Betreff
Einzelfallbewertung Bauvorhaben Rheinpromenade 11;
hier: Antrag der CDU-Ratsfraktion
Vorlage
05 - 16 1948/2019
Art
Verwaltungsvorlage

Beschlussvorschlag

 

Der Ausschuss für Stadtentwicklung beschließt, dem Antrag der CDU-Fraktion nicht zu folgen.

 

Sachdarstellung :

 

Dem Antrag der CDU-Ratsfraktion liegt ein Bauantrag des Grundstückseigentümers zur Errichtung eines Wohn- und Geschäftshauses nach Abbruch des auf dem Grundstück aufstehenden Gebäudes  Rheinpromenade 11 aus dem Jahre 2017 zugrunde.

 

I. Rechtliche Grundlagen

Dieser Bauantrag ist durch die untere Bauaufsichtsbehörde objektiv auf Grundlage der gesetzlichen Vorschriften, vorrangig des Bauplanungs- und Bauordnungsrechts, unter Berücksichtigung sämtlicher öffentlich-rechtlicher Vorschriften,  auf seine Genehmigungsfähigkeit zu prüfen gewesen.

 

1. Kommunalverfassungsrecht

Nach den Vorschriften des Kommunalverfassungsrechts führt die untere Bauaufsichtsbehörde in ihrer Funktion als Sonderordnungsbehörde diesen Prüfungsprozess als eine Pflichtaufgabe zur Erfüllung nach Weisung gemäß § 3 Abs. 1 GO NRW durch, d.h. die  Behörde ist durch den Landesgesetzgeber verpflichtet, die Prüfung eines Bauantrages unter Anwendung sämtlicher gesetzlicher Vorschriften vollumfassend zu prüfen und zu bescheiden.

 

Bei diesem Prüfprozess durch die untere Bauaufsichtsbehörde handelt es sich um ein Geschäft der laufenden Verwaltung gemäß § 41 Abs. 3 GO NRW, da es sich bei der Prüfung von Bauanträgen um ein sich regelmäßig wiederholendes Verfahren handelt, welches durch einen typisierenden Ablauf gekennzeichnet ist. Geschäfte der laufenden Verwaltung gelten kraft Gesetzes als übertragen. Zwar steht dem Rat bzw. dem zuständigen Fachausschuss ein Rückholrecht zu, d.h. er kann sich vorbehalten, in Einzelfällen, d.h. hier konkret in einem besondere Außenwirkung entfaltenden Bauvorhaben, selbst  eine Entscheidung zu treffen.  In solchen Fällen sind der Rat bzw. der Fachausschuss an Recht und Gesetz gebunden und haben im Außenverhältnis zum Bauherren sowie zu von einem Bauvorhaben betroffenen Dritten unter Zugrundelegung der geltenden gesetzlichen Vorschriften über die Zulässigkeit des Vorhabens zu entscheiden.

 

Verpflichtet der Rat die untere Bauaufsichtsbehörde dazu, einen Bauantrag positiv zu bescheiden, obwohl die objektiven Genehmigungsvoraussetzungen nicht vorliegen, kann die Kommunalaufsicht, hier der oberen Bauaufsichtsbehörde des Kreis Kleve, Art. 78 Abs. 4 Satz 2 LV NRW, § 3 Abs. 2 GO NRW, im Weg der  Fachaufsicht die untere Bauaufsichtsbehörde anweisen, ihre Entscheidung zurück zu nehmen und unter Berücksichtigung der gesetzlichen Vorgaben neu zu bescheiden. Dies gilt unabhängig davon, ob die Entscheidung der unteren Bauaufsichtsbehörde zu Gunsten oder zu Lasten des Antragstellers erfolgt ist. Ebenfalls wird den durch die rechtswidrige positive Bescheidung eines Bauantrags betroffene Dritten, ein Klagerecht vor den Verwaltungsgerichten eröffnet. Im Falle des Obsiegens des Dritten drohen der Verlust der Baugenehmigung durch ein gerichtliches Urteil sowie in der Folge Schadensersatzansprüche des Bauherren sowie des Dritten gegenüber der Kommune.

 

Darüber hinaus wäre solch eine Entscheidung des Rates auch nach § 54 GO Abs. 1 NRW aufgrund der hiermit einhergehenden Gefährdung des Wohls der Gemeinde durch den Bürgermeister formal zu beanstanden.


