Betreff
Qualifizierungsoffensive für den Emmericher Arbeitsmarkt; hier: Antrag Nr. III 2019 der SPD-Fraktion
Vorlage
07 - 16 1818/2019
Art
Verwaltungsvorlage

Beschlussvorschlag

 

Der Rat nimmt die Ausführungen der Verwaltung zur Kenntnis und stimmt einer weiteren Intensivierung der Qualifizierungsbemühungen in den Sparten Logistik und Pflege wo möglich zu.

Sachdarstellung :

 

Mit Schreiben vom 03.01.2019 beantragt die SPD-Ratsfraktion die Durchführung einer „Qualifizierungsoffensive“ in der die Aktivitäten von Jobcenter, Agentur für Arbeit und Wirtschaftsförderung gebündelt werden. Hierbei soll unter Federführung der Verwaltung zunächst eine Bedarfsanalyse des Arbeitskräftebedarfs auf dem Kasernengelände erfolgen und anschließend eine Strategie zur Qualifizierung und Vermittlung erarbeitet werden. Begründet wird dieser Antrag mit dem Hinweis, dass auch die Menschen in Emmerich am Rhein von der positiven Entwicklung auf dem ehemaligen Kasernengelände profitieren müssten. Gleiches gelte für die Ansiedlung des Logistikers Fiege und dem Neubau der Firma Convent.

 

Um diesen Antrag beraten zu können, ist es sinnvoll, zunächst die routinemäßigen Arbeitsabläufe im Jobcenter der Stadt Emmerich am Rhein zu kennen:

 

Bedarfsanalyse:

Es findet ein regelmäßiger Austausch mit der Wirtschaftsförderung, der Agentur für Arbeit sowie den umliegenden Jobcentern im Kreis Kleve und den niederländischen Kollegen jenseits der Grenze statt.

Der regionale Arbeits- und Ausbildungsmarkt wird permanent beobachtet, um auf mögliche Trends und Entwicklungen frühzeitig reagieren und Qualifizierungen zielgerichtet durchführen zu können.

Im Bereich des Arbeitgeberservice gehört es zum Tagesgeschäft, auf bestehende und/oder potentielle neue Arbeitgeber zuzugehen, um deren Arbeitskräftebedarf zu ermitteln und Unterstützung bei der Akquirierung von Personal anzubieten.

 

Qualifizierung:

Es wird in Emmerich am Rhein nach der Maxime verfahren: „Qualifizierung vor Vermittlung“.

D.h. insbesondere bei jungen arbeitslosen Menschen versuchen die Fallmanager vorrangig Perspektiven mit dem Kunden zu erarbeiten, die auf einer sinnvollen Qualifizierung aufbauen. In der Mehrzahl der Fälle kann nur so in einem zweiten Schritt eine Unabhängigkeit vom sozialen Leistungssystem sowie eine wünschenswerte Nachhaltigkeit von Arbeitsaufnahmen erreicht werden. Ein kurzfristiger Vermittlungserfolg im Sektor der Geringverdiener zählt demgegenüber zu den nachrangigen Optionen.

Durch die Möglichkeit mittels Bildungsgutschein eine Vielzahl zertifizierter Schulungsangebote von diversen Bildungsträgern ansteuern zu können, kann in der Regel jeglicher auftretende Qualifizierungsbedarf kurzfristig gedeckt werden. Gerade in den angesprochenen Branchen wie beispielsweise Pflege, Logistik und Berufskraftfahrer garantiert eine passgenaue Qualifizierung schon jetzt die spätere erfolgreiche Vermittlung. Der bekannte Fachkräftemangel in Deutschland soll hier nicht weiter thematisiert werden.

 

Vermittlung:

Neben den Basismaßnahmen für die Arbeitsuchenden (Beratung, Stellenvorschläge, Bereitstellung einer speziellen Online-Jobbörse für den Kreis Kleve, Erstellung Bewerbungsunterlagen, Bewerbungstraining, Bewerbungs- und Fahrtkosten, …) gehören häufig Unterstützungsleistungen für Arbeitgeber zur täglichen Arbeit im Jobcenter. Das Maßnahmeportfolio des Jobcenters hält auch hier diverse Möglichkeiten bereit (passgenaue Qualifizierung, Beratung, Bewerbervorschläge, finanzielle Förderung, …).

 

Neben diesen Ausführungen, welche die verfolgte Arbeitsweise und Strategie des Jobcenters kurz skizzieren, folgen noch einige Fakten zum Thema Qualifizierung:

 

Der Großteil der passgenauen Qualifizierungen wird über sogenannte Bildungsgutscheine angesteuert. In Emmerich am Rhein wurden im vergangenen Jahr mit Abstand die meisten Bildungsgutscheine im Vergleich der großen kreisangehörigen Kommunen im Kreis Kleve mit mehr als 1.000 erwerbsfähigen Leistungsberechtigten ausgestellt.

 

Unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Anzahl an Kunden ergibt sich, dass 2018 in Emmerich mehr als doppelt so viele erwerbsfähigen Leistungsberechtigten mit einer Qualifizierungsmaßnahme auf ihrem Weg auf den ersten Arbeitsmarkt unterstützt wurden als im Durchschnitt der vier Vergleichskommunen.

