Betreff
Aktualisierung des Einzelhandelskonzeptes der Stadt Emmerich am Rhein mit vertiefender
Betrachtung zur Ansiedlung eines größeren Einzelhandelsbausteins auf dem Neumarkt,
hier: 1) Bericht zur Bürgerinformation
2) Beschluss zur Konzeption Neumarkt
Vorlage
05 - 15 0397/2011
Art
Verwaltungsvorlage

Beschlussvorschlag

 

Zu 1)

 

Der Rat der Stadt Emmerich am Rhein nimmt den Bericht zur Bürgerinformation zur Kenntnis.

 

 

Zu 2)

 

Der Rat der Stadt Emmerich am Rhein beschließt die Planung der WELASA/Schoofs-Gruppe als städtebauliches Grundkonzept für die Entwicklung des Neumarktes.

 

Weiterhin beschließt der Rat der Stadt Emmerich am Rhein, auf Basis des Konzeptes der WELASA/Schoofs-Gruppe ein Bebauungsplanaufstellungsverfahren als Grundlage für die Umsetzung der Planung durchzuführen.

 

Sachdarstellung :

 

Zu 1)

 

Nach Freigabe der Konzepte Neumarkt durch Beschluss des Ausschusses für Stadtentwicklung am 15.02.2011 hat am 23.02.2011 im PAN Kunstforum Niederrhein eine Bürgerinformation stattgefunden, zu der zahlreiche Bürger erschienen.

 

Im Rahmen dieser Bürgerinformation wurde von Investorenseite nur noch das WELASA/Schoofs-Konzept für den Neumarkt vorgestellt, da am 22.02.2011 die ITG aus Düsseldorf ihr Konzept zur Entwicklung des Neumarktes zurückgezogen hatte.

 

Folgende Inhalte wurden im Rahmen der Informationsveranstaltung präsentiert (s. auch Anlagen):

-          Einleitung und grundlegende Erläuterungen zu dem Stadtentwicklungsprojekt „Umgestaltung des Neumarktes“

-          Erläuterungen zu Zielen, zum städtebaulichem Konzept und zum Zeitplan der WELASA/Schoofs-Gruppe

-          Fachliche Stellungnahme der Industrie- und Handelskammer Duisburg zu den Konzepten Neumarkt

-          Einzelhandelskonzept und Konzeptbewertung Neumarkt durch das Planungsbüro Junker & Kruse

-          Fragen und Anregungen der Bürger

 

Ein wesentliches Ergebnis der Bürgerinformation, welches in mehreren Wortbeiträgen von Seiten der Bürgerschaft zum Ausdruck gebracht wurde, ist die Notwendigkeit zur Realisierung eines oder mehrerer Durchstiche zur Kaßstraße, um den auf dem Neumarkt geplanten neuen Baukörper mit Einzelhandels- und Wohnnutzungen optimal an die bestehende Fußgängerzone Kaßstraße anzubinden.

 

Ablauf und weitere Ergebnisse der Bürgerinformation sind der in der Anlage beigefügten Niederschrift zu entnehmen.

 

 

Zu 2)

 

Die Stadt Emmerich am Rhein hat das Planungsbüro Junker & Kruse aus Dortmund mit der fachlichen Bewertung der Konzepte zur Reaktivierung des Neumarktes in Emmerich am Rhein beauftragt.

 

Folgende abschließende Einordnung der vorliegenden Konzepte wird durch das Planungsbüro Junker & Kruse – Stand Februar 2011 – vorgenommen:

 

I.     Verfahren

 

Für den Neumarkt lagen von Seiten zweier Investoren Entwicklungskonzepte vor, welche im Rahmen einer vertiefenden Analyse durch das Planungsbüro Junker & Kruse einer Bewertung unterzogen wurden.

Die Konzeptentwicklung wurde durch die Verwaltung und das beauftragte Büro Junker & Kruse seit Herbst 2010 begleitet. In einer Reihe von Arbeitsgesprächen zwischen dem Gutachter/der Stadt und den beiden Entwicklern im Zeitraum Oktober 2010 bis Februar 2011 ging es vor allem darum, die Vorstellungen der Stadt Emmerich am Rhein zu verdeutlichen und Optimierungsmöglichkeiten an den Konzepten auszuloten.

 

 

II.    Räumlich-funktionale Struktur des Hauptgeschäftsbereichs Innenstadt

 

Der Hauptgeschäftsbereich der Emmericher Innenstadt erstreckt sich L-förmig vom Kleinen Löwen bis zum Geistmarkt, im Wesentlichen über die Kaßstraße und die Steinstraße. Ergänzt wird und eine gewisse räumliche Tiefe erhält diese Struktur durch das zentral gelegene, inzwischen gut integrierte Rhein-Center. Insgesamt misst er eine Länge von über 900 m und ist damit sehr lang gestreckt.

