Betreff
Erlass einer Wohnraumschutzsatzung;
hier: Antrag Nr. XVII/2019 der Ratsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Vorlage
06 - 16 1857/2019
Art
Verwaltungsvorlage
Untergeordnete Vorlage(n)

Kenntnisnahme(kein Beschluss)

 

Der Haupt- und Finanzausschuss nimmt die Ausführungen der Verwaltung zur Kenntnis.

Sachdarstellung :

 

Die Ratsfraktion Bündnis 90/Die GRÜNEN beauftragt die Verwaltung, zu prüfen, ob „angesichts der zunehmenden Knappheit an preiswerten Wohnungen und der trotzdem stattfindenden Zweckentfremdung von Wohnraum“ eine Wohnraumschutzsatzung für die Stadt Emmerich am Rhein erlassen werden könnte.

 

 

Das Wohnungsaufsichtsgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen – WAG NRW - ermächtigt in § 10 die Kommunen durch eigene Satzung Gebiete mit erhöhtem Wohnungsbedarf festzulegen, in denen Wohnraum nur mit Genehmigung zweckentfremdet werden darf. Das WAG NRW hat mit seinem Inkrafttreten 2014 die bisherigen in den §§ 40 bis 43 des Gesetzes zur Förderung und Nutzung von Wohnraum für das Land NRW - WFNG NRW – festgelegten Regelungen zur Wohnungsaufsicht abgelöst.

Ziel einer solchen Satzung ist es, in Wohngegenden mit einem knappem Wohnungsangebot zu verhindern, dass der geringe Bestand an Wohnraum z.B. durch gewerbliche Nutzung, gewerbliche Zimmervermietung oder Fremdenbeherbergung zweckentfremdet, d.h. dem eigentlichen Wohnzweck entzogen wird und nicht mehr dem Wohnungsmarkt zur Verfügung steht. Innerhalb Nordrhein-Westfalens haben nur die Städte Bonn, Dortmund, Köln und Münster eine sog. Zweckentfremdungs- oder Wohnraumsatzung erlassen. Ursprünglich ausgehend von einem steigenden Angebot an Ferienwohnungen in Wohngebieten darf in diesen Städten wegen des dort herrschenden Wohnraummangels Wohnraum nur mit einer Genehmigung für eine Kurzzeitvermietung genutzt werden.

Der Antrag der Ratsfraktion Bündnis 90/Die GRÜNEN steht im Kontext zur gestiegenen Anzahl der Wohnungen, die im Stadtgebiet von Emmerich am Rhein von niederländischen Zeitarbeitsfirmen zur Unterbringung von Arbeitsmigranten aus Osteuropa gekauft bzw. gemietet werden. In erster Linie handelt es sich hier um die Nutzung von Mehrfamilien-häusern älteren Bestands mit Wohnungen im Bereich des preiswerten Mietwohnungs-segments. 

Vor diesem Hintergrund wird als Ziel des Erlasses einer Satzung nach § 10 WAG NRW für die Stadt Emmerich am Rhein unterstellt, die Nutzung von Wohnungen zur Unterbringung von Arbeitsmigranten aus Osteuropa einer Genehmigungspflicht zu unterziehen und somit mittelbar einzuschränken, um die entsprechenden Mehrfamilienhäuser dem allgemeinen Wohnungsmarkt zur Verfügung zu stellen. Die Verfügbarkeit bezahlbaren Wohnraums soll für dauerhaft im Satzungsgebiet ansässige Personen gesichert und gesteigert werden.

Dem Gesetzestext folgend setzt der Erlass einer Satzung nach § 10 WAG NRW in Emmerich am Rhein zunächst voraus, dass ein Gebiet mit erhöhtem Wohnungsbedarf besteht. Ist diese Voraussetzung erfüllt, bedingt eine in der Satzung festzulegende Genehmigungspflicht, dass die Nutzung von Wohnungen zur Unterbringung von Arbeitsmigranten aus Osteuropa eine Zweckentfremdung von Wohnraum darstellt.

 

 

 

 

 

 

Die Prüfung der Erfüllung dieser beiden Voraussetzungen wird nachfolgend dargestellt:

1.    Erhöhter Wohnungsbedarf

Der Begriff des erhöhten Wohnungsbedarfs ist gesetzlich nicht festgelegt. In dem Leitfaden zum Wohnungsaufsichtsgesetz des Ministeriums für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr des Landes NRW gibt es ebenso keine Definition zu diesem Begriff. Gem. Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist Voraussetzung für einen erhöhten Wohnungsbedarf ein Ungleichgewicht zwischen der Nachfrage Wohnungssuchender und dem Angebot von für diesen Personenkreis nach Größe, Ausstattung und Miete in Betracht kommenden Wohnungen. Die Feststellung eines solchen Ungleichgewichts bedarf eines ausführlichen empirischen Nachweises, um letztendlich einen hinreichend erhöhten Wohnungsbedarf festzustellen.  