 

Finanziert werden Qualifizierungsmaßnahmen aus dem Teilbudget der klassischen Eingliederungsmittel. Dieses Budget wird vom Bund über den Kreis jährlich zur Bewirtschaftung zur Verfügung gestellt. Mehrausgaben bzw. Ersparnisse in diesem Teilbudget können mit anderen Teilbudgets verrechnet werden (z.B. Verwaltungskosten). Hier entscheidet jedes kommunale Jobcenter frei je nach verfolgter Eingliederungsstrategie über die Verwendung der Mittel. Für Bildungsgutscheine hat das Jobcenter Emmerich im vergangenen Jahr 26% des Teilbudgets mithin 296.224,- € ausgegeben.

 

In 2018 hat Emmerich am Rhein das Teilbudget der klassischen Eingliederungsleistungen deutlich aufgestockt, um Qualifizierungen durchzuführen. Dem gegenüber haben alle bis auf eine der großen Kommunen im Kreis Kleve Umverteilungen ausschließlich zu Lasten des Teilbudgets der klassischen Eingliederungsleistungen vorgenommen.

 

In Emmerich am Rhein konnte diese Qualifizierungsstrategie so intensiv verfolgt werden, da zusätzlich zu dem im Vorjahr zugewiesenen Integrationsbudget der Stadt Emmerich am Rhein noch finanzielle Ressourcen anderer Kommunen abgerufen werden konnten, da deren Verausgabungsquoten unter 100% lagen, so dass kreisweit noch Mittel zur Verfügung standen, die ansonsten ungenutzt zum Bund zurückgeflossen wären.

So wurden nochmal über 30.000,- € aus anderen Kommunen insbesondere in die Qualifizierung in Emmerich am Rhein investiert. D.h. die Verausgabungsquote in Emmerich am Rhein lag im Jahr 2018 über 100% des ursprünglichen Budgets. Weitergehende Maßnahmen wären zwingend aus dem städtischen Haushalt zu finanzieren. Entsprechende Haushaltsmittel wurden bislang nicht eingeplant.

 

Zu einzelnen Maßnahmen, die seitens des Jobcenters gemeinsam mit ortsansässigen oder potentiellen Arbeitgebern im vergangenen Jahr initiiert wurden, folgen hier noch drei konkrete Beispiele:

-       Präsentation eines der im Antrag genannten Unternehmen auf der Job- und Ausbildungsbörse der Wirtschaftsförderung zwecks Kontaktanbahnung zwischen Arbeitgeber und potentiellen Arbeitnehmern aus Emmerich am Rhein.

-       Organisation eines Speed-Datings im Rathaus mit einem Arbeitsgeber, der sich auf dem Kasernengelände künftig ansiedeln wird. Hier wurde Jobcenter-Kunden die Chance eingeräumt schnell und unkompliziert vor Ort sich und ihre Bewerbungsunterlagen dem Arbeitgeber persönlich zu präsentieren. Außerdem wurde der Arbeitgeber bei der Mitarbeitersuche unbürokratisch unterstützt.

-       Passgenaue Qualifizierung in Kooperation mit einem bewährten Beschäftigungsträger und einem ortsansässigen Logistikunternehmen. Hier konnten mit Ausnahme von zwei Teilnehmern, die aus gesundheitlichen Gründen passen mussten, alle Teilnehmer nach der Maßnahme erfolgreich bei dem Kooperationspartner in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung einmünden.

-       Es besteht ein enger Kontakt zu den Akteuren der im Antrag angesprochenen Betriebe. So haben beispielsweise neben den seit Anfang 2018 fernmündlich bestehenden Kontaktaufnahmen auch persönliche Gespräche mit dem Einrichtungs- sowie Pflegedienstleiter des künftigen Pflegeheims stattgefunden. Die konkrete Mitarbeiterakquise beginnt aktuell, so dass auf Basis der genannten Mengengerüste nunmehr alle potentielle Kandidaten aus dem Bereich der Leistungsempfänger aufgefordert und unterstützt werden, sich hier vor Ort beim künftigen Betreiber unmittelbar persönlich vorzustellen.

 

Angesichts des vor Ort entstehenden Bedarfs an examinierten Pflegekräften und auch Hilfskräften im Pflege- und Gesundheitsbereich und zugleich an ausgebildeten Logistikern und Lagerfachkräften sowie Hilfskräften wurden die Qualifizierungsanstrengungen in diesen Sparten -angepasst an den Bedarf der Arbeitgeber vor Ort und an die Voraussetzungen, die die Arbeitssuchenden mitbringen- verstärkt.

 

Finanz- und haushaltswirtschaftliche Auswirkungen :

 

Die Maßnahme hat keine finanz- und haushaltswirtschaftlichen Auswirkungen.

 

 

Leitbild :

 

Die Maßnahme steht im Einklang mit den Zielen des Leitbildes Kapitel 3.1.

 

 

 

Peter Hinze

Bürgermeister