 

Die 1a-Lage des Hauptgeschäftsbereiches ist in der Kaßstraße, etwa zwischen Franz-Wolters-Platz und Kirchstraße zu finden. In der Steinstraße ist der Einzelhandel bereits deutlich schwächer vertreten. Das Gelenk dieser Einkaufsstraßen wird durch die Straßen bzw. Plätze Alter Markt, Fischerort, Kirchstraße und Christoffelstraße gebildet. Obwohl diesem Bereich eine große Verteilerfunktion zukommt, ist hier, im Gegensatz zu den anderen Straßen, keine klare Wegeführung gegeben. Auch der Einzelhandel verteilt sich in diesem Abschnitt des Hauptgeschäftsbereichs eher dispers.

 

Der Vorhabenstandort liegt in unmittelbarer Nähe dieses Gelenks und beeinflusst daher auch die zukünftigen Perspektiven der Kaßstraße, vor allem aber der Steinstraße.

 

 

III.   Zielvorstellungen der Stadt

 

In den vorliegenden Konzepten der Stadt Emmerich am Rhein werden zur Entwicklung der Innenstadt seit dem Jahr 2000 folgende Ziele formuliert:

 

Das Leitbild der Stadt Emmerich am Rhein aus dem Jahr 2006 betont die Wichtigkeit eines attraktiven und kundengerechten Einkaufsangebotes sowie die Schaffung eines Angebotes an Eigentumswohnungen und Stadthäusern in der Innenstadt.

 

Der Masterplan von 2000 zielt auf die Weiterentwicklung der traditionellen, urbanen und lebendigen Innenstadt, in der Dichte anzutreffen ist und Vielfalt herrscht. Neben städtebaulichen Aufwertungsmaßnahmen werden für den Einzelhandel u.a. folgende Ziele formuliert:

Abbau der Verkaufsflächendefizite,

Beseitigung ungenutzter Flächenpotenziale; konkret wird in diesem Zusammenhang der Leerstand am Neumarkt angesprochen.

 

Auch im Integrierten Handlungskonzept 2000 – 2010 wird der zu stärkende Hauptgeschäftsbereich in der Fußgängerzone Kaßstraße und in den Schwerpunkten Neumarkt und Rhein-Center gesehen.

 

Das Einzelhandelskonzept aus dem Jahr 2005 beziffert die quantitativen Flächendefizite in der Innenstadt auf rund 3.000 qm. Dem Standort Neumarkt wird dabei eine hervorragende Eignung attestiert, diese abzubauen.

 

 

 

 

 

IV.  Kurzbeschreibung der Konzepte

 

Der Entwickler WELASA/Schoofs schafft einen neuen Einzelhandelsbaustein in klassischen Wohn- und Geschäftshäusern. Das Erdgeschoss dient im Wesentlichen der Einzelhandelsnutzung, „daraufgestellt“ sind einige Stadthäuser. Die Verbindung zur Kaßstraße soll durch Passagen hergestellt werden, die heutige Hofseite zum Neumarkt durch ein neues Gebäude geschlossen werden.

Es entstehen rund 3.300 qm neuer Einzelhandelsfläche. Die Branche Lebensmittel nimmt dabei rund 1.350 qm, die Branche Elektronik rund 1.400 qm und die Branche Bekleidung/Textilien rund 400 qm Verkaufsfläche mit Entwicklungsspielraum in Anspruch. Die weiteren Flächen im Bereich der Passage werden durch kleinere Shops genutzt.

Die Gebäude lassen Raum für einen ebenerdigen Parkplatz mit 94 Stellplätzen sowie für eine neue Platzfläche, den „neuen Neumarkt“, welcher ausreichend dimensioniert ist, den Wochenmarkt aufzunehmen. In einer Tiefgarage werden weitere 172 Stellplätze angeboten.

Am Neuen Steinweg und in den aufgesetzten Gebäuden werden Räume für die Caritas sowie ca. 50 Wohnungen geschaffen. Bäume und weitere Grünelemente im Hofbereich der Wohngebäude sorgen für eine begrünte Einbindung in die benachbarten städtischen Strukturen.

 

Das zweite bis zum 22.02.2011 in der Diskussion stehende Konzept entwirft eine klassische, introvertierte Mall, ein Einkaufscenter  mit rund 9.000 qm Verkaufsfläche (VK).

Die Mall knüpft an zwei Punkten unmittelbar an die bestehenden Geschäftslagen in der Kaßstraße an. Hauptmieter in diesem Ensemble stammen aus den Branchen Lebensmittel, Elektronik und Textil. In einer Tiefgarage und auf einem Parkdeck entstehen insgesamt 450 Stellplätze.