2. formelle und materielle Anforderungen an den Bauantrag

In formeller Hinsicht ist der Antragsteller bei der Stellung seines Bauantrages nicht frei. Ein Bauantrag bedarf  der Vorlage bestimmter Bauantrags- und Genehmigungsunterlagen. Art und Umfang dieser Unterlagen werden abschließend durch die Bauprüfverordnung des Landes Nordrhein-Westfalen geregelt. Entspricht ein Bauantrag inhaltlich nicht den Anforderungen der Bauprüfverordnung NRW (BauPrüfVO NRW), ist dieser allein aus diesen Gründen rechtswidrig und kann sowohl im Wege der Kommunalaufsicht oder im Falle einer Klage vor einem Verwaltungsgericht aus rein formellen Gründen aufgehoben werden. Aus diesem Grunde bezeichnet man die Baugenehmigung auch als einen mitwirkungsbedürftigen Verwaltungsakt, d.h. der Antragsteller hat durch die Vorlage vollständiger und gesetzeskonformer Unterlagen zur Genehmigungsfähigkeit seines Bauvorhabens beizutragen.

 

a) Bauprüfverordnung NRW

Der hier in Rede stehende Bauantrag für das Vorhaben Rheinpromenade 11 ist unvollständig. U.a. fehlen Ansichten, Grundrisse, Schnitte sowie ein das Vorhaben abbildender Lageplan, welche laut § 10 BauPrüfVO NRW zur Erlangung einer Baugenehmigung zwingenderweise vorzulegen sind.  Trotz mehrfacher Anforderung durch die untere Bauaufsichtsbehörde wurden diese noch nicht vorgelegt. Der Antrag ist somit bereits aus formellen Gründen nicht bescheidungsfähig.

 

In materieller Hinsicht konnte mit der abschließenden Prüfung der Genehmigungsfähigkeit des Bauvorhabens noch nicht begonnen werden. Dies gilt unabhängig von der Fragestellung, über welche Anzahl an Geschossen das Gebäude verfügen darf. Vielmehr lassen die fehlenden Unterlagen die Prüfung der gerade die gemäß § 64 BauO NRW von der unteren Bauaufsichtsbehörde zwingend zu berücksichtigenden Vorschriften, wie z.B. die bauplanungsrechtlichen Vorschriften (§ 34 BauGB), Abstandsflächen (§ 6 BauO NRW), aber auch die Vorschriften der Gestaltungssatzung für den Stadtkern Emmerich am Rhein (§ 89 BauO NRW), nicht zu.

 

b) Bauplanungsrecht

Die Prüfung der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit des Bauvorhabens erfolgt derzeitig, da der Bebauungsplan Nr. E 18/17 – Rheinpromenade – in dessen Geltungsbereich auch das Grundstück Rheinpromenade 11 liegt, sich erst in Aufstellung befindet, auf der Grundlage des § 34 BauGB. Nach § 34 Abs. 1 BauGB muss sich ein Bauvorhaben u.a. nach seinem Maß der baulichen Nutzung in seine nähere Umgebung einfügen; bei der Ermittlung des zulässigen Maßes stellen die geplante Grundfläche sowie die Höhe eines Bauvorhabens insoweit einen wesentlichen Faktor dar. Trotz der derzeitigen Unvollständigkeit der vorliegenden Unterlagen ist diesen zu entnehmen, dass der giebelständige Teil des Gebäudes die benachbarten Gebäude um mehrere Meter überragt. Auch führt der Einschub des giebelständigen Gebäudeteils zu einer Erhöhung der Massivität der Dachlandschaft und somit auch zu einer  Erhöhung des Maßes der baulichen Nutzung, welche erheblich über das bauliche Maß der vorhandenen Umgebungsbebauung hinausgeht. Im Rahmen des Prüfungsprozesses, ob sich ein Bauvorhaben nach seinem Maß in die nähere  Umgebung einfügt, bedarf es der Abstellung auf die Maßkriterien, in denen die prägende Wirkung eines Vorhabens besonders zum Ausdruck kommt, d.h. es sind im wesentlichen die Maßfaktoren zu berücksichtigen, die nach außen wahrnehmbar in Erscheinung treten. Diese sind in Beziehung zu den Gebäuden in der näheren Umgebung zu setzen. Keines der Umgebungsgebäude verfügt eine vergleichbare Höhe, sie haben eine wesentlich weniger massive Dachlandschaft und weisen keine giebelständigen Bauteile auf. Über Berücksichtigung dieser objektiven Gesichtspunkte übersteigt das Maß des geplanten Bauvorhabens das bauliche Maß der Nachbargebäude wesentlich und ist daher als bauplanungsrechtlich unzulässig zu beurteilen. Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens kann auf Grundlage des § 34 BauGB daher ausschließlich durch die Reduzierung auf ein den Nachbargebäuden gleichartiges Maß erfolgen, so z.B. durch Reduzierung der Gesamthöhe des Gebäudes oder auch Verkleinerung des giebelständigen Bauteils.

