Betreff
Satzung zur Erhaltung baulicher Anlagen und der Eigenart von Gebieten für Grundstücke an den Straßen Geistmarkt, Steintor, Kleiner Wall, Kurze Straße und Martinikirchgang (Erhaltungssatzung)
Vorlage
05 - 16 1949/2019
Art
Verwaltungsvorlage

Beschlussvorschlag:

 

Der Rat beschließt den vorgelegten Entwurf einer Erhaltungssatzung für den Bereich des Geistmarktes gemäß § 172 Abs. 1 Nr. 1 BauGB als Satzung.

 

Sachdarstellung:

 

Anlass:

Zentrales Projekt des Integrierten Stadtentwicklungskonzeptes ISEK 2025 in der Kategorie „Aufwertung des öffentlichen Raums“ ist die Umgestaltung des Geistmarktes vom Parkplatz zum Stadtplatz. Der Platz liegt am westlichen Rand des historischen Stadtkerns und bildet für die Besucher nach dem Eintritt in den zentralen Innenstadtbereich aus nordwestlicher Richtung über das baulich nicht mehr vorhandene Steintor einen großflächigen Entree-Bereich und einen wichtigen Ausgangspunkt für den Innenstadtbesuch. Ziel des städtebaulichen Entwicklungsprojektes ist die Aufwertung des Platzes durch eine Neugestaltung, bei der eine der Funktion als zentralem Willkommensort adäquate Form gefunden werden soll. Das bedeutet eine verkehrliche Entlastung durch Reduzierung der aktuell überwiegenden Parkplatznutzung auf ein verträgliches Maß, eine umfangreichere Begrünung und die Schaffung von Aufenthaltsbereichen. Gleichzeitig sollen die markanten Gebäude Rathaus und Christuskirche durch Blick- und Wegebeziehungen gestalterisch inszeniert werden. Zur Planung der Umgestaltung des Platzbereiches startet in Kürze ein städtebaulicher Wettbewerb.

 

Mit der Einleitung einer Bauleitplanung für die Brachfläche des Steintorgeländes mit dem Planungsziel der Entwicklung eines Parkplatzes / Multifunktionsplatzes wird u.a. die Absicht einer verkehrlichen Entlastung der Innenstadt als Grundlage für die Entwicklungsmaßnahme des Geistmarktes verfolgt. Vor dem Hintergrund des Beginnes flankierender Planungen zur Entwicklung des Geistmarktes empfiehlt es sich, auch die städtebauliche Eigenart des Platzbereiches, die in die Planung der Umgestaltungsmaßnahme einfließen wird, zu sichern, um auf die zukünftige bauliche und gestalterische Entwicklung in diesem Bereich im Sinne eine Bewahrung des städtebaulichen Rahmens rund um den Platz Einfluss nehmen zu können.

 

Im Rahmen des „Besonderen Städtebaurechtes“ bietet die Erhaltungssatzung (§§ 172 bis 174 BauGB) die Möglichkeit, die Erhaltung der städtebaulichen Eigenart eines Gebietes zu sichern. Hiervon soll Gebrauch gemacht werden.

 

 

Erhaltungsziel:

Der § 172 BauGB kann im Falle folgender drei Erhaltungsziele, deren Aufzählung in der gesetzlichen Bestimmung abschließend ist, zur Anwendung kommen:

1)    die Erhaltung der städtebaulichen Eigenart des Gebietes aufgrund seiner städtebaulichen Gestalt,

2)    die Erhaltung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung

3)    der sozialverträgliche Ablauf einer städtebaulichen Umstrukturierung.

