Betreff
Ansiedlung eines großflächigen Lebensmittelvollsortimenters und eines Drogeriemarktes auf dem Kasernengelände;
hier: Sachstandsbericht
Vorlage
05 - 17 1086/2023
Art
Verwaltungsvorlage

Beschlussvorschlag

 

Der Ausschuss für Stadtentwicklung stimmt der Vorgehensweise der Verwaltung zu.

 

 

Sachdarstellung :

 

Der Rat der Stadt Emmerich am Rhein hat in seiner Sitzung am 20.06.2023 die Verwaltung beauftragt, kurzfristig alle notwendigen Schritte zur Umsetzung der vorgelegten Planungen zur Entwicklung eines Drogeriemarktes am ehemaligen Kasernengelände einzuleiten.
Aufgrund der Raumbedeutsamkeit des Vorhabens ist die Abstimmung mit der Landesplanung erforderlich.

Am 07.08.2023 folgte ein entsprechender Abstimmungstermin zwischen der Stadt Emmerich am Rhein und der Bezirksregierung Düsseldorf, in dem das Vorhaben zur Ansiedlung eines großflächigen Lebensmittelvollsortimenters mit einer Gesamtverkaufsfläche von 1.830 m² und eines in die Einheit des großflächigen Lebensmittelvollsortimenters integrierten Backshops mit einer maximalen Gesamtverkaufsfläche von 30 m² und eines maximal 40 m² großen Cafés mit bestuhlter, maximal 40 m² großen Außenflächen als Einzelhandelsbetrieb mit gastronomischer Einrichtung sowie eines kleinflächigen Drogeriemarktes mit einer maximalen Gesamtverkaufsfläche von 780 m² im Hinblick auf die Erfüllung der landesplanerischen Ziele vorgestellt wurde.

Da es sich bei dem Vorhaben um ein großflächiges Einzelhandelsvorhaben mit nahversorgungsrelevantem Kernsortiment handelt, das nach § 11 Abs. 3 BauNVO kern- oder sondergebietspflichtig ist, sind die folgenden landesplanerischen Ziele zu erfüllen:

  • Ziel 6.5-1: Standorte nur im Allgemeinen Siedlungsbereich
  • Ziel 6.5-2: Zentrenrelevante Kernsortimente: Standorte nur in zentralen Versorgungsbereichen
  • Ziel 6.5-3: Beeinträchtigungsverbot

Das Gutachten von Stadt+Handel über die städtebauliche und raumordnerische Verträglichkeitsanalyse für die geplante Ansiedlung eines großflächigen Lebensmittelvollsortimenters und eines Drogeriemarktes legt dar, dass die landesplanerischen Ziele durch das Planvorhaben im Rahmen der Nahversorgungsausnahme von Ziel 6.5-2 erfüllt werden. Bei einem großflächigen Einzelhandelsvorhaben, das nach § 11 Abs. 3 BauNVO kern- oder sondergebietspflichtig und das nicht innerhalb eines zentralen Versorgungsbereichs verortet ist, kann die Ausnahmeprüfung nach bisheriger Auslegung der landesplanerischen Ziele durch den Einzelhandelserlass angewendet werden. Diese Ausnahmeregelung des Ziels 6.5-2 bedingt, dass die Lage des Vorhabens im zentralen Versorgungsbereich aufgrund siedlungsstruktureller oder städtebaulicher Gründe nicht möglich ist. Das Vorhaben muss der wohnortnahen Versorgung dienen und darf keine wesentliche Beeinträchtigung der zentralen Versorgungsbereiche erwarten lassen.

Die Bezirksregierung erkennt das Gutachten grundsätzlich als schlüssig und nachvollziehbar an. Das Vorhaben wäre nach dem Prüfschema des Einzelhandelserlasses 2021 (vgl. Schaubild) mit den landesplanerischen Zielen vereinbar. Die Bezirksregierung verweist jedoch auf ein Urteil vom OVG NRW vom 21.04.2023 (Az.: 7D 291/21.NE) (siehe Anlage), welches die bisher gängige Auslegung des landesplanerischen Ziels 6.5-2 revidiert.

