Beschlussvorschlag:
Der Rat beschließt den vorgelegten Entwurf einer Erhaltungssatzung für den Bereich des Geistmarktes gemäß § 172 Abs. 1 Nr. 1 BauGB als Satzung.
Sachdarstellung:
Anlass:
Zentrales Projekt
des Integrierten Stadtentwicklungskonzeptes ISEK 2025 in der Kategorie
„Aufwertung des öffentlichen Raums“ ist die Umgestaltung des Geistmarktes vom
Parkplatz zum Stadtplatz. Der Platz liegt am westlichen Rand des historischen
Stadtkerns und bildet für die Besucher nach dem Eintritt in den zentralen
Innenstadtbereich aus nordwestlicher Richtung über das baulich nicht mehr
vorhandene Steintor einen großflächigen Entree-Bereich und einen wichtigen
Ausgangspunkt für den Innenstadtbesuch. Ziel des städtebaulichen
Entwicklungsprojektes ist die Aufwertung des Platzes durch eine Neugestaltung,
bei der eine der Funktion als zentralem Willkommensort adäquate Form gefunden
werden soll. Das bedeutet eine verkehrliche Entlastung durch Reduzierung der aktuell
überwiegenden Parkplatznutzung auf ein verträgliches Maß, eine umfangreichere
Begrünung und die Schaffung von Aufenthaltsbereichen. Gleichzeitig sollen die
markanten Gebäude Rathaus und Christuskirche durch Blick- und Wegebeziehungen
gestalterisch inszeniert werden. Zur Planung der Umgestaltung des
Platzbereiches startet in Kürze ein städtebaulicher Wettbewerb.
Mit der
Einleitung einer Bauleitplanung für die Brachfläche des Steintorgeländes mit
dem Planungsziel der Entwicklung eines Parkplatzes / Multifunktionsplatzes wird
u.a. die Absicht einer verkehrlichen Entlastung der Innenstadt als Grundlage
für die Entwicklungsmaßnahme des Geistmarktes verfolgt. Vor dem Hintergrund des
Beginnes flankierender Planungen zur Entwicklung des Geistmarktes empfiehlt es
sich, auch die städtebauliche Eigenart des Platzbereiches, die in die Planung
der Umgestaltungsmaßnahme einfließen wird, zu sichern, um auf die zukünftige
bauliche und gestalterische Entwicklung in diesem Bereich im Sinne eine
Bewahrung des städtebaulichen Rahmens rund um den Platz Einfluss nehmen zu
können.
Im Rahmen des
„Besonderen Städtebaurechtes“ bietet die Erhaltungssatzung (§§ 172 bis 174
BauGB) die Möglichkeit, die Erhaltung der städtebaulichen Eigenart eines
Gebietes zu sichern. Hiervon soll Gebrauch gemacht werden.
Erhaltungsziel:
Der § 172 BauGB kann im Falle folgender drei Erhaltungsziele, deren
Aufzählung in der gesetzlichen Bestimmung abschließend ist, zur Anwendung
kommen:
1) die Erhaltung der städtebaulichen Eigenart des Gebietes aufgrund seiner
städtebaulichen Gestalt,
2) die Erhaltung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung
3) der sozialverträgliche Ablauf einer städtebaulichen Umstrukturierung.
