstadtbereich sowie als eine der Hauptgeschäftsstraßen und Hauptverkehrsader in angemessener Weise zu erhalten.

 

 

e)         Bestandsschutz für vorhandene Vergnügungsstätte

Im Plangebiet liegt das Gebäude Steinstraße 28/ Hinter dem Engel 17, in welchem ein bauordnungsrechtlich genehmigter Swinger-Club betrieben wird. Auf der Grundlage dieser Genehmigung genießt dieser Betrieb Bestandsschutz, der auch durch die Aufstellung des Bebauungsplanes nach § 9 Abs. 2b nicht angetastet wird.

 

 

f)          Bebauungsplan der Innenentwicklung

Das Plangebiet betrifft einen innerstädtischen bebauten Bereich. Die Planung dient der Steuerung der Ansiedlung von Vergnügungsstätten, was als Maßnahme der Innenentwicklung zu betrachten ist. Das Verfahrengebiet umfasst insgesamt ca. 14.500 qm, so dass unabhängig davon, dass ohnehin kein Maß der baulichen Nutzung festgesetzt werden soll, die Schwellengröße für die Zulässigkeit der Aufstellung eines Bebauungsplanes der Innenentwicklung nach § 13a Abs. 1 Nr. 1 BauGB von 20.000 qm Grundfläche im Sinne des § 19 Abs. 2 BauNVO nicht erreicht werden kann. Da der Bebauungsplan zudem keine Zulässigkeit von Vorhaben begründen soll, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach UVPG unterliegen, und auch keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Abs. 6 Nr. 7 Buchstabe b BauGB aufgeführten Schützgüter bestehen, liegen die Voraussetzungen für die Durchführung eines Bebauungsplanes nach den Bestimmungen des beschleunigten Verfahrens nach § 13 a Abs. 2 BauGB vor.

 

 

Zu 2)

 

Das Verfahren dieses Bebauungsplanes läuft zeitlich parallel zur Aufstellung des Bebauungsplanes E 18/9 -neu. Da die Thematik des Vergnügungsstättenausschlusses auch hierin abgearbeitet werden soll, soll über die Planungsabsichten der Stadt Emmerich am Rhein in diesen beiden Verfahren in einer gemeinsamen Veranstaltung unterrichtet werden.

 

Finanz- und haushaltswirtschaftliche Auswirkungen :

 

Die Maßnahme hat keine finanz- und haushaltswirtschaftlichen Auswirkungen.

 

 

Leitbild :

 

Die Maßnahme steht im Einklang mit den Zielen des Leitbildes Kapitel 1.1.

 

 

 

 

 

Johannes Diks

Bürgermeister