 

 

V.   Darstellung/Bewertung der Konzepte

 

Um die unterschiedlichen Lösungsansätze auf eine rationale und transparente Grundlage zu stellen, werden die beiden Entwürfe im Folgenden städtebaulich, räumlich-funktional und hinsichtlich ihrer Wirkungen auf den Einzelhandel eingeordnet und bewertet.

 

Die im Folgenden dargestellte Konzeptbewertung setzt die Zielvorstellungen der Stadt Emmerich am Rhein in geeignete Bewertungskriterien um.

 

Kriterium

Einkaufscenter

 

WELASA/Schoofs

 

 

 

 

 

 

STÄDTEBAU

 

 

 

 

Typ des Baukörpers

geschlossene Einkaufsmall

 

einzeln stehender Baukörper mit Einzelhandel im EG, Wohnen in den oberen Geschossen

 

Maßstäblich-

keit, Architek-

tur, Fassaden

übliche Baublockgrößen in Emmerich werden gesprengt

O

hochwertige, differenzierte, ortsbezogene Architektur

Entwurf fügt sich gut in die bestehende Struktur ein

Maßstabssprung durch Gebäudehöhe

+

Beziehung Baukörper zum Umfeld

es entstehen drei Rückseiten

Entwurf ist auf sich selbst bezogen und nimmt kaum Bezug zum Umfeld auf

großzügige Anlieferung und Zufahrt am Neuen Steinweg mit Beeinträchtigung der Wohnbebauung

bestehende Rückseiten am Neumarkt werden beseitigt

-

klare Bezüge zum Neuen Steinweg

Anlieferung gut gelöst

bestehende Rückseiten Neumarkt werden „beseitigt“

gute städtebauliche Integration der Gebäude

Stellung und Größe der Baukörper ermöglichen eine Durchlässigkeit des Areals

die Stadt wird weiter gebaut

+


 

Öffnung und Durchlässigkeit des Baukörpers

Baukörper öffnen sich nicht zur Stadt

Wegebeziehung zwischen Kaßstraße und Neuer Steinweg ist funktional gewährleistet

Qualität der Wegebeziehung mäßig

O

der Baukörper zeigt zu allen Seiten städtische Gebäudefronten (keine Rückseiten)

klare Wegebeziehung über den Parkplatz

Baukörper öffnet sich zur Stadt (Eingänge von der Platzfläche Neumarkt und aus Ri. Durchgang Kaßstr.)

große Wahlfreiheit für Fußgänger bei der Wegewahl

+

innere Wegestruktur

klarer U-förmiger Rundgang

+

gute Lenkung und einfache Orientierung für Passanten

+

Anbindung an den Hauptgeschäftsbereich

unmittelbare Anbindung über die Kaßstraße bzw. über den Neumarkt und Kirchstraße

+

Anbindung über die Kirchstraße und in Stufe 2 auch über eine neue Passage

O

Bereitstellung von Platzflächen

Platzfläche für den Wochenmarkt gerade ausreichend, wenn Eingang der Mall verstellt wird => keine Entwicklungsmöglichkeiten Markt

Gebäudevorsprung im 1. OG architektonisch + städtebaulich höchst unbefriedigend

-

gut dimensionierte Fläche für den Wochenmarkt und für Veranstaltungen

der Markt ist ein wichtiger Frequenzbringer und Attraktivitätsfaktor für die Innenstadt

Raumkanten sind klar ausgebildet

+

Grüngestaltung/-verbindung

auf die angestrebte Grünverbindung wird nicht eingegangen

- -

die angestrebte Grünverbindung wird geschaffen

+

Anbindung

Anbindung über Neuer Steinweg, Verkehrsführung vorgegeben, keine Bewertung

 

Anbindung über Neuer Steinweg, Verkehrsführung vorgegeben, keine Bewertung

 

Parkplätze

310 St. Tiefgarage, ca. 140 St. Parkdeck

keine ebenerdigen Stellplätze

Anfahrbarkeit muss geprüft werden

O

ca. 270, davon 94 oberirdisch, davon sind einige den Wohnungen vorbehalten

Anfahrbarkeit gegeben

+

Verknüpfung Parken mit der Innenstadt

Stellplätze beziehen sich nur auf die Mall

großes Angebot an neuen Stellplätzen verstärkt die Anziehungskraft zu Lasten anderer Lagen

Erreichbarkeit des bestehenden Einzelhandels eingeschränkt

O

oberirdische Stellplätze dienen der Erreichbarkeit des Einzelhandels in der Innenstadt insgesamt

+

Verkaufsfläche/Einwohner

Zentralität

2,04 qm Verkaufsfläche/Einwohner

1,17 (+ 0,27)