 

Mit Hinblick auf die beabsichtigte städtebauliche Aufwertung des Geistmarktes durch Umgestaltung des öffentlichen Raumes bezieht sich die aufzustellende Satzung auf das Erhaltungsziel unter Punkt 1, „Erhaltung der städtebaulichen Eigenart des Gebietes aufgrund seiner Gestalt“. In der Gestaltungssatzung für den Emmericher Stadtkernbereich vom 18.12.2002, die die Erhaltung und gestalterische Weiterentwicklung des Stadtkerns von Emmerich als ein städtebaulich durch einen eigenen Charakter geprägtes Ensemble bezweckt, wird der Bereich um den Geistmarkt einer eigenen Stadtbildzone zugeordnet, die wie folgt beschrieben wird:

 

Der Geistmarkt bildet im Westen den Eingangsbereich zum Stadtkern. Der große, nahezu quadratische Platzbereich des Geistmarktes wird von bis zu dreigeschossiger Bebauung eingefasst. Im Verhältnis zur Größe des Platzes wirkt die Randbebauung in ihrer Gebäudemasse sehr bescheiden. Als Dominante beherrscht der quadratische Kreuzbau der Christuskirche die südwestliche Platzhälfte. Die "öffentlichen" Gebäude des Rathauses in der Südecke und der Post an der Nordecke bilden weitere städtebauliche Akzente. Der Platzraum wird durch die typischen, relativ bescheidenen backsteinsichtigen und schlichten zwei- bis dreigeschossigen Bauten der Nachkriegszeit geprägt. Die weißen Fensterrahmen sind vom dunklen Backstein abgesetzt. Spätere Neubebauung fügt sich vergleichsweise unauffällig ein.

 

Mit der Satzung sollen die vorhandenen baulichen Strukturen mit ihrem Spannungsfeld zwischen den markanten alleinstehenden historischen Gebäuden am Beginn und am Ende sowie im Zentrum des Platzbereiches sowie der sonstigen, von der Gebäudehöhe hierzu untergeordneten geschlossenen Platzrandbebauung erhalten bleiben.

 

Der Anwendungsbereich der betreffenden Satzungsermächtigung bezieht sich insofern nicht ausschließlich auf denkmalschützende Belange, bei denen das mit der Denkmaleigenschaft anerkannte Erhaltungsgebot aus Gründen der Dokumentation kunst- und archtitekturgeschichtlicher Epochen oder allgemein- und sozialgeschichtlicher Ereignisse im Vordergrund steht, sondern dient dem städtebaulichen Ensembleschutz.

 

Das Erhaltungsgebot bezieht sich auf Vorhaben mit einer Außenwirkung auf den vor dem Grundstück liegenden Straßenraum. Entsprechend sind Vorhaben innerhalb der Gebäude ohne Außenwirkung nicht von der Satzung erfasst.

 

 

Festlegung des Satzungsgebietes

Das Satzungsgebiet umfasst die Platzfläche des Geistmarktes, die unmittelbar hieran angrenzenden Grundstücke, bzw. Grundstücksteilflächen und darüber hinaus den baulich gefassten Eingangsbereich in die zentrale Innenstadt am Steintor.

 

Förmliche Untersuchungen zur Festlegung des Erhaltungsgebietes sind nicht vorgenommen worden. Die Grundlagen hierfür ergeben sich einerseits aus den Analysen der Stadtbildzonen in der Gestaltungssatzung für den Emmericher Stadtkernbereich vom 18.12.2002. Andererseits wird dem Geistmarkt im Rahmen des ISEK 2025 stadtentwicklungspolitisch eine herausragende Bedeutung als Schwerpunkt für Dienstleistung, Verwaltung und Tourismus zugemessen.

 

Das vorgesehene Satzungsgebiet deckt sich nahezu vollständig mit der Abgrenzung der betroffenen Stadtbildzone der Gestaltungssatzung, zieht darüber hinaus jedoch auch noch das Grundstück der unter Denkmalschutz stehenden Societät ein. Auf diese Weise soll die Abfolge noch vorhandener historischer Einzelgebäude (Societät, Post, Christus-Kirche, Rathaus) in den Stadtkern hinein als Teil der städtebaulichen Eigenart des Gebietes herausgehoben werden.