Im Rahmen des Handlungskonzepts Wohnen für die Stadt Emmerich am Rhein – der Entwurf liegt der Verwaltung vor - hat das Beratungsinstitut empirica Bonn aktuell den Wohnungsmarkt untersucht. Ein innerhalb des Stadtgebiets der Stadt Emmerich am Rhein bestehender erhöhter Wohnungsbedarf wird nicht festgestellt. Das Konzept stellt bezogen auf die einzelnen Teilsegmente differenzierte Ergebnisse dar. Hinsichtlich des preiswerten Mietwohnungssegments wird festgestellt, dass sich dieses in den letzten Jahren zwar angespannt habe aber weit entfernt sei von den Engpässen auf den stark angespannten Wohnungsmärkten der Rheinschiene in NRW sowie in Aachen und Münster.

Vor diesem Hintergrund hält die Verwaltung den zum Erlass einer Satzung nach § 10 WAG NRW notwendigen Nachweis zur Annahme eines Gebiets mit erhöhtem Wohnungsbedarf insbesondere im Bereich des preiswerten Mietwohnungssegments für nicht darlegbar. 

2. Zweckentfremdung des Wohnraums

Der Begriff der Zweckentfremdung des Wohnraums ist in § 10 WAG NRW nicht abschließend definiert.

 

Üblicherweise liegt eine Zweckentfremdung dann vor, wenn vorhandener und genehmigter Wohnraum durch den Verfügungs- bzw. Nutzungsberechtigten einer anderen Nutzung als zu Wohnzwecken zugeführt wird.

 

Gemäß einer Definition des Ministeriums für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung des Landes NRW liegt Zweckentfremdung vor bei Leerstand oder Umnutzung von Wohn-raum zu Gewerbezwecken oder zur Vermietung als Ferienwohnung, ebenso bei Abriss von Wohnraum.

 

Klassischer Fall der Zweckentfremdung ist die Vermietung einer Wohnung als Ferienwohnung für Touristen und Geschäftsreisende, sprich einer Fremdenbeherbergung.

 

Zur Definition der Fremdenbeherbergung kann auf das Umsatzsteuerrecht zurückgegriffen werden. Gem. § 4 Nr. 12a Satz 2 UStG ist die Vermietung von Wohn- und Schlafräumen, die zur kurzfristigen Beherbergung eines Fremden vorgehalten werden, steuerpflichtig. Der

Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in seinem Urteil vom 12.02.1998 – C 346/95 – eine kurzfristige Beherbergung, und damit eine Umsatzsteuerpflicht, bejaht, sofern diese weniger als 6 Monate dauert. Gem. EuGH ist für die Bestimmung der 6-Monatsfrist die Absicht des Vermieters, die z.B. im Mietvertrag dokumentiert ist, maßgeblich.

 

 

Den allgemeinen Sprachgebrauch zugrunde legend erfüllen die in Emmerich am Rhein zur Unterbringung von Arbeitsmigranten genutzten Gebäude grundsätzlich den Zweck, diesen Personen ein Dach über dem Kopf zum dauerhaften Aufenthalt als (vorübergehender) Lebensmittelpunkt zu gewähren, einen im Kern privaten Platz zum Schlafen und Kochen, d.h. zur eigenständigen Lebensgestaltung. Sie dienen somit als Wohnraum.

 

Die Mietverträge, die die Arbeitsmigranten persönlich abschließen, sind in der Regel nicht befristet und zielen somit grundsätzlich auf ein dauerhaftes Wohnen ab. Die Absicht des dauerhaften Wohnens wird nicht eingeschränkt von der Tatsache, dass in Abhängigkeit vom Einzelfall, d.h. von der Dauer des einzelnen Leiharbeitnehmerverhältnisses, Mietvertrags-verhältnisses vorzeitig beendet werden können.

Bisher konnte nur in wenigen einzelnen Immobilien eine von vornherein beabsichtigte kurzfristige Zimmervermietung festgestellt werden. In diesem Fällen wurde auf bauord-nungsrechtlicher Ebene die Genehmigungsfähigkeit überprüft und in Einzelfällen die Ausführung untersagt.

Zusammenfassend ist festzustellen, dass die Nutzung von Wohnungen durch niederlän-dische Zeitarbeitsfirmen zur Unterbringung von Arbeitsmigranten im Allgemeinen nicht als Zweckentfremdung zu beurteilen ist.

Sofern entgegen des unter Ziffer 1 dargestellten Ergebnisses die Voraussetzungen zum Erlass einer Satzung nach § 10 WAG NRW gegeben wären, wäre eine Genehmigungs-pflicht in Bezug auf die Nutzung von Wohnungen zur Unterbringung von Arbeitsmigranten nicht durchsetzbar.

Nach Abschluss der o.a. Prüfung wird der Erlass einer Satzung nach § 10 WAG NRW für das Gebiet der Stadt Emmerich am Rhein als nicht rechtmäßig beurteilt.

 

 

 

Finanz- und haushaltswirtschaftliche Auswirkungen :

 

Die Maßnahme hat keine finanz- und haushaltswirtschaftlichen Auswirkungen.

 

 

 

Leitbild :

 

Die Maßnahme steht im Einklang mit den Zielen des Leitbildes Kapitel 6.2.

 

 

 

Peter Hinze

Bürgermeister