+

1,85 qm Verkaufsfläche/Einwohner

1,02 (+ 0,12)

+


 

Dimensionie-

rung/Umsatz-

verteilungen/

Auswirkungen auf den vorhandenen Einzelhandel

enormer Verkaufsflächenzuwachs

massive Umsatzverteilung (bis zu 27,5 Mio. Euro)

Umverteilungsquoten innerhalb des Stadtgebietes: Nahungs- und Genussmittel (bis zu 15%), Elektro/Multimedia (bis zu 100%), Bekleidung/Textilien (bis zu 84%)

von Betriebsaufgaben im bestehenden Einzelhandel ist auszugehen

Leerstände in funktionierenden Einzelhandelslagen

- -

angemessener Verkaufsflächenzuwachs/Stärkung der Innenstadt

moderate Umsatzumverteilung (bis zu 12 Mio. Euro) trägt zum Wettbewerb bei

Umverteilungsquoten innerhalb des Stadtgebietes: Nahrungs- und Genussmittel (bis zu 9%), Elektro/Multimedia (bis zu 89%), Bekleidung/Textilien (bis zu 9%)

+

Angebot an barrierefreien Wohnungen

reine Einkaufs-Mall

Wohnnutzung kann nicht in das Konzept integriert werden

- -

Wohnkonzept mit besonderer Architektur

barrierefreie Wohnungen mit verschiedenen Größen und Zuschnitten

+ +

Flexibilität des Gesamtkon-

zeptes

Konzept ist städtebaulich und bezogen auf die Gesamtflächengröße des Einzelhandels sehr starr

Mall nur für Einzelhandel nutzbar, keine Zweitnutzung möglich

-

Konzept kann innerhalb der Konkretisierungsphase flexibel reagieren

Einzelbaukörper kann auf veränderte Bedarfe flexibel reagieren

+

Realisierungs-

chancen, Umsetzungs-

zeitraum

Konzept ist nur umsetzbar, wenn umfangreicher Grunderwerb im Bereich Kaßstraße gelingt

O

Umsetzung des Konzeptes in mehreren Stufen mit separatem Baukörper und unter Einbindung weniger Eigentümer möglich

+

 

 

VI.  Fazit

 

Die vorliegenden Konzepte beseitigen beide die heute unbefriedigende Situation am Neumarkt. Es handelt sich um völlig unterschiedliche Entwürfe, die die Spannbreite der Entwicklungsmöglichkeiten des Neumarktes abbilden.

 

Die vorstehende Bewertung verdeutlicht, dass das Konzept WELASA/Schoofs die insgesamt deutlich bessere Lösung für die Entwicklung des Neumarktes und der gesamten Emmericher Innenstadt bietet. Dies gilt über alle Bewertungsgruppen hinweg.

 

Das Konzept Einkaufscenterentwickelt eine klassische, für Emmerich relativ große, introvertierte Mall mit ihren bekannten Vorteilen im Hinblick auf die interne Logik und das Management.

 

 

 

 

 

 

Mit dem Konzept Einkaufscenter sind für die Stadt zwei gravierende Nachteile verbunden:

-          Das bauliche Abwenden von der Innenstadt, was sich in vielen Rückseiten, unattraktiven 

      wegen und in der Entstehung eines unbefriedigenden Platzraumes am Neumarkt

      ausdrückt.

-          Das deutliche Flächenwachstum, das zu starken Verwerfungen im heutigen

      Geschäftsbereich führen wird.

 

Die Lösung des Entwicklers WELASA/Schoofs schlägt dagegen eine angemessene Flächenerweiterung vor, die Sortimentslücken schließt und „Luft lässt“ für weitere, ergänzende Investitionen in der Emmericher Innenstadt.

 

Der städtebauliche und architektonische Entwurf leistet eine behutsame Stadtreparatur und fügt sich harmonisch in die bestehenden Strukturen ein. Die Wohnungen in den Stadthäusern werden zur weiteren Belebung der Innenstadt beitragen. Um die Vermarktung zu sichern, muss auf die Ansprüche der potenziellen Mieter bzw. Käufer in besonderer Weise eingegangen werden. Die räumlich-funktionale Verknüpfung mit dem Haupteinkaufsbereich soll – bei Mitwirkungsbereitschaft der Grundeigentümer – durch Passagen sicher gestellt werden.

 

Finanz- und haushaltswirtschaftliche Auswirkungen :

 

Die Maßnahme hat keine finanz- und haushaltswirtschaftlichen Auswirkungen.

 

Die Maßnahme steht im Einklang mit den Zielen des Leitbildes, Kapitel 1.2 und 2.3.

 

 

In Vertretung

 

 

 

Dr. Wachs

Erster Beigeordneter