 

 

 

Ausnahmeregelung_6.5-2

Inhalt des Urteils:

Gemäß § 1 Abs. 4 BauGB sind Bauleitpläne den Zielen der Raumordnung anzupassen. Das OVG erkennt in dem landesplanerischen Ziel 6.5-2 ein echtes Ziel der Raumordnung.

Ziele der Raumordnung sind verbindliche Vorgaben in Form von räumlich und sachlich bestimmten oder bestimmbaren, vom Träger der Raumordnung abschließend abgewogenen textlichen oder zeichnerischen Festlegungen in Raumordnungsplänen zur Entwicklung, Ordnung und Sicherung des Raums.

Nach Ziel 6.5-2 LEP NRW dürfen Kerngebiete und Sondergebiete für Vorhaben im Sinne von § 11 Abs. 3 BauNVO mit zentrenrelevanten Kernsortimenten nur in bestehenden zentralen Versorgungsbereichen sowie in neu geplanten zentralen Versorgungsbereichen in städtebaulich integrierten Lagen, die aufgrund ihrer räumlichen Zuordnung sowie verkehrsmäßigen Anbindung für die Versorgung der Bevölkerung zentrale Funktionen des kurz-, mittel- oder langfristigen Bedarfs erfüllen sollen, dargestellt und festgesetzt werden.

Nach Ziel 6.5-2 Abs. 3, 1. Spiegelstrich LEP NRW dürfen Sondergebiete für Vorhaben i.S. des § 11 Abs. 3 BauNVO mit nahversorgungsrelevanten Kernsortimenten ausnahmsweise auch außerhalb zentraler Versorgungsbereiche festgesetzt werden, wenn u.a. nachweislich eine Lage aus städtebaulichen oder siedlungsstrukturellen Grünen, insbesondere der Erhaltung gewachsener baulicher Strukturen oder der Rücksichtnahme auf ein historisch wertvolles Ortsbild, nicht möglich ist.

Nach der Rechtsprechung des OVG NRW müssen die städtebaulichen oder siedlungsstrukturellen Gründe in der Beschaffenheit des zentralen Versorgungsbereichs selbst liegen.

Die gleiche Beurteilung ergibt sich unter systematischen Gesichtspunkten, da der Punkt einer wohnortnahen Versorgung mit nahversorgungsrelevanten Sortimenten erst mit der Regelung im 2. Spiegelstrich des 3. Absatzes des Ziels aufgegriffen wird. Demgegenüber wäre die Zulässigkeit großflächigen Einzelhandels mit nahversorgungsrelevanten Kernsortimenten außerhalb zentraler Versorgungsbereiche selbstständig beschränkende Wirkung der Regelung im 1. Spiegelstrich des 3. Absatzes des Zieles der Sache nach weitreichend eingeschränkt, wenn allein das Bedürfnis einer wohnortnahen Versorgung ausreichend wäre, um eine Ansiedlung großflächiger Einzelhandelsbetriebe mit nahversorgungsrelevanten Sortimenten außerhalb zentraler Versorgungsbereiche zuzulassen. Das OVG sieht dies mit den Absichten des Plangebers, die durch die Erläuterungen des Ziels zum Ausdruck kommen, nicht vereinbar. Die Ausnahmeregelung in Absatz 3 des Ziels ist vielmehr an enge und abschließende Voraussetzungen zu binden.

Das OVG NRW kommt zu dem Entschluss, dass eine hinreichend wohnortnahe Versorgung der Bevölkerung durch einen großflächigen Einzelhandel nach Konzeption der Regelung des LEP NRW nur gewährleistet werden kann, wenn der Standort in einem (neuen) zentralen Versorgungsbereich in integrierter Lage nach Maßgabe des 1. Absatzes des Zieles, 2. Spiegelstrich, geplant wird bzw. der Ausnahmetatbestand unter Berücksichtigung der obergerichtlich definierten „städtebaulichen oder siedlungsstrukturellen Gründe“ gegeben ist.

Andernfalls sind Gemeinden nach den Vorgaben des LEP darauf beschränkt, die Nahversorgung durch kleinerer Lebensmittelmärkte sicherzustellen, die nicht den Anwendungsbereich des § 11 Abs. 3 BauNVO eröffnen.

