Beschlussvorschlag
Der Ausschuss
nimmt die Ausführungen der Verwaltung zur Kenntnis und beauftragt sie, das
Konzept in der vorgeschlagene Vorgehensweise zu erarbeiten und dem Ausschuss
für Stadtentwicklung im Herbst 2019 vorzustellen.
Sachdarstellung :
Während in der
Sitzung des ASE am 13.03.2018 der Themenpunkt ‚Einsatz von Glyphosat‘
abschließend beraten wurde, erhielt die Verwaltung den Auftrag, zu prüfen,
inwieweit die Pflege städtischer Grünflächen und die Wahl bestimmter
Saatgut-mischungen besser auf die Bedürfnisse der Insekten angepasst werden
könnten.
Die aktuelle
Vorlage berichtet über die Erfahrungen des letzten Jahres und skizziert ein
Handlungskonzept, das ausgearbeitet werden sollte, um zukünftig in
verschiedenen kommunalen Handlungsfeldern für ein insektenfreundlicheres
Vorgehen zu sorgen.
Erfahrungsbericht
2018
Am 22. März 2018 kündigten die
Kommunalbetriebe Emmerich (KBE) in der Sitzung des Betriebsausschusses an, die
Anlage von Blumenwiesen im Emmericher Stadtgebiet auszuweiten. Dabei orientierten
sie sich u.a. an den Erfahrungen aus 2017 mit Saatgut-mischungen auf
Blühflächen am Blackweg (siehe Abb. 1). In der Folge wurden über das gesamte
Stadtgebiet verteilt Flächen ausgewählt:
·
Borgheeser Weg / Ecke
Hekerenfelder Weg,
·
Ostwall, Höhe
Altenzentrum,
·
Dreikönige Hauptstraße,
·
Alter Friedhof in Elten,
·
Friedhof in Emmerich,
·
Rudolf - W.- Stahr- Straße
im Baugebiet Hubert-Fink-Straße
Die Aussaat dieser Flächen erfolgte Ende
April 2018. Entgegen der Erwartungen
kamen nicht alle Flächen zur Blüte, da in den Folgemonaten bis in den späten
Herbst eine für hiesige Verhältnisse ungewöhnliche Trockenheit vorherrschte, in
der sich viele Flächen wenig bis gar nicht entwickelten. Lediglich die Flächen
im Stadtgebiet, die regelmäßig bzw. in Abständen gewässert werden konnten,
entwickelten sich positiv. Das zeigen Aufnahmen aus der Grünanlage an der
Rudolf-W-Stahr-Straße, aus dem Rheinpark wie auch von der öffentlichen Fläche
an der Dederichstraße gegenüber den Stadtwerken (siehe Abb. 2 – 4).
In der bereits 2017 angelegten Blumenwiese am
Blackweg setzten sich 2018 mehr und mehr die Wildkräuter durch und drängten die
eingesäten Kulturpflanzen zurück (siehe Abb. 5 + 6). Für die Insekten war
dieser Wandel nicht von Nachteil, da ihnen die nachfolgenden Brennnesseln,
Disteln und andere Wildkräuter genauso gut als Nahrungsquelle dienen. Eine
ähnliche Entwicklung nahm die vor Jahren eingesäte Blumenwiese auf dem Kreisel
an der Schleuse / Stadtweide. Hier bildete die Kuppmargerite in den Folgejahren
einen flächen-deckenden Bestand. Absichtlich wurden die Margeriten nach der
Blüte, - wie auch Wild-kräuter andernorts -, nicht abgemäht sondern stehen
gelassen. Das dient der Selbstaussaat im nächsten Jahr. Insekten nehmen solche
abgeblühten Bestände gern als Habitat und Lebensraum an.