Mit Hinblick auf die beabsichtigte städtebauliche Aufwertung des
Geistmarktes durch Umgestaltung des öffentlichen Raumes bezieht sich die
aufzustellende Satzung auf das Erhaltungsziel unter Punkt 1, „Erhaltung der
städtebaulichen Eigenart des Gebietes aufgrund seiner Gestalt“. In der Gestaltungssatzung für den Emmericher Stadtkernbereich vom 18.12.2002,
die die Erhaltung und gestalterische Weiterentwicklung des Stadtkerns von
Emmerich als ein städtebaulich durch einen eigenen Charakter geprägtes Ensemble
bezweckt, wird der Bereich um den Geistmarkt einer eigenen Stadtbildzone
zugeordnet, die wie folgt beschrieben wird:
Der Geistmarkt bildet im
Westen den Eingangsbereich zum Stadtkern. Der große, nahezu quadratische
Platzbereich des Geistmarktes wird von bis zu dreigeschossiger Bebauung
eingefasst. Im Verhältnis zur Größe des Platzes wirkt die Randbebauung in ihrer
Gebäudemasse sehr bescheiden. Als Dominante beherrscht der quadratische
Kreuzbau der Christuskirche die südwestliche Platzhälfte. Die
"öffentlichen" Gebäude des Rathauses in der Südecke und der Post an
der Nordecke bilden weitere städtebauliche Akzente. Der Platzraum wird durch
die typischen, relativ bescheidenen backsteinsichtigen und schlichten zwei- bis
dreigeschossigen Bauten der Nachkriegszeit geprägt. Die weißen Fensterrahmen
sind vom dunklen Backstein abgesetzt. Spätere Neubebauung fügt sich
vergleichsweise unauffällig ein.
Mit der Satzung sollen die vorhandenen baulichen Strukturen mit ihrem
Spannungsfeld zwischen den markanten alleinstehenden historischen Gebäuden am
Beginn und am Ende sowie im Zentrum des Platzbereiches sowie der sonstigen, von
der Gebäudehöhe hierzu untergeordneten geschlossenen Platzrandbebauung erhalten
bleiben.
Der Anwendungsbereich der betreffenden Satzungsermächtigung bezieht sich
insofern nicht ausschließlich auf denkmalschützende Belange, bei denen das mit
der Denkmaleigenschaft anerkannte Erhaltungsgebot aus Gründen der Dokumentation
kunst- und archtitekturgeschichtlicher Epochen oder allgemein- und
sozialgeschichtlicher Ereignisse im Vordergrund steht, sondern dient dem
städtebaulichen Ensembleschutz.
Das Erhaltungsgebot bezieht sich auf Vorhaben mit einer Außenwirkung auf
den vor dem Grundstück liegenden Straßenraum. Entsprechend sind Vorhaben
innerhalb der Gebäude ohne Außenwirkung nicht von der Satzung erfasst.
Festlegung des
Satzungsgebietes
Das
Satzungsgebiet umfasst die Platzfläche des Geistmarktes, die unmittelbar hieran
angrenzenden Grundstücke, bzw. Grundstücksteilflächen und darüber hinaus den
baulich gefassten Eingangsbereich in die zentrale Innenstadt am Steintor.
Förmliche
Untersuchungen zur Festlegung des Erhaltungsgebietes sind nicht vorgenommen
worden. Die Grundlagen hierfür ergeben sich einerseits aus den Analysen der
Stadtbildzonen in der Gestaltungssatzung für den Emmericher Stadtkernbereich
vom 18.12.2002. Andererseits wird dem Geistmarkt im Rahmen des ISEK 2025
stadtentwicklungspolitisch eine herausragende Bedeutung als Schwerpunkt für
Dienstleistung, Verwaltung und Tourismus zugemessen.
Das vorgesehene
Satzungsgebiet deckt sich nahezu vollständig mit der Abgrenzung der betroffenen
Stadtbildzone der Gestaltungssatzung, zieht darüber hinaus jedoch auch noch das
Grundstück der unter Denkmalschutz stehenden Societät ein. Auf diese Weise soll
die Abfolge noch vorhandener historischer Einzelgebäude (Societät, Post,
Christus-Kirche, Rathaus) in den Stadtkern hinein als Teil der städtebaulichen
Eigenart des Gebietes herausgehoben werden.