 

Nicht in die Erhaltungssatzung einbezogen werden die an die Straße “Hinter dem Mühlenberg“ angrenzenden Hinterlandflächen der Grundstücke Geistmarkt 2 bis 16. Diese sind insbesondere durch straßenständige Gemeinschaftsgaragen geprägt und vermitteln keine erhaltenswerte städtebauliche Qualität, die für die Entwicklung des Geistmarktes zu berücksichtigen wäre.

 

 


Bestehendes Planungsrecht:

Zwei Teilflächen des Satzungsgebietes liegen in Geltungsbereichen von Bebauungsplänen. Es handelt sich hierbei um das Grundstück des Rathauses und seines Vorplatzes, welches im Bebauungsplan E 23/2 als Fläche für Gemeinbedarf der Zweckbestimmung „Verwaltung“, bzw. öffentliche Verkehrsfläche festgesetzt ist. Die Grundstücke Steintor 3 und 5, sowie die an die Straßenfläche Steintor gegenüber der Post angrenzende Teilfläche des städtischen Parkplatzes am Kleinen Wall sind im Bebauungsplan E 23/1 als Kerngebiet mit zwingend III-geschossiger Bebauung festgesetzt.

 

Darüber hinaus ist die Aufstellung eines Bebauungsplanes für das Steintorgelände in Vorbereitung, in dessen Geltungsbereich das Grundstück der Post einbezogen werden soll. Planungsabsicht ist, für das betroffene Grundstück eine Gemeinbedarfsfläche der Zweckbestimmung „Öffentliche Verwaltung“ festzusetzen.

 

Die betreffenden planungsrechtlichen Festsetzungen stehen nicht im Widerspruch zu den Planungszielen der Erhaltungssatzung. Für die nicht von Bebauungsplänen erfassten Grundstücke des Satzungsbereiches erfolgt eine planungsrechtliche Beurteilung der Zulässigkeit baulicher Vorhaben nach § 34 Baugesetzbuch.

Die bereits benannte Gestaltungssatzung für den Emmericher Stadtkernbereich ergänzt das mit der Erhaltungssatzung verfolgte Planungsziel, indem es unter Berücksichtigung der vorhandenen Bebauungsstrukturen gegenseitige Anpassungen in Höhe, Dachform und anderen Gestaltungselementen vorschreibt.

 

 

Aufstellungsverfahren:

Der § 172 Abs. 1 BauGB lässt eine Wahlmöglichkeit zu, nach der eine Erhaltungssatzung eingebunden in einen Bebauungsplan oder als sonstige Satzung aufgestellt werden kann. Welches dieser Verfahren die Gemeinde letztlich wählt, liegt in ihrem Ermessen.

 

Im vorliegenden Fall soll dem Erlass einer sonstigen Satzung gegenüber der Aufstellung eines Bebauungsplanes der Vorzug gegeben werden. Bis auf das Erhaltungsgebot besteht für das betroffene Gebiet derzeit keine Planungsabsicht. Ein Planungsbedarf im Sinne des § 1 Abs. 3 BauGB kann vom Grundsatz her nicht vorzutragen werden, da das einzige Planungsziel auch mit der alternativen sonstigen Erhaltungssatzung gesichert werden kann. Die im Bebauungsplan geforderten sonstigen planungsrechtlichen Gebietsfestsetzungen im Satzungsgebiet würden hinsichtlich der Immissionsproblematik des angrenzenden Industriebereiches voraussichtlich Konflikte aufwerfen. Das formale Prozedere der Aufstellung eines Bebauungsplanes mit Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung würde die zeitliche Verfahrensabwicklung erheblich ausdehnen. Eine erfolgreiche Anfechtung des Bebauungsplans würde den Gesamtplan einschließlich der Erhaltungssatzung außer Vollzug setzen.