Das Auge des nicht fachkundigen Betrachters
nimmt diesen Zustand als Verwahrlosung einer ehemals geordneten Blumenwiese
wahr, ohne den Mehrwert für die Insekten dabei zu erkennen. Eine ähnliche Optik
bietet die an der K16 bei der Fa. Swertz angelegte Wildblumenwiese. Dieser
Bestand wurde nach der Blühphase im Juli 2018 teilweise abgemäht, ein zentraler
Teil wurde aus den genannten Gründen stehen gelassen. Nachwachsende Wildkräuter
stellten sich jedoch aufgrund der anhaltenden Trockenheit nicht mehr ein (siehe
Abb. 7).
Im Verkehrsraum haben die KBE die Wegeränder
in den Außenbereichen bewusst bis Anfang
Juli stehen gelassen, bzw. in den Kreuzungsbereichen mit Blick auf die
Verkehrssicherheit jedoch nur sparsam gemäht. Das Gleiche gilt für den
ehemaligen Eintrachtsportplatz an der s’Heerenberger Straße. Anstatt wie üblich
die Fläche 3-4 mal im Jahr zu mähen, wurde 2018 darauf verzichtet und im
Spätherbst die Fläche nur gemulcht. Hier konnte sich für Insekten und
Schmetterlinge ein Biotop aus Gräsern und Brennnesseln entwickeln.
Im Bereich der Friedhöfe wurde 2018 zum
ersten Mal vollständig auf den Einsatz von Herbiziden verzichtet. Ein Abflämmen
der Wildkräuter war wegen der hohen Brandgefahr nur bedingt möglich. Diese
Vorgehensweise führte bei den Bürgern verstärkt zu Beschwerden, da sie bisher
ja einen gepflegten Friedhof gewöhnt waren.
Hier wird eine grundlegende Überzeugung
ersichtlich, die, - wenn wir unser Umfeld naturbewusster und
insektenfreundlicher gestalten wollen -, ein Umdenken erfordert. Man kann nicht
einerseits Blumenwiesen und Wildkräutern, die stark aussamen, den Vorrang
geben, andererseits aber perfekt gepflegte und ‚saubere‘ Rabatten haben wollen.
Als weitere Erkenntnis aus dem Jahr kann
festgehalten werden, dass für die Aufstellung eines Konzeptes sowie seine
Umsetzung im Stadtgebiet grundsätzlich ein Mehr an Ressourcen bereitgestellt
werden sollte.
Zur besseren Standortbestimmung haben sich
Mitarbeiter des Fachbereichs 5 und der
KBE mit diesbezüglich, verantwortlichen Kollegen anderer Stadtverwaltungen
getroffen um ihre Erfahrungen auszutauschen. Beteiligt waren die Städte
Bedburg-Hau, die Stadt Weeze und die Stadt Wesel, die alle drei für ihr
Engagement im Insektenschutz in Fachkreisen bekannt sind. Im Ergebnis bleibt
festzuhalten, dass auch hier die Kommunen mit den gleichen Problemen wie
Trockenheit, Wildkrautbewuchs, Totalausfällen und Wildverbiss zu kämpfen haben.
Besonders überzeugend war das Beispiel der Stadt Weeze und ihrer
Öffentlichkeitsarbeit. Um bei Ihren Bürgern für mehr Toleranz für
innerstädtischen Spontanbewuchs bzw. Wildkräuterflächen zu werben, macht sie
ihre Flächen mit Infotafeln kenntlich, die dem Mitbürger den anscheinenden
‚Wildwuchs‘ erklären und ihm die Wirkungszusammenhänge zwischen Tier- und
Pflanzenwelt erläutern (siehe Abb. 8 + 9).
Konzeptionelle
Überlegungen für ein ‚insektenfreundliches Emmerich‘
In Anbetracht des letztjährigen
Witterungsverlaufs waren manche der Bemühungen der Stadt Emmerich am Rhein zum
Scheitern verurteilt. Um für die kommenden Jahre, - einmal abgesehen von der
jeweiligen Wetterlage -, besser aufgestellt zu sein, sucht die Stadtverwaltung
die Zusammenarbeit mit Fachinstitutionen, um dem Insektensterben ganzheitlicher
entgegenzuwirken.