Nicht in die
Erhaltungssatzung einbezogen werden die an die Straße “Hinter dem Mühlenberg“
angrenzenden Hinterlandflächen der Grundstücke Geistmarkt 2 bis 16. Diese sind
insbesondere durch straßenständige Gemeinschaftsgaragen geprägt und vermitteln
keine erhaltenswerte städtebauliche Qualität, die für die Entwicklung des
Geistmarktes zu berücksichtigen wäre.
Bestehendes
Planungsrecht:
Zwei Teilflächen des Satzungsgebietes liegen in Geltungsbereichen von
Bebauungsplänen. Es handelt sich hierbei um das Grundstück des Rathauses und
seines Vorplatzes, welches im Bebauungsplan E 23/2 als Fläche für Gemeinbedarf
der Zweckbestimmung „Verwaltung“, bzw. öffentliche Verkehrsfläche festgesetzt
ist. Die Grundstücke Steintor 3 und 5, sowie die an die Straßenfläche Steintor
gegenüber der Post angrenzende Teilfläche des städtischen Parkplatzes am
Kleinen Wall sind im Bebauungsplan E 23/1 als Kerngebiet mit zwingend
III-geschossiger Bebauung festgesetzt.
Darüber hinaus ist die Aufstellung eines Bebauungsplanes für das
Steintorgelände in Vorbereitung, in dessen Geltungsbereich das Grundstück der
Post einbezogen werden soll. Planungsabsicht ist, für das betroffene Grundstück
eine Gemeinbedarfsfläche der Zweckbestimmung „Öffentliche Verwaltung“
festzusetzen.
Die betreffenden planungsrechtlichen Festsetzungen stehen nicht im
Widerspruch zu den Planungszielen der Erhaltungssatzung. Für die nicht von
Bebauungsplänen erfassten Grundstücke des Satzungsbereiches erfolgt eine
planungsrechtliche Beurteilung der Zulässigkeit baulicher Vorhaben nach § 34
Baugesetzbuch.
Die bereits benannte Gestaltungssatzung für den Emmericher
Stadtkernbereich ergänzt das mit der Erhaltungssatzung verfolgte Planungsziel,
indem es unter Berücksichtigung der vorhandenen Bebauungsstrukturen
gegenseitige Anpassungen in Höhe, Dachform und anderen Gestaltungselementen
vorschreibt.
Aufstellungsverfahren:
Der § 172 Abs. 1 BauGB lässt eine Wahlmöglichkeit zu, nach der eine
Erhaltungssatzung eingebunden in einen Bebauungsplan oder als sonstige Satzung
aufgestellt werden kann. Welches dieser Verfahren die Gemeinde letztlich wählt,
liegt in ihrem Ermessen.
Im vorliegenden Fall soll dem Erlass einer sonstigen Satzung gegenüber
der Aufstellung eines Bebauungsplanes der Vorzug gegeben werden. Bis auf das
Erhaltungsgebot besteht für das betroffene Gebiet derzeit keine
Planungsabsicht. Ein Planungsbedarf im Sinne des § 1 Abs. 3 BauGB kann vom
Grundsatz her nicht vorzutragen werden, da das einzige Planungsziel auch mit
der alternativen sonstigen Erhaltungssatzung gesichert werden kann. Die im
Bebauungsplan geforderten sonstigen planungsrechtlichen Gebietsfestsetzungen im
Satzungsgebiet würden hinsichtlich der Immissionsproblematik des angrenzenden
Industriebereiches voraussichtlich Konflikte aufwerfen. Das formale Prozedere
der Aufstellung eines Bebauungsplanes mit Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung
würde die zeitliche Verfahrensabwicklung erheblich ausdehnen. Eine erfolgreiche
Anfechtung des Bebauungsplans würde den Gesamtplan einschließlich der
Erhaltungssatzung außer Vollzug setzen.
Bei einer eigenständigen Satzung gibt das Baugesetzbuch keinen
Verfahrensablauf vor. Von daher kann auf eine Öffentlichkeits- und
Behördenbeteiligung verzichtet werden. Sinnvoll ist es aber, die betroffenen
Eigentümer nach Erlass gezielt auf die Satzung und ihre Bedeutung hinzuweisen.