 

c) Bauordnungsrecht

Die Prüfung der notwendigen Abstandsflächen ist insbesondere in nachbarrechtlicher Hinsicht relevant, weshalb auf deren Prüfung besondere Sorgfalt zu verwenden ist. Im Falle einer nicht hinreichenden Berücksichtigung der durch das Bauvorhaben hervorgerufenen Abstandsflächen können die  Eigentümer der an das Vorhaben angrenzenden Grundstücke Abwehrrechte gegen eine mögliche Baugenehmigung geltend machen, was im Falle einer Klage vor dem Verwaltungsgericht zur Unwirksamkeit der Baugenehmigung führen kann.

 

Der Bauantrag kann daher auch aus materiellen Gründen nicht positiv beschieden werden. 

 

d) Novellierung der BauO NRW 2018

Nicht zuletzt bedingen wesentliche Änderungen der Gesetzeslage die Überarbeitung des Bauantrages. Der Bauantrag stammt aus dem Jahre 2017, in welchem noch die Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen aus dem Jahre 2000 Anwendung fand. Zum 1.01.2019 ist die Bauordnung NRW 2018 in Kraft getreten, welche in § 90 Abs. 4 BauO NRW ausdrücklich regelt, dass ausschließlich bis zum 31.12.2018 vollständig eingereichte Bauanträge nach der Bauordnung in der vorherigen Fassung zu bescheiden sind. Sämtliche nicht vollständige Bauanträge bedürften der Überarbeitung der Unterlagen und deren Prüfung auf Grundlage der Bauordnung NRW 2018. Die Überarbeitung der wie dargelegt noch unvollständigen Bauvorlagen steht im konkreten Falle aus.

 

II. Bauleitplanverfahren

Der durch den Ausschuss für Stadtentwicklung in seiner Sitzung am 19.03.2019 gefasste Beschluss zur Aufstellung des Bebauungsplans Nr. E 18/17 – Rheinpromenade – soll auch in städtebaulicher und bauplanungsrechtlicher Hinsicht das vom Antragsteller verfolgte Nutzungskonzept – Gastronomie im Erdgeschoss sowie Wohnen in den darüber liegenden Geschossen – stützen, da es unter anderem erklärtes Ziel dieser Bauleitplanung ist, exakt diese beiden Nutzungsarten im Gebiet gemeinschaftlich zu sichern. Darüber hinaus können seitens des Grundstückseigentümers und Bauherrn in diesem Bauleitplanverfahren Anregungen u.a. auch zur Gestaltung seines Bauvorhabens eingebracht werden und somit die Attraktivität seines Vorhabens womöglich nochmals  gestärkt werden.

 

III. Ergebnis

Im Ergebnis ist festzuhalten, dass es unter den gegebenen gesetzlichen Voraussetzungen derzeitig rechtlich und faktisch nicht möglich ist, das aktuell vorliegende Bauvorhaben in Bezug auf seine Genehmigungsfähigkeit in rechtmäßiger Form zu bescheiden.

 

Der Bauherr hat allerdings jederzeit die Möglichkeit, die Bauantragsunterlagen durch seinen Architekten unter Berücksichtigung der zuvor ausführlich erörterten gesetzlichen Vorschriften überarbeiten, d.h. im wesentlichen das bauliche Maß verringern, und vervollständigen zu lassen, um ihn auf diesem Wege zeitnah zur Genehmigungsreife zu bringen.

 

Finanz- und haushaltswirtschaftliche Auswirkungen :

 

Die Maßnahme hat keine finanz- und haushaltswirtschaftlichen Auswirkungen.

 

 

Leitbild :

 

Die Maßnahme steht im Einklang mit den Zielen des Leitbildes Kapitel 1.2.

 

 

 

In Vertretung

 

 

 

Dr. Wachs

Erster Beigeordneter