 

Bei einer eigenständigen Satzung gibt das Baugesetzbuch keinen Verfahrensablauf vor. Von daher kann auf eine Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung verzichtet werden. Sinnvoll ist es aber, die betroffenen Eigentümer nach Erlass gezielt auf die Satzung und ihre Bedeutung hinzuweisen. Das soll mit Inkraftsetzung in adäquater Anwendung der städtischen Richtlinien zu Bürgerbeteiligungen in Bauleitplanungen mit entsprechenden persönlichen Anschreiben an die Eigentümer erfolgen.

 

Das Gesetz eröffnet für Satzungsverfahren mit einem gewissen zeitlichen Ablauf, der für die Durchführung notwendiger Untersuchungen und Erhebungen (insbesondere für Satzungen der Erhaltungsziele 2 und 3) erforderlich ist, das Sicherungsinstrument einer Zurückstellung von Baugesuchen, die dem Erhaltungszweck zuwiderlaufen. Voraussetzung für deren Anwendung ist ein einleitender Aufstellungsbeschluss des Satzungsverfahrens und dessen Bekanntmachung. Da im vorliegenden Fall auf vorhergegangene städtebauliche Analysen zurückgegriffen werden kann und keine weiteren Untersuchungen stattfinden müssen, um das Erhaltungsziel zu definieren, kann auf einen vorlaufenden Aufstellungsbeschluss verzichtet werden und sofort der Satzungsbeschluss gefasst werden.

 

 

Rechtswirkungen der Satzung:

Genehmigung nach § 172 Abs. 1 BauGB

Mit Rechtskraft der Erhaltungssatzung bedürfen Vorhaben zum Rückbau (Teil-/Abriss), zur Änderung, zur Nutzungsänderung sowie im vorliegenden Fall zur Errichtung baulicher Anlagen der Genehmigung. Sofern für das Vorhaben eine baurechtliche Genehmigung oder Zustimmung erforderlich ist, wird die Genehmigung von der Baugenehmigungsbehörde im Einvernehmen mit der Gemeinde erteilt, ansonsten ist die Gemeinde Genehmigungsbehörde.

 

Genehmigungsversagung

Eine Genehmigung darf nur versagt werden, wenn die bauliche Anlage allein oder im Zusammenhang mit anderen baulichen Anlagen das Ortsbild, die Stadtgestalt oder das Landschaftsbild prägt oder sonst von städtebaulicher, insbesondere geschichtlicher oder künstlerischer Bedeutung ist.

Die Genehmigung zur Errichtung einer baulichen Anlage darf nur versagt werden, wenn die städtebauliche Gestalt des Gebiets durch die beabsichtigte bauliche Anlage beeinträchtigt wird.

 

Übernahmeverlangen

Im Falle der Versagung einer Genehmigung kann der Eigentümer die Übernahme seines Grundstückes durch die Gemeinde verlangen, wenn und soweit es ihm wirtschaftlich nicht mehr zuzumuten ist, dass Grundstück zu behalten oder es in der bisherigen oder einer anderen zulässigen Art zu nutzen.

 

Vorkaufsrecht

Der Gemeinde steht mit Rechtskraft der Erhaltungssatzung gemäß § 24 Abs. 1 Nr. 4 BauGB ein allgemeines Vorkaufsrecht beim Kauf von Grundstücken im Geltungsbereich einer Erhaltungssatzung zu.

 

Enteignung

Gemäß § 85 Abs. 1 Nr. 6 BauGB ist eine Enteignung zulässig, um im Geltungsbereich einer Erhaltungssatzung eine bauliche Anlage aus dem in § 172 Abs. 3 genannten Gründen (siehe Genehmigungsversagung) zu erhalten.

 

Finanz- und haushaltswirtschaftliche Auswirkungen:

 

Die Maßnahme hat keine finanz- und haushaltswirtschaftlichen Auswirkungen.

 

 

 

Leitbild:

 

Die Maßnahme steht im Einklang mit den Zielen des Leitbildes Kapitel 1.1

 

 

 

In Vertretung

 

 

 

Dr. Wachs

Erster Beigeordneter