 

Anwendung des Urteils auf den Standort Kaserne:

Durch die beabsichtige Planung des großflächigen Lebensmittelvollsortimenters am Standort ehemalige Kaserne ist der Anwendungsbereich des landesplanerischen Ziels 6.5-2 eröffnet.
Der Lebensmittelvollsortimenter führt auch ein zentrenrelevantes Kernsortiment i.S. der Regelung. Nach 6.5-2 Absatz 2 LEP NRW sind zentrenrelevant die Sortimente der Anlage 1. In dieser Anlage sind auch Nahrungs- und Genussmittel aufgeführt.
Das geplante Sondergebiet mit der Zweckbestimmung „Nahversorgungszentrum“ liegt weder in einem bestehenden zentralen Versorgungsbereich, noch in einem neu geplanten zentralen Versorgungsbereich in städtebaulich integrierter Lage, noch greift der Ausnahmetatbestand des Ziels 6.5-2 LEP NRW.

Für das geplante Vorhaben ist nach der Rechtsprechung des OVG NRW in den vorliegenden Unterlagen nicht ausreichend ausgearbeitet, warum eine Lage im zentralen Versorgungsbereich aus städtebaulichen und siedlungsstrukturellen Gründen nicht möglich ist.

Ein siedlungsstruktureller oder städtebaulicher Grund ergibt sich nicht wie bisher angenommen daraus, dass die Lage im zentralen Versorgungsbereich nicht sinnvoll ist, um eine wohnortnahe Versorgung für den Standort Kaserne sowie die abgesetzten Siedlungsbereiche Hüthum, Borghees und Klein-Netterden sicherzustellen. Hierbei handelt es sich nach dem OVG NRW nicht um einen in der Beschaffenheit des zentralen Versorgungsbereichs selbst liegenden Grund.

Für die bisher vorgesehene Anwendung der Ausnahmeregelung von Ziel 6.5-2 fehlt die Betrachtung der bestehenden zentralen Versorgungsbereiche Emmerich und Elten.

Bei unveränderter Weiterführung des bereits angestoßenen Bauleitplanverfahrens zur Ansiedlung des Vorhabens im Nahversorgungszentrum läuft die Stadt Emmerich am Rhein Gefahr gegen § 1 Abs. 4 BauGB zu verstoßen, da der Bebauungsplan nicht an das Ziel 6.5-2 LEP NRW angepasst ist und somit die Voraussetzungen für eine Ausweisung eines Sondergebiets für ein Vorhaben im Sinne von § 11 Abs. 3 BauNVO nicht vorliegen.

Aus der Rechtsprechung des OVG NRW ergibt sich für den Nahversorgungsstandort ehemalige Kaserne die Notwendigkeit der detaillierten Betrachtung von siedlungsstrukturellen und städtebaulichen Gründen, die im zentralen Versorgungsbereich selbst liegen. Andernfalls kann an dem Standort die Nahversorgung nur durch einen kleinflächigen Lebensmittelmarkt sichergestellt werden.

 

Empfehlung der Bezirksregierung:

Für eine rechtsichere Umsetzung des Vorhabens empfiehlt die Bezirksregierung die Fortschreibung des Einzelhandelskonzepts mit Ausweisung des Standortes ehemalige Kaserne als dritten zentralen Versorgungsbereich. Der zentrale Versorgungsbereich kann insofern eingeschränkt werden, dass er wie beabsichtigt, der Nahversorgung dient.

 

Vorschlag der Verwaltung:

Entsprechend der Empfehlung der Bezirksregierung schlägt die Verwaltung vor, das Einzelhandelskonzept fortzuschreiben. Ziel der Fortschreibung ist die Ausweisung des Nahversorgungsstandortes ehemalige Kaserne als dritten zentralen Versorgungsbereich. Die Ansiedlung eines großflächigen Lebensmittelvollsortimenters und eines Drogeriemarktes ist so möglich.

Die Bauleitplanverfahren können weitestgehend parallel zur notwendig partiellen Fortschreibung des Einzelhandelskonzeptes fortgeführt werden.

 

 

 

Finanz- und haushaltswirtschaftliche Auswirkungen :

 

Die Maßnahme hat keine finanz- und haushaltswirtschaftlichen Auswirkungen.

 

 

Leitbild :

 

Die Maßnahme steht im Einklang mit den Zielen des Leitbildes Kapitel 2.3.

 

 

 

In Vertretung

 

 

 

Dr. Wachs

Erster Beigeordneter