Da zwischen der Stadt Emmerich am Rhein und
dem Naturschutzzentrum im Kreis Kleve (NZ) eine Kooperationsvereinbarung
besteht, kann die Stadt im Rahmen ihres Kooperations-beitrages auch auf
Dienstleistungen des NZ‘s zurückgreifen. Gemeinsam will man in 2019 für die
Folgejahre ein Handlungskonzept ‚insektenfreundliches Emmerich‘ entwickeln‘,
welches Vorschläge zum Bereich der kommunalen Grünflächen erstellt,
Möglichkeiten der Anwendungen in den städtischen Gewerbegebieten aufzeigt, die
Chancen zur Etablierung von Blühstreifen auf
landwirtschaftlich verpachteten Flächen auslotet und nicht zuletzt
Ratschläge für die Anlage von Bienenweiden und eine entsprechende Pflanzenwahl
in Privatgärten bereithält.
Ausgehend von dem wissenschaftlich belegten
Rückgang der Insekten soll hier ein Hand-lungskonzept entstehen, in dem die
Stadt quasi selbstverpflichtend vorangeht, so zur Teilnahme motiviert, die
Bürger und Betriebe auf der Basis freiwilliger Kooperation mit einbezieht und
die gemeinsamen Aktivitäten koordiniert.
Die nachfolgend stichpunktartig umrissenen
Inhalte sollen eine Vorstellung davon vermitteln, welche Tätigkeitsfelder mit
welchen Schwerpunkten Bestandteil des Konzeptes sein können. Unterschieden wird nach 4 Teilbereichen, in
denen sich die Stadt engagieren kann/sollte:
·
Kommunale Grünflächen,
·
Privatgärten,
·
Landwirtschaftliche
Flächen,
·
Gewerbegebiete.
- Kommunale Grünflächen
(Wege- und Straßenränder, Friedhöfe, Parks, andere Freizeitflächen wie
Sportan-lagen, Kita- und Schulgelände und sonstige kommunale Grünflächen)
Zunächst muss nach einem inventarisierenden Überblick über die
vorhandenen Flächen ein Pflegekonzept entwickelt werden, welches die bislang
meist vorherrschende gleich getaktete Pflege zeitlich differenziert und je nach
Fläche alternierend eine zeitlich versetzte Mahd oder eine andere
Pflegemaßnahme vorsieht. So können Kräuter in den Rasenflächen tatsächlich
Blüten entwickeln, denn das Samenpotential im Boden ist dafür oftmals
vorhanden. In randlichen oder abgelegenen Bereiche kann die Pflege mitunter
unterbleiben, denn in den höheren Strukturen können Insekten auch den Winter
überdauern. Auch in zentralen öffentlichen Grünlandflächen können Schonstreifen
bis in den Herbst stehen bleiben, wenn dies mit der Erholungsnutzung der
Flächen z.B. in Parks vereinbar ist. Sie sind ein essentieller Rückzugsraum für
Insekten und andere Kleinstlebewesen. Bei der Anlage von Blühstreifen ist die
Wahl heimischen Regiosaatgutes, die
Vorbereitung des Saatbettes, aber auch die Art der Pflege
mitentscheidend.
Des Weiteren ist es von Bedeutung, dem Bürger dieses Handeln zu
vermitteln, sei es durch Flyer, Beilagen in der Tages- oder Wochenzeitung oder
durch eine schon erwähnte Beschilderung direkt an den Flächen. Schließlich muss
man beim Bürger dafür um Verständnis werben, dass die Pflanzen nach der
attraktiven Blütezeit noch bis zum Aussamen stehen bleiben, auch wenn sie
vorübergehend keinen besonders ordentlich Eindruck machen. Nur wenn die
genannten Maßnahmen umgesetzt werden, macht z. B. die begleitende Anschaffung
von Bienenhotels Sinn.