Das soll mit Inkraftsetzung in adäquater Anwendung der städtischen Richtlinien
zu Bürgerbeteiligungen in Bauleitplanungen mit entsprechenden persönlichen
Anschreiben an die Eigentümer erfolgen.
Das Gesetz eröffnet für Satzungsverfahren mit einem gewissen zeitlichen
Ablauf, der für die Durchführung notwendiger Untersuchungen und Erhebungen
(insbesondere für Satzungen der Erhaltungsziele 2 und 3) erforderlich ist, das
Sicherungsinstrument einer Zurückstellung von Baugesuchen, die dem
Erhaltungszweck zuwiderlaufen. Voraussetzung für deren Anwendung ist ein
einleitender Aufstellungsbeschluss des Satzungsverfahrens und dessen Bekanntmachung.
Da im vorliegenden Fall auf vorhergegangene städtebauliche Analysen
zurückgegriffen werden kann und keine weiteren Untersuchungen stattfinden müssen,
um das Erhaltungsziel zu definieren, kann auf einen vorlaufenden
Aufstellungsbeschluss verzichtet werden und sofort der Satzungsbeschluss
gefasst werden.
Rechtswirkungen
der Satzung:
Genehmigung
nach § 172 Abs. 1 BauGB
Mit Rechtskraft der Erhaltungssatzung bedürfen Vorhaben zum Rückbau
(Teil-/Abriss), zur Änderung, zur Nutzungsänderung sowie im vorliegenden Fall
zur Errichtung baulicher Anlagen der Genehmigung. Sofern für das Vorhaben eine
baurechtliche Genehmigung oder Zustimmung erforderlich ist, wird die
Genehmigung von der Baugenehmigungsbehörde im Einvernehmen mit der Gemeinde
erteilt, ansonsten ist die Gemeinde Genehmigungsbehörde.
Genehmigungsversagung
Eine Genehmigung darf nur versagt werden, wenn die bauliche Anlage
allein oder im Zusammenhang mit anderen baulichen Anlagen das Ortsbild, die
Stadtgestalt oder das Landschaftsbild prägt oder sonst von städtebaulicher,
insbesondere geschichtlicher oder künstlerischer Bedeutung ist.
Die Genehmigung zur Errichtung einer baulichen Anlage darf nur versagt
werden, wenn die städtebauliche Gestalt des Gebiets durch die beabsichtigte
bauliche Anlage beeinträchtigt wird.
Übernahmeverlangen
Im Falle der Versagung einer Genehmigung kann der Eigentümer die
Übernahme seines Grundstückes durch die Gemeinde verlangen, wenn und soweit es
ihm wirtschaftlich nicht mehr zuzumuten ist, dass Grundstück zu behalten oder
es in der bisherigen oder einer anderen zulässigen Art zu nutzen.
Vorkaufsrecht
Der Gemeinde steht mit Rechtskraft der Erhaltungssatzung gemäß § 24 Abs.
1 Nr. 4 BauGB ein allgemeines Vorkaufsrecht beim Kauf von Grundstücken im
Geltungsbereich einer Erhaltungssatzung zu.
Enteignung
Gemäß § 85 Abs. 1 Nr. 6 BauGB ist eine Enteignung zulässig, um im
Geltungsbereich einer Erhaltungssatzung eine bauliche Anlage aus dem in § 172
Abs. 3 genannten Gründen (siehe Genehmigungsversagung) zu erhalten.
Finanz- und
haushaltswirtschaftliche Auswirkungen:
Die Maßnahme hat
keine finanz- und haushaltswirtschaftlichen Auswirkungen.
Leitbild:
Die Maßnahme steht
im Einklang mit den Zielen des Leitbildes Kapitel 1.1
In Vertretung
Dr. Wachs
Erster
Beigeordneter