Städtische Ausgleichs- und Ersatzflächen bieten auch die Möglichkeit,
sich für Artenschutzmaßnahmen wie die Verbesserung des Blütenangebots
einzusetzen, vorausgesetzt, man entwickelt flächenspezifische Lösungen die von
dem Bewirtschafter mitgetragen werden.
B Privatgärten
Angesichts der rapide wachsenden Beliebtheit von Steingärten gilt es
zunächst wieder, ein Bewusstsein dafür zu schaffen, welche Wirkung auch die
wenigen qm im eigenen Garten auf das Angebot von Nahrung und Lebensraum für
Insekten haben können. Sofern man nicht Hinweise auf bereits bestehende
Informationsmaterialien gibt, können alternativ Stadt und NZ gemeinsam eine
Bürgerbroschüre erstellen, die auf Gartenpflanzen mit besonderem Nutzen für
Insekten, deren Pflanzung und Pflege abhebt. Unterstützend wäre hier eine
Zusammenarbeit mit den Gärtnereien in der Region, damit sie angeregt werden
diese Pflanzen auch dem Bürger anzubieten. Auch hier ist das Vorhandensein
blühender Stauden und Sträucher über den ganzen Sommer Voraussetzung für die
Sinnhaftigkeit von Nisthilfen. Bei Bedarf können Anleitungen zum Bau von
Nisthilfen oder ggfs. Weiterbildungsangebotes z. B. bei der VHS zur Verfügung
gestellt werden.
C Landwirtschaftliche Flächen
Bei landwirtschaftlichen Pachtflächen im Eigentum der Stadt kann die
Stadt bei neu abzuschließenden oder zu verlängernden Pachtverträgen die
Einhaltung von Schon- und Saumstreifen festlegen. Für solche Blühstreifen auf
Ackerflächen im kommunalen Eigentum gibt es im Rahmen des Greenings / Vertragsnaturschutzes
auch Fördermittel.
Was private landwirtschaftliche Flächen betrifft, hat die Stadt zwar
keinen direkten Einfluss, kann aber an die Rücksichtnahme auf die Artenvielfalt
appellieren, ggfs. indem sie gemeinsam mit der Landwirtschaftskammer NRW eine
Informations-veranstaltung für die Landwirte anbietet, und sie mit bereits
vorhandenen Konzepten wie das der ökologischen Leitbetriebe bekannt macht.
D Gewerbegebiete
Grünflächen in Gewerbegebieten bilden zwar die Ausnahme, tragen aber
auch hier zu einem angenehmeren Mikroklima bei. Eine Aufwertung kann auch hier
durch eine Umstellung der Pflegegänge oder eine besonders angepasste Einsaat
oder Bepflanzung erreicht werden. Gründächer bilden zwar eine besonders
flächenintensive Möglichkeit, das Blütenangebot zu erhöhen, werden aber häufig
bereits beim Hallenbau als verteuernd und verkomplizierend abgelehnt. Hier
besteht die Möglichkeit, zunächst über ein Informationsangebot die Betriebe auf
dieses Handlungsfeld aufmerksam zu machen, bevor man bei Bedarf ein
betriebs-spezifisches Beratungsangebot offeriert. Literatur und
Beispielprojekte existieren zur Genüge. Denkbar wäre auch ein Workshop, in dem
eine Firma, die bereits Maßnahmen umgesetzt hat, aus eigenen Erfahrungen
berichtet.
Der Ausschuss für Stadtentwicklung
befürwortet die dargelegte Vorgehensweise und beauftragt die Verwaltung, das
Konzept in der vorgeschlagenen Vorgehensweise zu erarbeiten und dem Ausschuss
für Stadtentwicklung im Herbst 2019 vorzustellen.
Finanz- und
haushaltswirtschaftliche Auswirkungen :
Die Maßnahme ist
im Haushaltsjahr 2020 im Wirtschaftsplan der KBE vorzusehen.
Leitbild :
Die Maßnahme steht
im Einklang mit den Zielen des Leitbildes Kapitel 3.1.5.
In Vertretung
Dr. Wachs
Erster
Beigeordneter